Die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens ist nicht neu, aber nach wie vor aktuell. Immer wieder entflammt die gesellschaftliche Debatte über das Für und Wider, aber auch die Machbarkeit eines Grundeinkommens für alle. Hier erfährst du, was das bedingungslose Grundeinkommen ist, wie es funktionieren könnte und welche Vorteile und Nachteile damit verbunden sein können.
- Was ist das bedingungslose Grundeinkommen?
- Bedingungsloses Grundeinkommen: Eine Idee mit langer Geschichte
- Bedingungsloses Grundeinkommen: Wie könnte es funktionieren?
- Bedingungsloses Grundeinkommen: Vor- und Nachteile im Überblick
- Erfahrungen mit dem bedingungslosen Grundeinkommen in Ländern und Regionen weltweit
Was ist das bedingungslose Grundeinkommen?
Schon seit Jahren kommt immer wieder eine Diskussion darüber auf, ob ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht eine gute Idee wäre. Aber was ist damit eigentlich genau gemeint? Ein bedingungsloses Grundeinkommen, kurz BGE, wäre eine staatliche Transferleistung für alle Bürger.
Als Transferleistung müssten die Bürger dafür keine Gegenleistung erbringen. Außerdem wäre das Grundeinkommen, wie die Bezeichnung schon sagt, nicht an bestimmte Bedingungen geknüpft. Es bekämen also nicht zum Beispiel nur ärmere Menschen, sondern alle. Eine Bedürftigkeitsprüfung wäre nicht nötig.
Ein bedingungsloses Grundeinkommen soll dafür sorgen, dass alle Menschen ein Minimum an Geld zur Verfügung haben, das ihre Existenz sichert und ihnen gleichzeitig gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht. Das Grundeinkommen soll Armut und prekären Lebenssituationen vorbeugen und die individuellen Entwicklungsmöglichkeiten des Einzelnen befördern.
Bedingungsloses Grundeinkommen: Eine Idee mit langer Geschichte
Die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens wird seit einigen Jahren verstärkt diskutiert. Neu ist sie allerdings nicht – ganz im Gegenteil. Die Vorgeschichte der Debatte über ein bedingungsloses Grundeinkommen reicht zurück bis zur Antike. Im Laufe der Geschichte wurde das Thema immer wieder aufgegriffen, zum Beispiel in Schriften und ethischen Überlegungen.
Der belgische Jurist Joseph Charlier zählte im 19. Jahrhundert zu den ersten, die sich für ein bedingungsloses Grundeinkommen im heutigen Sinne ausgesprochen haben. Charlier vertrat die Auffassung, dass das Staatsgebiet allen Bürgern anteilig gehört. Deshalb sollten alle Bürger an den Erlösen aus der Vergabe von Nutzungsrechten der natürlichen Ressourcen eines Landes beteiligt werden. Später bezeichnete Charlier seine Idee als Staatsdividende.
In den 1950er Jahren warb der deutsch-amerikanische Psychoanalytiker Erich Fromm für ein Grundeinkommen für alle. Es sollte nach Meinung von Fromm unabhängig von der Arbeit sein und die Sozialversicherung ergänzen, um ein Existenzminimum zu gewährleisten. Jedem Menschen sollte es freistehen, eine Arbeit nicht anzunehmen, ohne dadurch in existenzielle Not zu geraten.
Hartz-IV-Gesetze befördern die Debatte über ein Grundeinkommen
Befördert wurde die Diskussion über ein Grundeinkommen für alle unter anderem vom US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler Milton Friedman mit seiner Idee einer negativen Einkommenssteuer, dem US-amerikanischen Systemtheoretiker Richard Buckminster Fuller und dem österreichisch-französischen Philosophen André Gorz.
Gorz sah die Notwendigkeit eines Grundeinkommens vor dem Hintergrund der veränderten Arbeitswelt. Der zunehmende Einsatz von Maschinen sorgte (und sorgt) dafür, dass der Bedarf an menschlicher Arbeitskraft verringert war. Ein Grundeinkommen verstand Gorz als Möglichkeit, der Krise der Lohnarbeit zu begegnen.
In Deutschland hat die Debatte über ein bedingungsloses Grundeinkommen kurz nach der Jahrtausendwende an Fahrt aufgenommen. Daran hatten die umstrittenen Hartz-IV-Gesetze einen erheblichen Anteil. Ein Grundeinkommen für alle wurde vor diesem Hintergrund als Alternative zum üblichen Umgang mit Arbeitslosen, der durch staatlichen Druck geprägt ist, verstanden.
Anfang 2023 trat das Bürgergeld-Gesetz in Kraft und löste die Hartz-IV-Regelungen ab. Seitdem ersetzt das Bürgergeld das Arbeitslosengeld II (Hartz IV) und das Sozialgeld.
Bedingungsloses Grundeinkommen: Wie könnte es funktionieren?
Die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens klingt auf den ersten Blick verlockend – wer bekäme nicht gerne Geld vom Staat, das er nach Belieben nutzen kann? Bei genauerer Betrachtung stellt sich allerdings die Frage, ob und wie das auch praktisch funktionieren könnte.
Zur Umsetzung eines bedingungslosen Grundeinkommens gibt es viele Ansätze und Modelle. Sie unterscheiden sich zum Beispiel im Hinblick darauf, wer das Geld erhalten soll – nur Staatsbürger oder auch Ausländer, die im Land leben? Auch die Frage, wie viel Geld es geben soll, unterscheidet sich von Ansatz zu Ansatz. Die meisten Vorschläge bewegen sich bei rund 1.000 bis 1.100 Euro pro Monat; manche sehen weniger, andere etwas mehr Geld vor.
Woher soll das Geld für ein bedingungsloses Grundeinkommen kommen?
Einer der wichtigsten Aspekte bei einem möglichen bedingungslosen Grundeinkommen betrifft die Finanzierung. Auch hier gibt es verschiedene Sichtweisen und Ansatzpunkte. Da das Grundeinkommen eine staatliche Leistung wäre, müsste es aus Steuereinnahmen finanziert werden. Grundsätzlich lassen sich die verschiedenen Ideen in diese Kategorien teilen:
- Finanzierung durch Besteuerung des Einkommens
- Finanzierung durch Besteuerung von Konsum
- Finanzierung durch Besteuerung natürlicher Ressourcen
- Finanzierung durch Besteuerung des Geldverkehrs
Diverse Sozialleistungen, die es heute gibt, wären mit einem Grundeinkommen für alle nicht mehr notwendig. Das beträfe unter anderem Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, BAföG, Kindergeld und Teile der Rente. Dadurch könnte der Staat Geld sparen, und zwar nicht nur direkt durch die einbehaltenen Leistungen, sondern auch indirekt. Es bräuchte dann auch keinen riesigen Apparat mehr, um diese Gelder zu verwalten, Anträge zu bearbeiten und Fälle zu prüfen.
Von der negativen Einkommenssteuer bis zur Konsumsteuer
Eine Idee, die auch für die Finanzierung eines möglichen bedingungslosen Grundeinkommens herangezogen wird, ist die einer negativen Einkommenssteuer. Das Konzept wurde zuerst von der britischen Ökonomin Juliet Rhys-Williams in den 1940er Jahren entwickelt und durch Milton Friedman in den 1960er Jahren weiter geprägt.
Bei einer negativen Einkommenssteuer hinge es vom Einkommen ab, ob jemand Steuern zahlen muss oder nicht. Wer keine Einnahmen hat, bekäme die staatliche Transferleistung ausgezahlt. Mit steigenden Einkünften nähme deren Höhe ab, und ab einer gewissen Grenze müssten die Bürger dann wie gewohnt Einkommenssteuer zahlen.
Diskutiert wird im Zusammenhang mit einem bedingungslosen Grundeinkommen auch eine Konsumsteuer, also einer Umsatzsteuer wie der heutigen Mehrwertsteuer. Alle anderen Steuern – etwa Einkommenssteuer, Lohnsteuer oder Betriebssteuern – würden dadurch ersetzt werden. Lediglich der Konsum würde besteuert, nicht aber die Produktion und Arbeit.
Zu den Befürwortern einer Konsumsteuer gehört etwa Götz Werner, der Gründer der dm-Drogeriemarktkette. Er spricht sich für eine nicht progressive Konsumsteuer aus, deren Höhe somit für alle gleich wäre. Durch den Wegfall anderer Steuern hätten Arbeitnehmer mehr Geld zum Leben, weil ihr Bruttoeinkommen dem Nettoeinkommen entspräche. Auch Firmen bliebe mehr Gewinn übrig.
Bedingungsloses Grundeinkommen: Vor- und Nachteile im Überblick
Was spricht für, was gegen die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens? Die Vor- und Nachteile findest du hier im Überblick.
Das spricht für ein bedingungsloses Grundeinkommen
- Die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens würde Menschen, die sich jetzt nahe der Armutsgrenze bewegen, besserstellen. Viele Menschen hätten dadurch mehr Geld zur Verfügung als bisher.
- Arbeitslose fühlen sich durch die Behandlung bei der Arbeitsagentur und besonders beim Jobcenter oft wie Menschen zweiter Klasse. Der Kontakt mit dem Amt ist für viele durch permanenten Druck und einer zumindest gefühlten willkürlichen Behandlung geprägt. Bei einem bedingungslosen Grundeinkommen müsste sich niemand mehr rechtfertigen, wenn er keinen Job hat. Das könnte für ein höheres Wohlbefinden sorgen.
- Ein Mindesteinkommen zu haben, das nicht an Bedingungen oder Lebensumstände geknüpft ist, bietet Sicherheit. Dadurch können Menschen sich eher selbstverwirklichen. Wer günstig lebt, braucht etwa nicht zwingend einen Job, sondern könnte sich zum Beispiel kreativen Projekten widmen. Es wäre auch leichter, zur Kinderbetreuung oder der Pflege von Angehörigen zuhause zu bleiben. Außerdem müsste man sich den Job nicht zwingend nach dem Verdienst aussuchen, was zu einer höheren Zufriedenheit im Beruf führen könnte.
- Gäbe es ein bedingungsloses Grundeinkommen, könnte das zu mehr Bildung führen, weil Menschen mehr Freiraum hätten, sich weiterzubilden. Auch ehrenamtliches Engagement könnte zunehmen, wenn Menschen weniger stark auf ein Einkommen aus einer (Vollzeit-)Berufstätigkeit angewiesen wären.
- Es wäre denkbar, dass sich Menschen bewusster für einen Job entscheiden, der ihnen Spaß macht. Das könnte zu einer höheren Motivation und mehr Engagement führen und so die Produktivität erhöhen.
- Ein Wegfall an staatlichen Unterstützungsleistungen wie Arbeitslosengeld oder Kindergeld würde mit einem deutlichen Bürokratierückgang einhergehen und Verwaltungskosten senken.
- Wenn Menschen durch ein bedingungsloses Grundeinkommen mehr Geld zur Verfügung haben, kann das die Kaufkraft stärken.
Das spricht gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen
- Ein bedingungsloses Grundeinkommen könnte schlicht zu teuer sein, um es tatsächlich einführen zu können.
- Schlecht bezahlte oder anderweitig unattraktive Jobs würden noch unattraktiver. Das könnte Arbeitgeber vor Probleme stellen – was sich durch fairere Löhne oder bessere Arbeitsbedingungen allerdings umgehen ließe.
- Ein sicheres Grundeinkommen zu haben könnte dazu führen, dass manche Menschen nicht mehr arbeiten möchten, weil sie ohnehin abgesichert sind. Das könnte zum Problem für die wirtschaftliche Entwicklung insgesamt werden.
- Durch ein bedingungsloses Grundeinkommen bekämen alle Bürger denselben Betrag. Das ist – relativ gesehen – ungerecht, denn für die Ärmeren wäre der Betrag wahrscheinlich trotzdem nicht hoch genug, während er für reichere Menschen kaum einen Unterschied machen würde.
- Gäbe es ein Grundeinkommen, könnte das zu sinkenden Löhnen führen. Arbeitgeber könnten damit argumentieren, dass ja jeder Beschäftigte schon das Grundeinkommen erhielte.
- Für Unternehmen wäre es womöglich leichter, Mitarbeiter zu entlassen oder ältere Bewerber oder Bewerber mit Behinderung gar nicht erst einzustellen. Sie könnten soziale Verantwortung mit dem Argument abgeben, dass solche Menschen ja durch das Grundeinkommen abgefangen werden.
Erfahrungen mit dem bedingungslosen Grundeinkommen in Ländern und Regionen weltweit
Diskussionen über ein bedingungsloses Grundeinkommen gibt es nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Ländern weltweit. Manche Länder und Regionen haben die Auszahlung eines Grundeinkommens schon an kleineren Gruppen getestet, andere überlegen, ob und wie ein bedingungsloses Grundeinkommen eingeführt werden könnte. Tatsächlich dauerhaft umgesetzt wird die Idee eines Grundeinkommens aber bislang in keinem Land.
Dabei gab es die ersten Experimente nicht erst vor kurzem. Bereits in den 1920er Jahren forderte die Social-Credit-Bewegung in Australien, Großbritannien, Kanada und Neuseeland die Einführung eines Grundeinkommens für alle Bürger. In den USA wurde in den 1960er und 1970er Jahren darüber debattiert, und der damalige Präsident Lyndon B. Johnson rief eine Kommission ins Leben, die sich mit dem Thema beschäftigte.
Experimente in Finnland, gescheiterte Volksbegehren in Österreich und der Schweiz
Jüngere Experimente gab es ab dem Jahr 2017 in Finnland. 2.000 Arbeitslose erhielten als Grundeinkommen monatlich 560 Euro ohne Bedingungen. Die Bilanz des Versuchs fiel gemischt aus: Zwar konnte das Wohlbefinden der Teilnehmer gesteigert werden, einen Job hatte aber kaum jemand gefunden.
In Österreich und der Schweiz gab es Volksbegehren, die eine Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens zum Ziel hatte. In beiden Fällen fand sich dafür keine Mehrheit. In Österreich läuft inzwischen allerdings ein neues Volksbegehren.
Zu den Ländern, in denen über ein bedingungsloses Grundeinkommen nachgedacht oder wo es im Kleinen bereits getestet wird, zählen unter anderem Südafrika, Namibia, Brasilien, Holland und Kanada. So zahlt Südafrika etwa vorübergehend ein Grundeinkommen während der Corona-Krise und in Namibia hat eine Kommission der Regierung die Einführung eines Grundeinkommens vorgeschlagen, was die Menschen bis zum Rentenalter von 60 Jahren erhalten sollen. In Brasilien ist das Grundeinkommen zwar für ärmere Familien in der Verfassung verankert, wird aber nicht umgesetzt.
Pilotprojekt in Deutschland endet im Jahr 2024
In der kanadischen Provinz Ontario wurde einkommensschwachen Familien zeitweise ein Grundeinkommen ausgezahlt. Dieses Projekt wurde nach einem Regierungswechsel jedoch vorzeitig beendet, weil es zu teuer war.
Eine positive Bilanz hatte ein Experiment in der kalifornischen Stadt Stockton, wo 125 zufällig ausgewählte Bürger zwei Jahre lang 500 Dollar pro Monat bekamen. Anschließend hatten mehr Menschen einen Vollzeitjob, die Schuldenlast hatte sich verringert und die Menschen litten weniger an Ängsten und Depressionen. Ihr Wohlbefinden hatte sich verbessert.
Ähnliche Experimente könnte es bald auch in anderen US-Städten geben. Dutzende Städte sind an der Initiative „Bürgermeister für ein garantiertes Einkommen“ beteiligt, darunter Los Angeles, Seattle und Atlanta.
Ein Pilotprojekt in Deutschland wird derzeit vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und dem Verein Mein Grundeinkommen e. V. sowie Wissenschaftlern der Universität zu Köln und des Max-Planck-Instituts durchgeführt. Dabei bekommen 122 Menschen monatlich 1.200 Euro ausgezahlt. Das Projekt läuft noch bis Ende des Jahres 2024.
Bildnachweis: Dragana Gordic / Shutterstock.com