Selbstkontrolle ist in vielen Situationen nützlich: Sie hilft dir, deine Ziele zu erreichen, und schützt dich vor ungewollten Gefühlsausbrüchen. Manchen Menschen fällt es allerdings leichter als anderen, sich zu beherrschen. Was macht Selbstkontrolle aus? Wodurch wird sie beeinflusst? Und: Kann man mehr Selbstkontrolle lernen? Hier erfährst du mehr.
Selbstkontrolle: Was ist damit gemeint?
Selbstkontrolle – was bedeutet das genau? Gemeint ist die Fähigkeit, die eigenen Handlungen und Reaktionen zu kontrollieren. Wer sich selbst im Griff hat, kann sein Verhalten bewusster steuern. Dabei handelt er nicht impulsiv, sondern wohlüberlegt. Es geht also darum, zu agieren statt nur zu reagieren, aber auch, sich nicht zu Reaktionen hinreißen zu lassen, die man nachher bereut.
Zum Beispiel könnte Selbstkontrolle so aussehen, dass ein Arbeitnehmer an der Arbeit gerade total gefrustet ist, weil ein Gerät nicht so will wie er. Ein Mensch mit geringer Selbstkontrolle würde nun vielleicht fluchen oder wütend werden. Wer sich jedoch besser unter Kontrolle hat, lässt sich seine Emotionen nach außen kaum anmerken. Selbstkontrolle könnte auch bedeuten, dass du dir vornimmst, gleich morgens früh joggen zu gehen und das auch tatsächlich durchziehst, auch wenn du nach dem Aufwachen so gar keine Lust dazu hast. Oder nach dem Abendessen nichts mehr zu essen, weil du es dir vorgenommen hast.
Selbstkontrolle Psychologie: Was beeinflusst die Selbstkontrolle eines Menschen?
Was entscheidet darüber, wie gut sich jemand kontrollieren kann? Selbstkontrolle ist eine Form der Selbstregulation; Selbstregulation und Selbstkontrolle hängen also unmittelbar zusammen. Damit hängt die Selbstkontrolle eines Menschen davon ab, wie gut er sich und seine Gefühle im Allgemeinen beherrschen kann. Das ist eine Frage der Persönlichkeit: Manchen Menschen fällt es leichter als anderen, sich zu zügeln oder anderweitig zu kontrollieren. Bei sozialen Interaktionen etwa lassen sich manche nur schwer aus der Reserve locken; sie bleiben ruhig, auch wenn sie provoziert werden. Bei anderen Menschen ist es mit der Selbstkontrolle schnell vorbei, wenn jemand sie triggert.
Geht es um Gewohnheiten und darum, Dinge so durchzuziehen, wie man sie geplant hat, spielt Disziplin eine entscheidende Rolle. Es kommt aber auch darauf an, wie geübt jemand darin ist, sich in bestimmten Situationen zu kontrollieren. Selbstkontrolle ist ein Stück weit eine Frage des Trainings.
Auch die Werte und Ziele eines Menschen spielen eine Rolle und können seine Fähigkeit zur Selbstkontrolle stärken. Wer weiß, wofür er etwas tut, tut es eher. Sagen wir, du möchtest weniger Fleisch und tierische Produkte essen. Das fällt dir womöglich leichter, wenn du dir bewusst machst, dass du damit etwas fürs Klima tust. Oder für das Wohl der Tiere und deine Gesundheit. Oder du möchtest dich weniger ungesund ernähren. Vielleicht motiviert es dich, dass du abnimmst, wenn du weniger Fast Food isst. Ebenso kann der Gedanke ein Motivator sein, dass Essen auch eine Frage der Selbstliebe ist – wie gut bist du zu deinem Körper?
Was die Selbstkontrolle akut beeinflussen kann
Das Level der Selbstkontrolle ist nicht immer gleich. Zwar schwankt das grundlegende Maß an Selbstkontrolle von Mensch zu Mensch, die akute Selbstkontrolle eines Menschen kann jedoch zusätzlich von äußeren Faktoren beeinflusst werden. Es macht einen Unterschied, ob jemand gerade ausgeglichen und entspannt ist oder voll im Stress ist. Wie sehr jemand unter Druck steht, ob er erschöpft ist oder nicht, kann seine Selbstkontrolle enorm beeinflussen. Wer durch persönliche Umstände ohnehin schon gereizt oder belastet ist, dem wird es schwerer fallen, sich in jeder Hinsicht kontrolliert und diszipliniert zu verhalten.
Auch Alkohol, Drogen oder bestimmte Medikamente können die Selbstkontrolle eines Menschen beeinträchtigen. Betrunkene Menschen geraten zum Beispiel eher in eine Schlägerei oder tun Dinge, die sie später bereuen. Sie sagen auch eher Dinge, die sie ansonsten für sich behalten würden.
Darum ist Selbstkontrolle so wichtig
Dass Selbstkontrolle wichtig ist, liegt auf der Hand. Das gilt zum Beispiel für soziale Interaktionen. Menschen mit einem hohen Maß an Selbstkontrolle tun weniger Dinge, die sie später bereuen. Sie bekommen zum Beispiel keinen Wutanfall auf der Arbeit oder geraten in einen Streit mit einem Kollegen oder dem Chef. Wenn sie jemand provoziert, gelingt es ihnen eher, die Situation zu entschärfen und sich in einer souveränen Art und Weise zu verhalten.
Selbstkontrolle wirkt sich auch entscheidend darauf aus, ob jemand sein Leben (weitgehend) so führt, wie er es sich wünscht. Ein Mensch mit ausgeprägter Selbstkontrolle steht morgens früher auf, wenn er es sich vorgenommen hatte, statt doch liegenzubleiben. Er geht nach der Arbeit eine Runde spazieren, statt direkt auf der Couch zu versacken. Auf Dinge im Beruf oder dem Privatleben, die wichtig sind, kann er sich auch eher konzentrieren, weil er sich weniger leicht ablenken lässt.
Somit kann ein Mensch mit guter Selbstkontrolle seine Ziele eher erreichen und hat weniger Probleme mit anderen. Er kann womöglich ein zufriedeneres Leben nach seinen Vorstellungen führen. Zudem sind Menschen mit ausgeprägter Selbstkontrolle häufig erfolgreicher als Menschen, denen es an Disziplin mangelt.
Selbstkontrolle als Erfolgsfaktor? Der Marshmallow-Test
Als Beleg dafür, wie wichtig Selbstkontrolle ist, wird immer wieder der sogenannte Marshmallow-Test herangezogen. Dabei handelt es sich um eine Versuchsreihe aus den 1960er und 1970er Jahren. Der US-amerikanische Persönlichkeitspsychologe Walter Mischel hat zusammen mit Kollegen untersucht, wie gut sich Kinder kontrollieren und eine Belohnung aufschieben konnten. Die kleinen Versuchsteilnehmer hatten die Wahl: Sie konnten sofort eine Süßigkeit bekommen oder etwas warten und die Süßigkeit ihrer Wahl – Marshmallow oder Brezel – bekommen.
Mischel und seine Kollegen stellten fest: Wer als Kind dank freiwilliger Selbstkontrolle länger warten konnte, war später oft erfolgreicher. Inzwischen gibt es jedoch Kritik an der Studie. Wichtige Faktoren, die den Erfolg von Kindern beeinflussen können – wie das Bildungsniveau der Eltern –, wurde von Mischel nicht berücksichtigt. Eine spätere Replikationsstudie von einem Team des Entwicklungspsychologen Tyler Watts von der New York University konnte die Ergebnisse von Mischel nicht replizieren. Der Zusammenhang zwischen Selbstkontrolle und Erfolg konnte bei dieser Studie nicht mehr eindeutig herausgestellt werden; Impulskontrolle kann also nicht als Faktor für späteren Erfolg gewertet werden.
Auch Mischel waren die Limitationen seiner Versuche bewusst. Er sagte einem Magazin: „Die Vorstellung, man könne die Zukunft eines Menschen sicher vorhersagen, etwa durch die simple Tatsache, wie lange er sich eine Belohnung versagen kann, ist Unfug“. Nichtsdestotrotz: Disziplin und Selbstkontrolle sind ohne Zweifel wichtige Erfolgsfaktoren. Oft spielen sie eine größere Rolle als Talent. Ein Beispiel: Ein Jugendlicher spielt gerne Gitarre und träumt davon, später von der Musik leben zu können. Dabei ist sein Talent zwar die Grundvoraussetzung für den Erfolg, aber wenn er nicht diszipliniert übt und die nötigen Schritte geht, um kommerziell erfolgreich zu sein, wird es mit der Musik-Karriere nichts werden.
Wie kann man mehr Selbstkontrolle lernen?
Egal, ob du dich schon ganz gut im Griff hast oder dir Selbstkontrolle schwerfällt: (Mehr) Selbstkontrolle kann man lernen. Die Willenskraft, die essenziell für Selbstkontrolle ist, lässt sich gezielt ausbauen. Und es gibt noch andere Tricks, die du dir zunutze machen kannst, um deine Selbstkontrolle zu steigern.
Klein anfangen
Wenn es dir darum geht, dir neue Gewohnheiten anzueignen oder schlechte Gewohnheiten abzutrainieren, ist es hilfreich, klein anzufangen. Sagen wir, du möchtest früher aufstehen. Anstatt den Wecker gleich eine halbe Stunde oder gar Stunde früher zu stellen, fängst du mit zehn Minuten an. Das macht es wesentlich wahrscheinlicher, dass du tatsächlich früher aufstehst, statt übermüdet auf die Snooze-Taste zu drücken. Oder du möchtest mehr Sport treiben. Dann könntest du statt wie bisher einmal alle zwei Wochen einmal die Woche joggen gehen (oder den Sport deiner Wahl ausüben). Vielleicht möchtest du dich auch gesünder ernähren. Das muss nicht radikal geschehen, sondern du kannst es dir angewöhnen, wenigstens eine Mahlzeit des Tages „gesund“ zu gestalten.
Motivation steigern mit Belohnungen
Es hilft für die Motivation ungemein, sich hin und wieder zu belohnen. Wenn du dank deiner Selbstkontrolle ein wichtiges Ziel erreicht hast, belohne dich dafür. Wenn du schon vorher weißt, wie die Belohnung aussehen wird, kann das dein Durchhaltevermögen positiv beeinflussen. Überlege dir, welche Belohnung für welche Aktivität angemessen ist. Bei umfangreichen Vorhaben ist es sinnvoll, dich auch zwischendurch für deine Fortschritte zu belohnen.
Ziele setzen
Selbstkontrolle wird dir leichter fallen, wenn du weißt, warum sie wichtig ist. Was hast du davon, wenn du diszipliniert bist? Je klarer du dein Ziel vor Augen hast, desto eher ergibt sich die Selbstkontrolle von selbst.
Genug schlafen
Auch das ist wichtig: ausreichend Schlaf. Viele Menschen nehmen es mit dem Schlaf nicht so genau. Manche brüsten sich sogar damit, mit wie wenig Schlaf sie auskommen. Dass weniger Schlaf dich erfolgreicher machen würde, ist aber ein Trugschluss. Im Gegenteil: Unausgeschlafen kannst du dich schlechter konzentrieren, bist leichter gereizt und isst mehr. Und deine Willenskraft ist geschwächt, wenn du nicht den Schlaf bekommen hast, den dein Körper braucht. Schlaf ist also etwas, das du priorisieren solltest.
Nachsichtig mit sich sein
Sei nicht zu hart mit dir, wenn etwas nicht so klappt, wie du es dir vorgestellt hattest. Rückschritte gehören auf dem Weg zum Erfolg einfach dazu. Gib nicht auf, wenn die Umstände mal widrig sind, sondern mache einfach weiter. Beim nächsten Mal klappt es dann vielleicht schon besser, und langsam, aber stetig näherst du dich deinem Ziel.
Vorsätze nicht infrage stellen
Dinge, die du dir vorgenommen hast, sollten nicht verhandelbar sein. Mit dieser Einstellung wirst du wesentlich mehr schaffen und damit deine Selbstkontrolle stärken. Je mehr du hingegen die Erfahrung machst, dass du es doch machen kannst, wie du willst, desto weniger wirst du Dinge tun, auf die du keine Lust hast.
Vorhaben als Termine einplanen
Um bestimmte Dinge wirklich zu machen, kannst du sie dir auch in deinen Terminkalender eintragen. Selbst wenn es zehn Minuten Meditation in der Mittagspause sind – Vorhaben als Termine zu behandeln macht sie verbindlicher, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass du sie tatsächlich machst.
Kann Selbstkontrolle auch ein Nachteil sein?
Selbstkontrolle ist eine durchweg wünschenswerte Eigenschaft. Oder etwa nicht? Es kommt darauf an. Viele Menschen mit einem hohen Maß an Selbstkontrolle sind sehr diszipliniert, aber oft auch sehr hart zu sich. Sie haben nicht selten übertrieben hohe Erwartungen an sich, die sie womöglich kaum erfüllen können. Das kann für Frust und schlechte Laune sorgen. Es kann auch dazu führen, dass das Ganze ins Gegenteil umschlägt. Stellen wir uns zum Beispiel vor, jemand nimmt sich vor, jeden Tag eine halbe Stunde Yoga zu machen. Das klappt nicht, so dass die Person das Vorhaben ganz an den Nagel hängt, statt wenigstens an ein paar Tagen in der Woche Yoga zu machen.
Ein zu hohes Maß an Selbstkontrolle kann Druck und Stress auslösen. Auf Dauer kann das das Wohlbefinden eines Menschen so beeinträchtigen, dass psychische Probleme wie Burnout oder Depressionen auftreten können. Auch körperlich kann sich der Druck bemerkbar machen. Umso wichtiger ist es, dass du auch mal Fünfe gerade sein lässt – niemand kann immer perfekt funktionieren.
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