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Präsentismus: Krank zur Arbeit – warum das keine gute Idee ist

Ein Mann putzt sich die Nase am Arbeitsplatz, was ist Präsentismus?

Gehörst du zu den Menschen, die sich krank zur Arbeit schleppen? Während sich manche Beschäftigte beim kleinsten Anlass krankmelden, muss bei anderen schon viel passieren, damit sie zuhause bleiben. Dann kann Präsentismus dahinterstecken. Was das ist, warum es weder für Arbeitnehmer noch für Arbeitgeber etwas Gutes ist und wie man es bekämpfen kann – hier erfährst du mehr darüber.

Präsentismus: Definition des Begriffs

Präsentismus – den Begriff hast du womöglich noch nie gehört. Das Phänomen, auf das er sich bezieht, kennst du aber ganz sicher. Gemeint ist die Tendenz vieler Arbeitnehmer, trotz Krankheit zur Arbeit zu gehen. Jemand ist eigentlich angeschlagen, hat zum Beispiel eine Erkältung, Migräne oder Rückenschmerzen, und könnte oder sollte zuhause bleiben. Er holt sich aber keine Krankschreibung vom Arzt oder geht überhaupt zum Arzt, sondern arbeitet wie gewohnt weiter.

Der Begriff Präsentismus hängt eng mit dem des Absentismus zusammen. Die Absentismus-Definition bezieht sich auf Personen, die ihren beruflichen Verpflichtungen nicht nachkommen, weil sie nicht arbeiten. Oft geht es dabei um Fehlzeiten von Arbeitnehmern, die sich ergeben, weil die Betroffenen tatsächlich arbeitsunfähig sind oder aber sich unter fadenscheinigen Gründen krankmelden.

Es war der US-amerikanische Arbeitswissenschaftler Auren Uris, der die Begriffe Präsentismus und Absentismus maßgeblich geprägt hat. Uris war seit den 1950er Jahren der Frage nachgegangen, wie man die Anwesenheitsraten von Beschäftigten steigern kann und Absentismus zu reduzieren.

Viele Arbeitnehmer gehen krank zur Arbeit

Krank = arbeitsunfähig? Viele Arbeitnehmer sehen das nicht so. Sie gehen auch dann zur Arbeit, wenn sie gesundheitlich angeschlagen sind. Eine Krankschreibung vom Arzt ignorieren sie oder lehnen sie von vornherein ab. Hinzu kommt: Viele Betroffene gehen gar nicht zum Arzt. Der Präsentismus ist unter Arbeitnehmern in Deutschland vergleichsweise weit verbreitet.

Eigentlich könnte man meinen, die Corona-Pandemie hätte dazu geführt, dass mehr Menschen bei Krankheit zuhause bleiben. Während der Pandemie hat dennoch laut einer Präsentismus-Studie fast jeder zweite Beschäftigte (48 Prozent) trotz Krankheit gearbeitet. Das ist das Ergebnis einer Befragung von mehr als 6.000 Personen im Auftrag des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Etwa jeder Dritte (32 Prozent) arbeitete bezogen auf ein Jahr sogar eine Woche oder mehr, obwohl er krank war.

Allerdings sind durchaus Auswirkungen der Pandemie zu erkennen. Der Anteil der Beschäftigten, die wirklich nie arbeiten, wenn sie krank sind, ist der DGB-Befragung zufolge nämlich angestiegen – von etwa einem Drittel auf 52 Prozent. Vor allem bei Atemwegserkrankungen dürften viele Arbeitnehmer auch bei mäßigem Krankheitsgefühl zuhause geblieben sein, schon um die Kollegen vor einer Ansteckung zu schützen. Nach der Aufhebung der meisten Schutzmaßnahmen könnte sich dieser Trend allerdings wieder umkehren. Corona ist für viele normal geworden und die Angst vor einer Ansteckung ist bei vielen geringer ausgeprägt als zu Beginn der Pandemie. 

Situation in anderen Ländern

Auch in anderen Ländern lässt sich das Phänomen des Präsentismus beobachten, allerdings mit zum Teil großen kulturell bedingten Unterschieden. Als besonders strebsam und fleißig gelten einige asiatische Länder wie Japan und China. In China zum Beispiel prägt das „996“-Modell den Alltag vieler Beschäftigter. Die Zahlen stehen für den Arbeitsbeginn um 9 Uhr morgens, den Feierabend um 9 Uhr abends und eine Arbeit an sechs Tagen die Woche – macht summa summarum 72 Arbeitsstunden in der Woche. Auch in Japan arbeiten viele Beschäftigte lange Stunden mit vielen unbezahlten Überstunden. Es gibt dort sogar einen Begriff für den Tod durch Überarbeitung: Karoshi. Krankheit dürfte viele Arbeitnehmer nicht von der Arbeit abhalten. 

In anderen Ländern hat die Arbeit hingegen einen deutlich geringeren Stellenwert. Hier sind vor allem die skandinavischen Länder und Dänemark zu nennen. In solchen Ländern spielt eine gute Work-Life-Balance eine wichtigere Rolle als die Aufopferung für den Job ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit. Das kann dazu führen, dass Beschäftigte eher zuhause bleiben, wenn sie gesundheitlich angeschlagen sind.

Welche Gründe es haben kann, wenn jemand krank zur Arbeit geht

Warum gehen viele Menschen zur Arbeit, obwohl sie sich eigentlich ausruhen müssten? Das kann unterschiedliche Ursachen haben. Ein wichtiger Faktor ist die Unternehmenskultur. Was erwartet der Arbeitgeber? Macht er Druck, dass seine Mitarbeiter auch bei Krankheit am Arbeitsplatz erscheinen? Und wie handhaben es die Kollegen? Wenn es unüblich ist, dass sich jemand bei leichter Krankheit krankmeldet, steigt die Hemmschwelle.

Eine Rolle kann auch spielen, wie gut die Arbeitsatmosphäre ist. Wenn sich Beschäftigte im Job sehr wohlfühlen, melden sie sich seltener krank. Ist die Situation im Job hingegen suboptimal, kann das dazu führen, dass man eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom Arzt dankend annimmt, auch wenn man eigentlich arbeiten könnte.

Manche Menschen, die zu Präsentismus neigen, haben das Gefühl, sie könnten sich krankheitsbedingte Fehlzeiten nicht leisten. Einerseits kann dahinter die Angst stecken, sich auf die Abschussliste zu bringen und seinen Job zu gefährden. Das ist vor allem dann der Fall, wenn der Job ohnehin schon unsicher ist. In anderen Fällen machen sich die Betroffenen Sorgen über den Berg an Arbeit, der auf sie wartet. Pausieren sie im Job wegen einer Krankheit, ist der Stress anschließend noch größer. Das möchten viele vermeiden.

Nicht jeder nimmt seine Gesundheit wichtig

Es kann auch sein, dass wichtige Termine anstehen, durch die besonders viel zu tun ist. Manchmal geht es bei Präsentismus auch darum, die Kollegen nicht durch die eigene Abwesenheit zu belasten. Sie müssten dann womöglich zusätzliche Aufgaben übernehmen und hätten schlimmstenfalls richtig viel Stress. 

Manche Arbeitgeber zahlen ihren Beschäftigten Prämien fürs nicht Kranksein. Gerade bei niedrigen Gehältern und Löhnen können solche Prämien sehr attraktiv sein. Die Beschäftigten wollen den Anspruch darauf nicht gefährden und kommen krank zur Arbeit. Wenn jemand zu Präsentismus neigt, kann das auch damit zusammenhängen, dass er auf seine eigene Gesundheit keine Rücksicht nimmt. Ihm macht die Arbeit vielleicht Spaß und er glaubt, dass er seine Erkrankung auch dann locker wegsteckt, wenn er sein hohes Tempo beibehält. Das kann sich allerdings früher oder später rächen: Die Erkrankung kann sich verfestigen, viel Stress kann aber ebenso für Folge-Erkrankungen sorgen.

Krank zur Arbeit: Ist das überhaupt erlaubt?

Wie sieht es rechtlich aus: Darf man sich überhaupt krank an den Arbeitsplatz schleppen? Grundsätzlich ja. Eine Krankschreibung ist kein Arbeitsverbot; es liegt im Ermessen des Beschäftigten, ob er trotzdem zur Arbeit geht oder nicht. Wer fit genug ist, kann also auch arbeiten gehen. Dafür braucht es auch keine „Gesundschreibung“ vom Arzt. Auch der Versicherungsschutz ist wie gehabt gegeben.

Allerdings hat auch der Arbeitgeber ein Wörtchen mitzureden. Er hat das Recht dazu, einen kranken Arbeitnehmer nach Hause zu schicken, wenn dieser offensichtlich Ruhe braucht. Ein Arbeitgeber könnte zum Beispiel andere Mitarbeiter vor einer Ansteckung mit infektiösen Krankheiten schützen wollen. Oder er möchte einfach, dass ein kranker Mitarbeiter sich in Ruhe auskuriert, damit er seine Erkrankung nicht verschleppt. Es kann auch eine Sicherheitsfrage sein, einen kranken Mitarbeiter nach Hause zu schicken: Kranke Menschen machen eher Fehler, was sie selbst und andere gefährden kann.

Mögliche Folgen von Präsentismus

Präsentismus ist weder für Arbeitnehmer noch für Arbeitgeber erstrebenswert. Für die Betroffenen selbst ist es womöglich keine ganz freiwillige Entscheidung, krank zur Arbeit zu gehen. Sie fühlen sich direkt oder indirekt dazu verpflichtet, zum Beispiel, weil sich auch die Kollegen selten krankmelden. Oder sie haben so viel Stress, dass sie Angst haben, dass ihnen nach einer krankheitsbedingten Pause im Job das Wasser bis zum Hals steht. Unter diesen Voraussetzungen ist es oft purer Stress, krank zur Arbeit zu gehen.

Kranke Arbeitnehmer sind auch für Arbeitgeber keine gute Sache, auch wenn man das auf den ersten Blick meinen könnte. Ein erkrankter Mitarbeiter hat womöglich Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren, er arbeitet tendenziell langsamer und ist weniger produktiv. Er macht auch eher Fehler. In Bereichen, in denen der Arbeitsalltag durch Risiken – etwa beim Bedienen von Maschinen und Geräten – geprägt ist, kann das zu einer Gefährdung für die betroffenen Mitarbeiter und ihre Kollegen führen.

Apropos Kollegen: Zumindest bei Infektionskrankheiten werden sich die Kollegen wahrscheinlich nicht freuen, wenn jemand krank zu Arbeit kommt – womöglich steckt er sie an. Und aus Arbeitgebersicht wäre es ärgerlich, wenn ein kranker Mitarbeiter mit seinem Präsentismus dafür sorgt, dass einige Tage später das halbe Team flachliegt.

Wer krank zur Arbeit geht, kann seine Erkrankung verschleppen, weil er nicht die nötige Erholung findet. Dadurch kann sich die Krankheit in die Länge ziehen. Es kann dann passieren, dass die betroffene Person am Ende wesentlich länger ausfällt, als es anfangs eigentlich nötig gewesen wäre. Hängt der Präsentismus mit hohem Druck im Job zusammen, kann auch das Folgen haben: Irgendwann droht den Betroffenen womöglich ein Burnout. Auch das Risiko für Depressionen kann erhöht sein. Kommt es dazu, fallen die Betroffenen oft monate- oder gar jahrelang dauerhaft aus oder fehlen über einen langen Zeitraum immer wieder im Job.

Was kann man gegen Präsentismus tun?

Präsentismus ist weit verbreitet – mit schädlichen Folgen für betroffene Arbeitnehmer und oft auch für ihre Arbeitgeber. Was kann man tun, um Präsentismus und den Drang dazu zu bekämpfen? Gefragt sind sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber. Arbeitgeber sollten ihren Mitarbeitern signalisieren, dass es nicht nur vollkommen akzeptabel, sondern auch erwünscht ist, dass sie sich bei Krankheit zuhause auskurieren. Ebenso sollte der Druck auf die Beschäftigten nicht zu groß sein, damit sie sich nicht indirekt zur Arbeit trotz Krankheit verpflichtet fühlen. Wichtig ist auch, dass das Arbeitspensum angemessen ist.

Als Arbeitnehmer solltest du dich fragen, woher dein Drang zu Präsentismus kommt. Wem möchtest du etwas beweisen? Deinem Arbeitgeber? Deinen Kollegen? Dir selbst? Oder liegt es daran, dass du dir Sorgen machst und der Gedanke, krankheitsbedingt zu fehlen, dein Stresslevel erhöht? Mache dir bewusst, dass du guten Gewissens zuhause bleiben kannst, wenn du zu krank zum Arbeiten bist. Natürlich kannst du arbeiten, wenn ein Arzt dich aus deiner Sicht länger als nötig krankgeschrieben hat. Ebenso solltest du aber auf dich Acht geben, wenn es dir nicht gut geht. Schone dich, um schnell wieder einsatzbereit zu sein. Du hast schließlich selbst nichts davon, wenn du dich krank zur Arbeit schleppst und sich deine Erkrankung dadurch unnötig in die Länge zieht.

Manche Menschen, die zu Präsentismus neigen, nehmen wenig Rücksicht auf ihre Gesundheit. Das sind oft jüngere Menschen, die ansonsten fit sind. Sie glauben, dass ihr Verhalten keine langfristigen negativen Konsequenzen haben wird, oder machen sich darüber gar keine Gedanken. Das kann sich rächen: Gerade Arbeitstiere, bei denen es ständig hektisch und stressig zugeht, können sich mit ihrem Verhalten schaden. So kann zum Beispiel das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfälle oder Krebserkrankungen erhöht sein. Umso wichtiger ist es, sich bei einer Erkrankung um sich selbst zu kümmern.

Bildnachweis: Andrey_Popov / Shutterstock.com

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