Bewerbung & KarriereAnonyme Bewerbung: Chancengleichheit im Bewerbungsprozess

Anonyme Bewerbung: Chancengleichheit im Bewerbungsprozess

In Deutschland sind anonyme Bewerbungen noch die Ausnahme. Dabei bieten sie viele Chancen – für Bewerber, aber auch für Unternehmen. Was beide Seiten davon haben, wenn bei Personalentscheidungen mehr Chancengleichheit herrscht und welche Risiken die anonyme Bewerbung haben kann, erfährst du hier.

Anonyme Bewerbung: Was bedeutet das?

Anonymisierte Bewerbungen gibt es hierzulande bislang nur vereinzelt. Doch was bedeutet eine anonyme Bewerbung überhaupt? Dahinter steckt eine Bewerbung, in der persönliche Daten bewusst nur in minimalem Umfang enthalten sind. In einer solchen Bewerbung fehlen weitgehend Informationen, die Rückschlüsse auf das Geschlecht, die Herkunft, das Alter und andere persönliche Merkmale von Bewerbern zulassen.

Eine anonyme Bewerbung enthält zum Beispiel kein Bewerbungsfoto und der Lebenslauf weder Geburtsdatum noch Geburtsort. Manchmal wird sogar der Name entfernt.

Synonym zur anonymen Bewerbung kann auch von einer Blindbewerbung die Rede sein. Es gibt allerdings Unterschiede zwischen beiden Varianten, wobei es sich bei einer Blindbewerbung ebenfalls um eine anonymisierte Bewerbung handelt. Bei einer Blindbewerbung werden sämtliche Informationen entfernt, die auf persönliche Merkmale hindeuten könnten. Das gilt zum Beispiel für den Namen von Bewerbern oder ihre Adresse. Die Blindbewerbung geht also noch einen Schritt weiter als andere anonyme Bewerbungen.  

Vorteile von anonymen Bewerbungen für Arbeitgeber und Bewerber

Anonyme Bewerbungen sollen Diskriminierung bei der Bewerberauswahl verhindern. Personalverantwortliche sind bei einer anonymisierten Bewerbung gezwungen, ihr Augenmerk auf die Qualifikationen der Bewerberin oder des Bewerbers zu richten. Wer in die engere Auswahl kommt, entscheidet sich damit eher frei von Vorurteilen und Stereotypen nur anhand des beruflichen Profils.

Wären mehr Bewerbungen anonym, könnte das für mehr Chancengleichheit bei Bewerbungen sorgen. Gewählt würde der beste Kandidat oder die beste Kandidatin, nicht derjenige mit den „richtigen“ persönlichen Merkmalen. Der Verzicht auf ein Bewerbungsfoto würde zudem bedeuten, dass kein flüchtiger erster Eindruck darüber entscheidet, wer in die nächste Runde kommt. Jeder Bewerber, der auf dem Papier überzeugen kann, hat dieselben Chancen.

Wie anonyme Bewerbungen die Mitarbeiterzufriedenheit beeinflussen können

Die dadurch mögliche Personalentscheidung nach objektiven Kriterien kommt beiden Seiten zugute – Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Arbeitgeber finden auf diese Weise eher einen neuen Mitarbeiter, der fachlich wirklich qualifiziert ist. Wenn ein Arbeitgeber anonyme Bewerbungen verlangt, kann das zudem bei Bewerbern gut ankommen. Es kann den Ruf eines Unternehmens bei Fachkräften verbessern, weil es von Fairness, Chancengleichheit und Offenheit zeugt.

Auf anonyme Bewerbungen zu setzen, ist auch förderlich für die Unternehmenskultur. Es steht für Werte wie Vielfalt, Inklusion und Toleranz. Wenn das auch im Arbeitsalltag gelebt wird, trägt es zu einem guten Klima und einer hohen Mitarbeiterzufriedenheit bei.

Für Bewerber liegt in einer anonymen Bewerbung ebenfalls eine Chance. Sie können mit ihren Qualifikationen überzeugen, statt Angst haben zu müssen, wegen Vorurteilen abgelehnt zu werden. Besonders nützlich sind anonymisierte Bewerbungen für Kandidaten mit Migrationshintergrund und ausländisch klingendem Namen, aber auch für weibliche oder etwas ältere Bewerber. Wissenschaftliche Studien haben zum Beispiel immer wieder gezeigt, dass Bewerber mit ausländischem Namen schlechtere Chancen haben.

Anonym bewerben: Wie es geht und was wichtig ist

Du möchtest dich anonym bewerben, bist aber nicht sicher, was das praktisch bedeutet? In diesem Fall solltest du dir überlegen, wie anonym deine Bewerbung sein soll. Du könntest zum Beispiel „nur“ darauf verzichten, ein Bewerbungsfoto mitzuschicken. Oder zusätzlich kein Geburtsdatum und keinen Geburtsort angeben. Möglicherweise möchtest du aber auch eine Blindbewerbung verschicken, die auch keinen Namen enthält.

Wer darüber nachdenkt, seine Bewerbung zu anonymisieren, dem geht es oft nicht nur um das Wie. Die andere wichtige Frage: Ist es überhaupt in Ordnung für Arbeitgeber, wenn man eine anonyme Bewerbung verschickt? Das weißt du womöglich vorher nicht. Vielleicht geht es aber auch aus den Bewerbungsrichtlinien des jeweiligen Unternehmens hervor, ansonsten könntest du nachfragen. Dabei kannst du dir nicht nur das Okay des Arbeitgebers holen. Du kannst auch besser einschätzen, wie gern eine solche Bewerbung gesehen ist.

Wenn eine anonyme Bewerbung nicht ausdrücklich erwünscht ist, kann es sinnvoll sein, sich zu erklären. Du könntest im Bewerbungsschreiben einer anonymen Bewerbung zum Beispiel in aller Kürze darlegen, dass du für eine objektive Entscheidung auf persönliche Informationen verzichtest.

Ganz anonym geht es meist nicht

Bei einer anonymen Bewerbung kannst du weitgehend selbst entscheiden, welche Informationen du angibst und was du weglässt. Völlig anonym ist es aber meist nicht möglich. Das betrifft zum Beispiel Bewerber mit Migrationshintergrund, die nicht in Deutschland zur Schule gegangen sind oder in anderen Ländern gearbeitet haben. Das wäre im Lebenslauf ersichtlich. Anhand der Länge des beruflichen Wegs sind auch Rückschlüsse auf das Alter eines Bewerbers möglich.

Wenn die Bewerbung anonymisiert ist, besteht die nächste Herausforderung darin, die Bewerbung anonym zu verschicken. Du kannst zum Beispiel eine E-Mail-Adresse nutzen, die möglichst neutral ist. Wenn dein Name in der Bewerbung enthalten ist, eignet sich eine E-Mail-Adresse am besten, die nur deinen Namen enthält. Bei Bewerbungsformularen über die Webseiten von Unternehmen ist es manchmal nicht möglich, auf bestimmte Angaben zu verzichten.

Welche Nachteile eine anonyme Bewerbung haben kann

Eine anonyme Bewerbung bietet nicht nur für Bewerber Chancen, sondern auch für Arbeitgeber. Dennoch ist sie hierzulande die Ausnahme. Die wenigsten Arbeitgeber verlangen anonymisierte Bewerbungen. Wer in seiner Bewerbung trotzdem auf persönliche Angaben verzichtet, geht ein Risiko ein.

Personaler können es als unkonventionell oder sogar „komisch“ empfinden, wenn ein Bewerber anonym bleiben möchte. Manchmal ist es schon ein K.-O.-Kriterium, wenn Kandidaten auf ein Bewerbungsfoto verzichten. Nicht selten haben Bewerber grundsätzlich schlechtere Chancen, wenn sie kein Bild mitschicken.

Wer dann noch auf das Geburtsdatum oder sogar den Namen verzichtet, geht ein noch größeres Risiko ein. Lehnt der Personalverantwortliche das ab, ist eine Absage oft die Reaktion – und das womöglich ungeachtet der Qualifikationen des Bewerbers.

Was für Arbeitgeber gegen anonymisierte Bewerbungen sprechen kann

Auch für Unternehmen können anonyme Bewerbungen Nachteile mit sich bringen. Personaler schätzen Bewerbungsfotos nicht ohne Grund: Sie bekommen anhand des Fotos einen ersten Eindruck – das Bild sagt oft mehr als Lebenslauf und Anschreiben zusammen. Ein Bewerbungsfoto kann außerdem für ein bestimmtes Bauchgefühl sorgen, das den Ausschlag in die eine oder andere Richtung gibt.

Unternehmen, die ein bestimmtes Bewerberprofil bevorzugen, erkennen bei anonymen Bewerbungen schwerer, wer in das Raster fällt. Das kann dazu führen, dass die Verantwortlichen erst später bemerken, dass jemand doch nicht so gut zu ihren Vorstellungen passt.

Anonym bewerben: Tipps für eine erfolgreiche Bewerbung

Wer sich anonym bewerben möchte, sollte einige Dinge beachten. Auf bestimmte Angaben zu verzichten, kann ein Nachteil sein – zumindest, wenn der Arbeitgeber die anonymisierte Bewerbung nicht explizit gewünscht hat. Das kannst du mit einer überzeugenden Bewerbung ausgleichen.

Wie sonst auch gilt also:

  • Schreibe einen übersichtlichen, informativen Lebenslauf, der auf die jeweilige Position zugeschnitten ist.
  • Gib dir Mühe mit einem personalisierten, authentisch klingenden Anschreiben, das dem Arbeitgeber mehr über deine Persönlichkeit und Motivation verrät.
  • Hänge relevante Anhänge an – zwei bis drei aktuelle Arbeitszeugnisse und gegebenenfalls weitere Nachweise.

Welche Bewerberinnen und Bewerber Personaler bevorzugen, hängt von vielen Faktoren ab. Eine wichtige Rolle spielt der Gesamteindruck der Bewerbung. Wenn die Bewerbungsunterlagen professionell aussehen und übersichtlich formatiert sind, ist das eine wichtige Grundlage. Aus dem Lebenslauf muss hervorgehen, dass der jeweilige Kandidat über die geforderten Kompetenzen für die Stelle verfügt. Das Bewerbungsschreiben ist eine Möglichkeit für Bewerber, das Interesse der Personalverantwortlichen zu wecken. Es sollte in erster Linie spannend geschrieben sein und einen Mehrwert bieten.

Nicht selten werden Bewerber eingestellt, die dem Arbeitgeber von einer Person empfohlen wurden, der er vertraut. Es lohnt sich daher bei der Jobsuche, das eigene Netzwerk zu aktivieren. Dazu musst du deine Kontakte pflegen, zum Beispiel digital über ein Portal wie Xing, aber auch durch persönliche Kontakte. Durch ein gutes Netzwerk kannst du auch schneller von spannenden Jobangeboten erfahren – manchmal, bevor sie überhaupt ausgeschrieben sind. Auch Initiativbewerbungen können durch gute Beziehungen vielversprechender sein.

Gesetzliche Rahmenbedingungen: Dürfen Arbeitgeber anonyme Bewerbungen ablehnen?

Grundsätzlich steht es Bewerbern frei, ihre Bewerbung so zu gestalten, wie sie möchten. Auch eine anonyme Bewerbung ist damit legitim. Arbeitgeber haben jedoch das Recht, Jobsuchenden Vorgaben dazu zu machen, wie ihre Bewerbung auszusehen hat und welche Informationen darin gefragt sind.

Gesetzlich ist die anonyme Bewerbung nicht klar geregelt. Grundsätzlich gilt aber: Diskriminierung ist verboten, auch bei Stellenbesetzungen. Entsprechende Regelungen finden sich insbesondere im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Auf EU-Ebene gibt es zudem Antidiskriminierungsrichtlinien

Solange sie sich im Rahmen der Gesetze bewegen, dürfen Arbeitgeber anonyme Bewerbungen ablehnen. Wenn es dafür eine sachliche Begründung gibt, ist das zulässig. Sie dürfen jedoch zum Beispiel kein Bewerbungsfoto verlangen. Das schicken zwar die meisten Bewerber in Deutschland standardmäßig mit. Es explizit zu erbitten, könnte aber Vorwürfe der Diskriminierung bei der Bewerberauswahl hervorrufen. Für Unternehmen wäre das heikel: Sie könnten sich damitjuristisch angreifbar machen. Arbeitgeber dürfen auch keine Angaben zu dem Alter, dem Geschlecht, der Religion oder der ethnischen Herkunft eines Bewerbers verlangen, soweit es dafür keine objektiv nachvollziehbare Begründung gibt.

Datenschutzrechtliche Aspekte schränken den Spielraum von Arbeitgebern bei Bewerbern zusätzlich ein. Grundsätzlich müssen Verantwortliche dafür sorgen, dass nur Daten erhoben werden, die für personelle Entscheidungen wirklich notwendig sind. Es sollten also keine sensiblen personenbezogenen Daten verarbeitet oder verlangt werden, die objektiv nicht relevant für die Stellenbesetzung sind.

Die anonyme Bewerbung als Bewerbung der Zukunft?

Derzeit sind anonyme Bewerbungen in Deutschland die Ausnahme. Die wenigsten Unternehmen verlangen sie und die wenigsten Bewerber verschicken sie auf eigene Initiative. Das ist in anderen Ländern anders: In Frankreich sind anonyme Bewerbungen beispielsweise seit 2006 in größeren Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern verpflichtend (auch wenn das längst nicht immer umgesetzt wird). In den Niederlanden sind anonyme Auswahlverfahren in bestimmen Bereichen verbreitet, um Diversität zu fördern. Und in Schweden sind anonymisierte Bewerbungen besonders in der öffentlichen Verwaltung gängig.

Wenn Arbeitgeber nicht auf anonyme Bewerbungen setzen, kann das verschiedene Gründe haben. Viele Verantwortliche haben daran schlicht kein Interesse – sie legen Wert auf die personenbezogenen Daten, die ansonsten fehlen würden. Andere scheuen den organisatorischen Aufwand.

Dennoch könnten anonyme Bewerbungen künftig auch hierzulande gängiger werden. Werte wie Toleranz, Offenheit und Diversität spielen auf gesellschaftlicher Ebene eine immer wichtigere Rolle. Dazu passen Bewerbungsverfahren, bei denen objektive Kriterien entscheidend sind. Für Arbeitgeber könnten anonyme Bewerbungen ein Alleinstellungsmerkmal sein, das sie für Fachkräfte attraktiver macht. Sie können damit deutlich machen, dass ihnen Chancengleichheit wichtig ist.

Wenn künftig noch häufiger technologische Hilfsmittel zur Personalauswahl genutzt werden, passt das zu anonymen Bewerbungen. Mit automatisierten Tools spielen persönliche Merkmale ohnehin eine weniger entscheidende Rolle: Objektive Kriterien haben eine höhere Relevanz als zum Beispiel das Aussehen oder Geschlecht.

Bildnachweis: MYDAYcontent / Shutterstock.com

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