Eine tolerante Gesellschaft – das klingt wohl für die meisten Menschen nach einer wünschenswerten Sache. Aber was genau heißt es eigentlich, tolerant zu sein? Wie wichtig ist Toleranz im Zusammenleben mit anderen und im Beruf? Und warum fällt es vielen Menschen so schwer, andere so hinzunehmen, wie sie sind? Hier erfährst du mehr zum Thema Toleranz.
Toleranz: Definition
Das Wort Toleranz hat einen lateinischen Ursprung. Es geht auf das Verb „tolerare“ zurück, was sich mit ertragen oder dulden übersetzen lässt. Genau das ist auch heute der Wortsinn von Toleranz: Man nimmt eine Situation oder eine andere Person hin, wie sie ist. Man muss die Realität nicht mögen, stemmt sich aber auch nicht dagegen. Dabei ist Toleranz immer dann gefragt, wenn es um Einstellungen, Verhaltensweisen, Gewohnheiten oder Arten der Lebensführung geht, die mit den eigenen nicht übereinstimmt. Toleranz braucht man damit zum Beispiel für Menschen mit anderen politischen Ansichten, anderen Sitten oder Wertvorstellungen.
Im allgemeinen Sprachgebrauch ist die Bedeutung von Toleranz noch etwas breiter als die Duldung, die sie per Definition umfasst. Gemeint ist meist implizit, dass man andere nicht nur erträgt, sondern akzeptiert, wie sie sind. Sogar Respekt und Wertschätzung für Menschen mit abweichenden Meinungen und Gewohnheiten können in der Bedeutung inbegriffen sein. Man bringt dann etwa Menschen mit einem anderen kulturellen Hintergrund denselben Respekt entgegen wie Menschen, deren Hintergrund dem eigenen stärker ähnelt.
Wenn jemand tolerant ist, kann sich das in vielerlei Hinsicht bemerkbar machen. Es könnte bedeuten, dass ein Arbeitgeber eine qualifizierte Bewerberin mit Kopftuch ebenso zum Bewerbungsgespräch einlädt wie Kandidaten, die nicht verschleiert sind. Oder dass jemand auf einen neuen Kontakt offen zugeht, obwohl dessen Äußeres ihm nicht zusagt. Vielleicht hat die Person einen Irokesenschnitt und Piercings. Das hält die andere Person aber nicht davon ab, denjenigen unvoreingenommen kennenlernen zu wollen. Ein anderes Beispiel für Toleranz: An der Arbeit nimmt ein Mitarbeiter hin, dass ein Kollege anderer Meinung ist. Er versucht nicht, ihn zu überzeugen und redet dessen Vorstellungen auch nicht schlecht.
Akzeptanz und Toleranz: Ein und dasselbe?
Im Sprachgebrauch werden die Begriffe Akzeptanz und Toleranz häufig synonym verwendet, und aus Sicht vieler Menschen dürfte es auch kaum Unterschiede zwischen den beiden geben. Schaut man sich die Definitionen an, wird aber klar, dass Akzeptanz und Toleranz nicht exakt dasselbe meinen.
Toleranz geht mit einer Duldung einher. Das ist für sich genommen nicht unbedingt etwas Positives – man nimmt zum Beispiel eine andere Person einfach nur hin, wie sie ist. Das kann für die Betroffenen mit negativen Gefühlen verbunden sein. Es wäre zum Beispiel tolerant, wenn ein Arbeitnehmer seinen Kollegen neutral behandelt, obwohl er dessen Ansichten ablehnt. Er kann ihm insgeheim negativ gegenüberstehen, erträgt die Situation aber klaglos.
Akzeptanz geht demgegenüber einen Schritt weiter. Jemanden zu akzeptieren heißt, ihn anzunehmen oder sogar gutzuheißen. Das bedeutet das lateinische Verb „accipere“, in dem der Begriff der Akzeptanz seinen Ursprung hat. Damit hat Akzeptanz eine positivere Bedeutung als Toleranz; sie geht mit mehr Offenheit einher und umfasst oft eine bewusste Wertschätzung für andere Menschen.
Die häufig synonyme Verwendung von Akzeptanz und Toleranz hängt damit zusammen, dass viele Menschen unter Toleranz etwas Positiveres verstehen, als per Definition eigentlich damit gemeint ist. Ist davon die Rede, dass jemand tolerant ist, stellen sich viele automatisch einen offenen Menschen vor, der niemanden vorverurteilt, sondern respektvoll auf alle Menschen zugeht. Dabei könnte genau genommen auch eine verbohrte, verschlossene Person einer anderen gegenüber Toleranz zeigen.
Diese Bedeutung hat Toleranz für die Gesellschaft
Immer dort, wo Menschen miteinander in Kontakt kommen, spielt Toleranz eine wichtige Rolle. Kein Mensch ist so wie ein anderer – selbst zwischen Menschen, die sich sehr ähnlich sind, wird es immer Unterschiede geben. Mit anderen Menschen ist die Kluft größer; man hat womöglich – zumindest auf den ersten Blick – nichts mit ihnen gemein. Begegnen Menschen einander vor diesem Hintergrund mit Intoleranz, erschwert das das Zusammenleben. Es können sich auch eher Konflikte ergeben, die die Betroffenen, aber auch die Gemeinschaft im weiteren Sinn belasten können.
Im Privatleben kann man Menschen, deren Einstellungen, Verhaltensweisen oder Merkmale man ablehnt, im Zweifelsfall einfach meiden. Das geht aber nicht in allen Situationen im öffentlichen Leben – man sitzt vielleicht im Bus neben jemandem, der einem nicht zusagt, hat es auf dem Amt mit einem Sachbearbeiter zu tun, den man unsympathisch findet, oder wird von einer fremden Person angesprochen, mit deren Äußeren man nichts anfangen kann.
Eine Gesellschaft, die überwiegend aus toleranten Personen besteht, birgt weniger Konfliktpotenzial. Die Gefahr einer gesellschaftlichen Spaltung ist geringer, wenn Menschen offen aufeinander zugehen, anstatt Menschen von vornherein abzulehnen. Das ist für den gesellschaftlichen Zusammenhalt wichtig. Außerdem entwickeln Menschen eher Verständnis für andere, wenn es durch ihre tolerante Art eher zu Kontakten mit diesen Personen kommt. Auch das trägt zu einem guten und harmonischen Zusammenleben bei.
Toleranz im Job: Darum ist sie wichtig
Nicht vermeiden lässt sich der Kontakt mit Menschen, die anders sind als man selbst, im Job. Dort hast du nicht die Option, jemanden einfach zu ignorieren – jedenfalls nicht, wenn es sich um engere Kollegen, Vorgesetzte, Kunden oder Geschäftspartner handelt. Egal, ob dir die Art eines anderen nicht passt, es um unterschiedliche Ansichten geht oder du zu jemandem einfach keinen Draht hast – das ändert in einem beruflichen Kontext nichts daran, dass ein professioneller Umgang untereinander gefragt ist.
Wer mit den unterschiedlichsten Menschen klarkommt und ihnen mit Höflichkeit und Respekt begegnet, wirkt dadurch seriös und souverän auf andere. Das kann dein Ansehen bei anderen verbessern und ist damit positiv für Jobchancen und Karriere. Auch beim Netzwerken ist es nützlich, wenn jemand offen und unvoreingenommen an Personen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen herantritt. Oft fällt es Menschen mit einer toleranten Persönlichkeit leichter, Beziehungen zu knüpfen und positiv zu gestalten.
Besser mit anderen zusammenarbeiten
Toleranz erleichtert außerdem die Zusammenarbeit mit anderen. Ein Team arbeitet womöglich besser zusammen, wenn die Beteiligten hinreichend tolerant sind. In so einem Umfeld ist es für Arbeitgeber zudem leichter, Inklusion am Arbeitsplatz voranzutreiben. Das kann für mehr Diversität sorgen, von der Teams und letztlich auch das Unternehmen als Ganzes profitieren: Ein divers aufgestelltes Unternehmen hat oft die besten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Tätigkeit. Eine heterogene Struktur in der Belegschaft in Kombination mit Akzeptanz und Toleranz untereinander kann kreative Ideen zutage befördern, die alle Beteiligten voranbringen.
Im zwischenmenschlichen Kontakt lassen sich Konflikte oft trotz Toleranz und Akzeptanz nicht ganz vermeiden. Es ist aber mit diesen Eigenschaften leichter, sie zu entschärfen und dafür zu sorgen, dass sie nicht eskalieren. Auch so kann mehr Toleranz für ein besseres Miteinander sorgen – im Job ebenso wie im Privatleben.
Intoleranz: Diese Ursachen kann sie haben
Anderen mit Toleranz begegnen – das ist vielen Menschen wichtig. Und trotzdem fällt es selbst Menschen, die ganz bewusst tolerant sein wollen, manchmal schwer, andere so hinzunehmen, wie sie sind. Intoleranz kann dabei ganz unterschiedliche Ursachen haben. Wie tolerant jemand anderen gegenüber ist, hängt von verschiedenen Aspekten ab. Es kommt zum Beispiel darauf an, was für eine Persönlichkeit jemand hat: Manche Menschen sind von Natur aus toleranter als andere und akzeptieren ihre Mitmenschen eher.
Auch Erfahrungen spielen eine Rolle. Eine große Zahl an Kontakten und Begegnungen im Laufe des Lebens kann dazu führen, dass jemand toleranter ist. Wer offen auf andere zugeht, lernt mehr Menschen kennen. Er kann seine Mitmenschen dadurch besser einschätzen und legt womöglich so manches bewusste oder unbewusste Vorurteil ab. Ist jemand hingegen verschlossener und hat weniger Kontakte, gibt es auch weniger Gelegenheiten, sich auf die verschiedensten Persönlichkeiten einzulassen.
Wann Toleranz besonders schwer ist
Die Erziehung und das Verhalten von wichtigen Bezugspersonen im Laufe des Heranwachsens können weitere Gründe dafür sein, wenn jemand intolerant ist oder zumindest nicht immer so tolerant ist, wie er vielleicht gerne wäre. Was andere einem vorgelebt und welche Werte sie einem mit auf den Weg gegeben haben, prägt die eigenen Denk- und Verhaltensweisen.
Toleranz ist dann besonders schwer, wenn es sich um fundamentale Unterschiede bei Aspekten handelt, die einer Person sehr wichtig sind. Angenommen, jemand engagiert sich aus Überzeugung bei der Flüchtlingshilfe und trifft auf jemanden, der jeden Flüchtling sofort abschieben möchte. Die Ansichten dieser Person stehen denen des anderen diametral gegenüber, was gegenseitige Intoleranz und Ablehnung zur Folge haben kann. Wie sich jemand anderes verhält oder was er sagt, kann außerdem als Gefahr für das eigene Selbstverständnis angesehen werden.
Der Freundeskreis und erweiterte soziale Kreis, in dem sich jemand bewegt, spielt ebenfalls eine Rolle dabei, wie tolerant oder intolerant eine Person ist. Menschen, die sich fast ausschließlich mit Gleichgesinnten umgeben, können dadurch intoleranter gegenüber Menschen werden, die ihnen weniger ähnlich sind. In dieser Hinsicht sind auch Social-Media-Bubbles ein Risikofaktor.
Toleranter werden: Tipps für mehr Toleranz in Job und Privatleben
Ein bisschen mehr Toleranz könnte nicht schaden – und dabei denkst du auch an dich selbst? Dann können dir die folgenden Tipps dabei helfen, andere eher zu akzeptieren und zu tolerieren, egal, wie sehr sie sich von dir unterscheiden mögen:
- Ganz bewusst für Toleranz entscheiden: Andere so hinzunehmen wie sie sind ist eine Entscheidung, die du ganz bewusst treffen kannst. Je öfter du dir vornimmst, unvoreingenommen an andere heranzugehen, desto natürlicher wird es sich irgendwann für dich anfühlen.
- Hinterfrage deine Einschätzungen: Was beeinflusst, wie du andere Menschen wahrnimmst und einstufst? Sind vielleicht Stereotype oder Vorurteile im Spiel? Basiert deine Meinung auf einer Fülle an Informationen oder stützt sie sich auf einige wenige Aspekte? Wenn du hinterfragst, warum du jemanden so einschätzt, wie du es tust, fällt Intoleranz eher auf.
- Menschen kennenlernen, bevor du dir ein Urteil fällst: Zwar hat man oft schon beim Kennenlernen ein Gespür dafür, wie man mit einem Menschen klarkommen wird und ob man ihn mag. Trotzdem solltest du offen bleiben – und dir nach Möglichkeit erst dann ein Urteil erlauben, wenn du jemanden besser kennst.
- Neues erleben: Vielfältige Erfahrungen sind nützlich, wenn es darum geht, toleranter zu werden. Verschiedene Menschen und Kulturen kennenzulernen ist diesbezüglich förderlich, also stelle dich solchen Situationen ganz bewusst.
- Mache dir klar, dass andere Meinungen legitim sind: Du solltest deine Ansichten nicht für die einzig wahren halten, selbst wenn du davon sehr überzeugt bist. Gestehe anderen zu, ihre eigenen Vorstellungen zu haben, ohne sie bekehren zu wollen.
- Mache dir klar, dass Vielfalt ein Gewinn ist: Wie langweilig wäre die Welt, wenn alle Menschen gleich wären? Von Menschen, die anders sind als du, kannst du lernen.
Warum zu viel Toleranz auch schaden kann
Keine Frage: Die meisten Menschen könnten ein bisschen mehr Toleranz vertragen, und die Welt wäre sicherlich ein besserer Ort, wenn es mehr tolerante Menschen gäbe. Toleranz kann in manchen Fällen jedoch auch eine Kehrseite haben, und zwar für diejenigen, die durch ihre Toleranz Nachteile haben.
Das betrifft zum Beispiel Menschen, die mit anderen sehr nachsichtig sind und sich für andere aufopfern. Wenn sie sich von anderen ausnutzen lassen und das immer wieder hinnehmen, sorgt das früher oder später für Frust und Unzufriedenheit. Auch andere Nachteile sind denkbar, zum Beispiel finanzieller Art. In solchen Fällen kann es besser sein, nicht ganz so tolerant mit dem Verhalten der betreffenden Person umzugehen, sondern sie stattdessen zur Rede zu stellen.
In anderen Fällen kann es Dritten schaden, wenn man ein bestimmtes Verhalten von anderen Menschen hinnimmt. Sagen wir, du bekommst mit, wie jemand einen anderen im Bus rassistisch beleidigt. Natürlich solltest du dich nicht selbst in Gefahr bringen, aber es ist wichtig, solche Vorfälle als Beistehender nicht unkommentiert zu lassen. Wenn Außenstehende anderen Grenzen aufzeigen, ist das ein öffentliches Zeichen für bestimmte Werte und Ideale. Das sorgt dafür, dass solche Vorfälle tendenziell seltener vorkommen.
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