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Introvertierte Menschen: Stärken, Potenziale & Tipps für den Beruf

Eine Frau arbeitet am Laptop, was sind introvertierte Menschen?

Für introvertierte Menschen liegt in der Ruhe die Kraft: Sie laden ihre Batterien auf, wenn sie Zeit für sich haben. Von vielen Menschen umgeben zu sein kann sie hingegen viel Kraft kosten – im Job wird das nicht selten zum Problem. Noch dazu werden introvertierte Menschen wegen ihrer zurückhaltenden, stilleren Art im Beruf häufig übersehen. Dabei haben sie Qualitäten, die viele extrovertierte Menschen nicht haben. Welche Potenziale Introvertiertheit bietet und wie introvertierte Menschen ihre Stärken im Job voll entfalten können.

Introvertiert: Definition & Bedeutung

Es gibt introvertierte Menschen, und es gibt extrovertierte Menschen. So viel wissen wohl die meisten, aber was das im Detail heißt, ist vielen nicht abschließend klar. Was bedeutet es, introvertiert zu sein? Introversion und Extraversion sind grundlegende Persönlichkeitsmerkmalen, die darüber bestimmen, wie Menschen auf bestimmte soziale Situationen reagieren. Der Begriff introvertiert ist in seiner Bedeutung vom lateinischen Wortbestandteil „intro“ abgeleitet, es bedeutet so viel wie „hinein“.

Ein introvertierter Mensch ist in seinem Naturell eher ruhig und bedacht, manchmal auch ein Stück weit reserviert. Für soziale Situationen hat er nur eine begrenzte Energie: Der Austausch mit anderen zehrt an seinen Energiereserven. Er trifft sich lieber mit einer anderen Person oder in einer kleinen Gruppe als mit vielen anderen Leuten. Partys sind vielen Introvertierten ein Graus: Je weniger Menschen sie dort kennen, desto weniger Lust haben sie, hinzugehen. Sie führen lieber tiefgründige Gespräche statt Smalltalk. Introvertierte Menschen mögen es nicht, im Mittelpunkt zu stehen: Sie nehmen lieber eine Beobachterrolle ein anstatt von anderen beobachtet zu werden.

Introversion ist das Gegenstück von Extraversion. Man spricht auch von Extravertiertheit oder, umgangssprachlich, Extrovertiertheit. Der Begriff extra- oder extrovertiert leitet sich vom Lateinischen „extra“ für „außen“ ab. Das macht schon deutlich, wie ein extrovertierter Mensch tickt: Er ist wesentlich stärker nach außen orientiert als ein introvertierter Mensch. Menschen mit einem hohen Maß an Extraversion sind sehr gesellig; sie lieben es, mit anderen Menschen zusammen zu sein. Extrovertierte Menschen sind offen und lernen gerne neue Menschen kennen – ganz anders als die meisten introvertierten Menschen.

Was bestimmt darüber, ob jemand introvertiert oder extrovertiert ist?

Während es für Introvertierte kräftezehrend ist, viel Zeit mit anderen Menschen zu verbringen, geht es extrovertierten Menschen genau andersherum: Sie ziehen aus sozialen Interaktionen ihre Energie. Während introvertierte Menschen Zeit alleine brauchen und oft bewusst genießen, kann das Alleinsein für extrovertierte Menschen eine Belastung sein. Extrovertierte Menschen sind oft selbstbewusster als Introvertierte und tun sich tendenziell leichter damit, neue Kontakte zu knüpfen.

Was bestimmt darüber, ob jemand ein extrovertierter oder introvertierter Mensch ist? Ob ein Mensch introvertiert oder extrovertiert ist, hängt einerseits von seinen Genen ab: Es gibt eine genetische Prädisposition in die eine oder andere Richtung. Wenn die Eltern introvertiert sind, ist es wahrscheinlich, dass ihr Nachwuchs ebenfalls diese Charaktereigenschaft aufweist. Zugleich spielen auch Umwelteinflüsse und Erfahrungen im Laufe des Lebens eine wichtige Rolle bei der Ausprägung von Introversion oder Extraversion.

Bist du introvertiert? Dieser Test verrät es dir

Introvertierten Menschen werden in der Psychologie bestimmte Merkmale zugeschrieben. Hast du eine introvertierte Persönlichkeit? Der folgende Test verrät dir, ob du eher zu Introversion oder Extraversion neigst.

So geht’s: Lies dir die folgenden Aussagen durch. Je mehr Aussagen du zustimmen kannst und je stärker deine Zustimmung ist, desto mehr deutet darauf hin, dass du introvertiert bist.

Haben es introvertierte Menschen im Job schwerer?

In der westlichen Gesellschaft haben introvertierte Menschen in vielen Fällen einen schlechteren Stand als extrovertierte. Der extrovertierte Mensch gilt vielen als Idealbild: Er ist aufgeschlossen, selbstbewusst und gesellig. Demgegenüber sind viele Introvertierte stiller und zurückhaltender, sie drängen sich weniger in den Mittelpunkt und treten oft bescheidener auf. Die Unterschiede zwischen introvertierten und extrovertierten Menschen können dabei auch beeinflussen, welche beruflichen Chancen sich ergeben.

So haben es Extrovertierte in vielen Fällen leichter, aufzusteigen und berufliche Ziele zu erreichen. Es fängt schon mit der Jobsuche an: Hier sind meist die Kandidaten am erfolgreichsten, die sich am besten vermarkten können. Das bedeutet zum Beispiel, im Anschreiben selbstbewusst die eigenen Stärken in den Vordergrund zu stellen. Das fällt Menschen mit einem höheren Maß an Extraversion leichter, wodurch ihre Bewerbung überzeugender sein kann. Das wiederum ist die Voraussetzung dafür, zum Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden. Dort kommt es ebenso auf einen selbstsicheren, kommunikativen Auftritt an – für viele introvertierte Bewerber ein Problem. Das führt dazu, dass die Chancen für extrovertierte Kandidaten oft besser stehen, eine Zusage zu erhalten.

Im Joballtag selbst haben ebenfalls diejenigen häufig bessere Karten, die die typischen Eigenschaften der Extraversion mitbringen. Sie können sich besser verkaufen und gehen stärker aus sich heraus. Das erleichtert die Kontaktpflege, was wiederum zu einem größeren und stabileren Netzwerk führen kann. Wer von sich selbst überzeugt ist, wirkt meist automatisch überzeugender auf andere. Anders als bei introvertierten Menschen ist das Risiko bei extrovertierten Mitarbeitern gering, dass ihre Kompetenzen und Leistungen übersehen werden, weil sie zu bescheiden auftreten.

Introvertierte Menschen werden eher übersehen

Introvertierte Menschen sind oft ruhige Persönlichkeiten, die man erst auf den zweiten Blick wirklich wahrnimmt. Man muss sie erst besser kennenlernen, um mehr über sie und ihre Stärken zu erfahren. Wenn sie die Zeit haben, sich zu beweisen, kann das die Nachteile ausgleichen, die durch ihre Introversion entstehen können. So viel Zeit ist aber nicht immer, und nach wie vor werden in der Berufswelt extrovertierte Eigenschaften vielfach bevorzugt. Nicht selten werden extrovertierte Beschäftigte für insgesamt fähiger gehalten. Auch die vielfach gefragte Teamfähigkeit scheint bei ihnen eher gegeben zu sein.

Die Konsequenz: Wer introvertiert ist, wird eher übersehen. Dadurch können ihm nicht nur Türen verschlossen bleiben, es kann auch sein, dass er sich selbst im Weg steht. Herausforderungen anzunehmen setzt Selbstbewusstsein voraus. Wer nicht überzeugt von sich ist, stellt sich bestimmten Dingen womöglich gar nicht erst. Auch dadurch kann es passieren, dass es ein introvertierter Mensch beruflich zu weniger bringt als ein extrovertierter.

Auch abseits von Karrierechancen kann Introversion im Job hinderlich sein. So kann zum Beispiel der Joballtag selbst anstrengend für introvertierte Menschen sein. Sie sind an der Arbeit womöglich von zahlreichen Kollegen umgeben, mit denen sie den ganzen Tag in Kontakt stehen. In nicht wenigen Unternehmen reiht sich ein Meeting ans andere. Das kann für introvertierte Beschäftigte sehr erschöpfend sein, besonders für solche, die im Großraumbüro sitzen.

Stärken und Potenziale von introvertierten Menschen

Dass es extrovertierte Menschen vielfach leichter haben, sich im Job zu profilieren, liegt in erster Linie an ihrer Außenwirkung. Es ist nicht so, dass sie von Grund auf kompetenter als ihre introvertierten Kollegen wären. Häufig wird jedoch übersehen, dass Introvertierte viele Eigenschaften mitbringen, die im Beruf sehr nützlich sind, und die so mancher Mensch mit einem höheren Level an Extraversion vermissen lässt.

Introvertierte Menschen haben zum Beispiel oft eine gute Beobachtungsgabe: Sie halten sich lieber im Hintergrund und beobachten von dort aus das Geschehen. Dadurch kann ihnen mehr auffallen als „lauteren“ Menschen, die im Mittelpunkt des Geschehens stehen. In Kombination mit einer oft größeren Aufmerksamkeit und einem ausgeprägten analytischen Denken kann Introversion bei vielen Aufgaben und beruflichen Herausforderungen sehr nützlich sein.

Dasselbe gilt für die Fähigkeit, konzentriert zu arbeiten und Probleme systematisch zu lösen. Introvertierte Menschen können sich oft sehr gut in Aufgaben vertiefen und arbeiten oft fokussierter. Dabei sind sie meist sehr gewissenhaft und genau. Das macht Introvertierte vielfach zu zuverlässigen Mitarbeitern, die Abmachungen einhalten und alles Wichtige jederzeit auf dem Schirm haben. Auch die Ergebnisse ihrer Arbeit sprechen häufig für sich.

Empathisch und rücksichtsvoll: Die Zusammenarbeit mit introvertierten Kollegen ist oft angenehm

Der Umgang mit introvertierten Kollegen ist oft sehr angenehm. Sie sind empathisch und gute Zuhörer, außerdem nehmen sie Rücksicht auf andere – nicht nur, weil sie deren Bedürfnisse respektieren, sondern weil sie diese überhaupt wahrnehmen. Das führt dazu, dass viele introvertierte Beschäftigte sehr gute Teamplayer sind. Konflikte mit ihnen sind unwahrscheinlicher, außerdem finden sie eher kooperative Lösungen.

Introvertierte Menschen arbeiten oft trotzdem lieber allein. Das muss kein Nachteil sein, auch wenn Teamarbeit in vielen Unternehmen hoch im Kurs steht. Dabei wird leicht übersehen, dass die Zusammenarbeit in einer Gruppe sich nicht für alle Aufgaben gut eignet. Manchmal könnten die Beteiligten mehr erreichen, wenn sich jeder einzeln hinsetzen und an einem Problem arbeiten würde. Dadurch entfällt der Trittbrettfahrer-Effekt, außerdem gehen nicht stillere Kollegen unter, weil sie sich weniger dominant in den Vordergrund drängen als extrovertierte Beschäftigte.

Wie nützlich eine introvertierte Art für innovative Ideen und Geschäftsmodelle sein kann, zeigen zahlreiche prominente Persönlichkeiten. Dazu zählt etwa Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, der im College die ganze Nacht programmiert hat, statt wie seine Freunde auf Partys zu gehen. Zu den überaus erfolgreichen introvertierten Persönlichkeiten zählen auch Microsoft-Gründer Bill Gates, Apple-Erfinder Steve Wozniak und Google-Mitbegründer Larry Page. 

Introvertiert im Beruf: Tipps

In mancher Hinsicht haben es introvertierte Menschen im Job schwerer als Menschen, denen es leichter fällt, aus sich herauszugehen. Dabei ist es möglich, die potenziellen Nachteile, die mit einer introvertierten Persönlichkeit einhergehen können, zu kompensieren. Ebenso wichtig ist es, sich auf die eigenen Stärken als Introvertierter zu besinnen und sie gezielt zu nutzen.

Wer introvertiert ist, sollte sich seinen eigenen Wert bewusst machen und seine Stärken erkennen. Das ist die Grundlage für ein selbstbewusstes Auftreten und kann dir den nötigen Push geben, Herausforderungen anzunehmen, an denen du wachsen kannst. Dabei ist es wichtig, sich so zu akzeptieren, wie man ist. Natürlich ist es immer möglich – und oft sinnvoll –, sich weiterzuentwickeln und an Schwachstellen zu arbeiten. Du solltest dich aber nicht in einem übermäßig kritischen Licht sehen.

Selbstbewusst aufzutreten liegt vielen introvertierten Menschen weder im Privatleben noch im Beruf. Daran solltest du arbeiten, wenn es dir auch so geht, frei nach dem Motto: Fake it till you make it. So zu tun als ob kann dir helfen, in bestimmte Rollen hereinzuwachsen. Du wirst dann besser wahrgenommen und kannst dir eher den Respekt anderer verschaffen. In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig, die eigenen Bedürfnisse klar zu kommunizieren und anderen Grenzen zu setzen, wo es erforderlich ist.

Netzwerken für Introvertierte

Beziehungen sind das A und O, wenn es um Karrierechancen geht. Das Netzwerken fällt introvertierten Menschen oft schwer, aber es deshalb gleich zu lassen, ist keine gute Idee. Nimm dir vor, Kontakte zu knüpfen und zu pflegen. Das muss nicht zwingend von Angesicht zu Angesicht geschehen. Du kannst dich auch in Karrierenetzwerken wie Xing oder LinkedIn mit anderen vernetzen oder Beziehungen über E-Mail-Kontakte pflegen. 

Veranstaltungen mit vielen unbekannten Menschen sind vielen Introvertierten ein Graus. Es gibt aber auch andere Möglichkeiten der Kontaktpflege. Du kannst zum Beispiel mit einzelnen Kollegen (oder anderen beruflichen Kontakten) Mittagessen gehen oder zu beruflichen Treffen in einem kleineren Rahmen gehen, wo du dich wohler fühlst.

Für introvertierte Menschen können manche sozialen Situationen belastend sein. Wenn es dir auch so geht, ist es sinnvoll, dir im Vorfeld Strategien dafür zurechtzulegen. Angenommen, du musst einen Anruf tätigen, vor dem du Angst hast. Dann hilft es, genau zu wissen, was du sagen wirst und worauf du hinauswillst. Oder es steht eine Feier an, auf die du zwar keine Lust hast, wo du dich aber sehen lassen musst. Dann überlege dir, mit wem du sprechen könntest und welche Themen sich dabei anbieten. Vorbereitet zu sein gibt Sicherheit.

Bei der Jobsuche mit Bedacht vorgehen

Im Joballtag können die ständigen sozialen Interaktionen introvertierten Menschen viel Energie rauben. Ein guter Grund, bewusst mit den eigenen Energiereserven umzugehen. Du kannst dir etwa Rückzugsmöglichkeiten schaffen, zum Beispiel, indem du öfter mal die Bürotür schließt. Wenn du im Großraumbüro arbeitest, nutze Noise-Cancelling-Kopfhörer, um Abstand zu dem Trubel um dich herum zu gewinnen. Es kann auch sinnvoll sein, regelmäßig im Homeoffice zu arbeiten, wenn du die Möglichkeit dazu hast.

Für introvertierte Menschen eignen sich manche Jobs besser als andere. Natürlich kann man in vieles hereinwachsen, aber manche Tätigkeiten sind auch nach einer Eingewöhnungsphase anstrengend für Introvertierte. Achte deshalb bei der Jobsuche sehr bewusst darauf, wo du dich bewirbst. Dabei kommt es nicht nur auf die konkrete Tätigkeit an, sondern auch auf die Rahmenbedingungen, zum Beispiel die Größe der Firma, das potenzielle Arbeitsumfeld und die Möglichkeit zur Arbeit im Homeoffice. Wer seinen Job gezielt auswählt, hat ein geringeres Risiko, im Arbeitsalltag ständig ausgelaugt zu sein.

Können introvertierte Menschen gute Führungskräfte sein?

Die Wahrscheinlichkeit, dass eine extrovertierte Persönlichkeit im Chefsessel sitzt, ist groß. Dass extrovertierte Menschen so oft in Führungspositionen zu finden sind, hängt mit ihren Merkmalen zusammen. Sie können sich gut verkaufen, sind gut darin, Beziehungen zu knüpfen, und haben oft Charisma und Überzeugungskraft. Dennoch gibt es natürlich auch introvertierte Führungskräfte. Passt das zusammen – kann ein introvertierter Mensch ein guter Chef oder eine gute Chefin sein? Ist er nicht zu wenig entscheidungsfreudig, zu konfliktscheu, zu zurückhaltend?

Tatsächlich bringen introvertierte Menschen viele Eigenschaften mit, die in Führungspositionen wünschenswert sind. Sie mögen weniger dominant auftreten als so manche extrovertierteren Kollegen, sind aber nicht weniger fähig, andere zu führen. Hilfreich ist zum Beispiel ihre Neigung, sehr aufmerksam zu sein. Dadurch nehmen sie mehr wahr und bemerken Probleme tendenziell früher als andere. Mit dem nötigen Feingefühl können sie gegensteuern.

Ebenfalls nützlich ist ihre empathische Art. Das kann für reibungslose, gute Beziehungen zu den Mitarbeitern sorgen. Diese fühlen sich womöglich eher verstanden und wertgeschätzt – ein großer Pluspunkt für die Mitarbeiterzufriedenheit und ein wichtiger Motivationsfaktor. Es kann auch sein, dass eine introvertierte Führungskraft offener auf die Ideen und Vorschläge von Mitarbeitern reagiert. Das kann zu innovativen Lösungen führen. Außerdem trägt auch das zur Zufriedenheit der Beschäftigten bei, die das Gefühl haben, dass ihr Input gewürdigt wird.

Dass Introvertiertheit und Führung sich nicht ausschließen müssen, zeigen nicht zuletzt berühmte Persönlichkeiten, denen man nun wirklich keine mangelnden Führungsqualitäten unterstellen kann. Dazu zählen die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel und der ehemalige US-Präsident Barack Obama ebenso wie der schon erwähnte Bill Gates und der US-amerikanische Großunternehmer Warren Buffett.

Bildnachweis: Oleksandr But / Shutterstock.com

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