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Mikroaggressionen erkennen und verstehen: Subtile Diskriminierung im Alltag

Eine Mitarbeiterin ist wegen Mikroaggressionen frustriert bei der Arbeit

Mikroaggressionen sind alltägliche, oft unbewusste Äußerungen oder Handlungen, die die Betroffenen belasten können. Hier erfährst du, wie Mikroaggressionen aussehen können, warum es dazu kommt und was man dagegen tun kann.

Mikroaggressionen: Definition – Mikroaggressionen einfach erklärt

Was sind Mikroaggressionen? Es handelt sich dabei um subtile Bemerkungen oder Verhaltensweisen, die andere Menschen verletzen können. Sie beziehen sich auf persönliche Merkmale einer Person, zum Beispiel die ethnische Herkunft, das Geschlecht, die sexuelle Orientierung oder eine mögliche Behinderung.

Es handelt sich bei Mikroaggressionen um eine Form der Diskriminierung, auch wenn es häufig unabsichtlich dazu kommt. Im Gegensatz zu offener Diskriminierung sind Mikroaggressionen jedoch niederschwelliger, außerdem sind sich die betreffenden Personen oft nicht darüber bewusst, was sie sagen oder tun.

Geprägt wurde der Begriff durch die Erfahrungen des afroamerikanischen Psychiaters Chester Pierce, der sich durch einen weißen Studenten belehrt und bevormundet fühlte. Mit Mikroaggressionen meinte Pierce alltägliche Äußerungen, die als übergriffig wahrgenommen werden können. Der Psychologe Derald Wing Sue hat zu Mikroaggressionen geforscht und den Begriff weiterentwickelt. Dabei hat er gezeigt, dass das Phänomen reale Folgen haben kann, auch wenn es in der Wissenschaft umstritten ist.

Mikroaggressionen: Beispiele

Mikroaggressionen sind im Alltag oft an vielen Stellen zu beobachten: im öffentlichen Leben, im sozialen Miteinander oder bei der Arbeit. Es handelt sich um vermeintlich harmlose Aussagen und Kommentare oder Verhaltensweisen, die stereotype Annahmen widerspiegeln. So können sich Diskriminierungen in Form von Sexismus oder Mikroaggressionen als Rassismus zum Beispiel äußern:

Verschiedene Formen der Mikroaggression

Es gibt verschiedene Formen von Mikroaggressionen: Sie können von offenen Angriffen über subtile Beleidigungen bis zum Negieren von Erfahrungen und Gefühlen reichen. Insbesondere unterscheidet man Mikroassaults, Mikroinsults und Mikroinvalidations. Hier erfährst du mehr darüber, was die unterschiedlichen Varianten auszeichnet.

Mikroaussaults: Verbale oder nonverbale Übergriffe

Bei Mikroaussaults handelt es sich um Worte oder Taten, durch die jemand aufgrund seiner Identität von anderen herabgesetzt wird. Zu diesen Handlungen kommt es bewusst oder unbewusst. Häufig spielen Vorurteile eine große Rolle dabei.

Beispiele für Mikroaussaults:

Mikroinsults: Subtile Beleidigungen

Wenn jemand eine andere Person subtil abwertet, herabsetzt oder deren Kompetenz infrage stellt, kann es sich um einen Mikroinsult handeln. Manchmal klingt das vordergründig sogar nett und kann auf den ersten Blick wie ein Kompliment wirken. Tatsächlich steckt dahinter aber eine negative Botschaft.

Beispiele für Mikroinsults:

Mikroinvalidations: Absprechen von Gefühlen und Erfahrungen

Eine dritte Form von Mikroaggression sind Mikroinvalidations. Dabei handelt es sich um Aussagen oder Handlungen, durch die die Identität, die Emotionen oder Wahrnehmungen von jemandem negiert oder minimiert werden. Die Betroffenen haben dadurch das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden.

Beispiele für Mikroinvalidations:

Welche Folgen können Mikroaggressionen haben?

Auch wenn sie auf den ersten Blick harmlos erscheinen mögen: Mikroaggressionen am Arbeitsplatz oder in einem privaten Umfeld können ernst zu nehmende Konsequenzen für die Betroffenen haben. Sie können psychisch belastend sein, sich auf Beziehungen und auf einer beruflichen Ebene auswirken.

Psychische Belastung durch Mikroaggressionen

Mikroaggressionen gegenüber Frauen, Migranten oder älteren Menschen sorgen bei den Betroffenen oft für negative Gefühle wie Wut, Frust oder Mutlosigkeit. Auf diese Weise lösen sie Stress aus. Die Belastung, die damit einhergeht, hält schlimmstenfalls über einen langen Zeitraum an, wenn es immer wieder zu Mikroaggressionen kommt. Die Betroffenen können sich erschöpft fühlen und sind womöglich ständig auf der Hut, weil es immer wieder zu subtilen Übergriffen kommen könnte.

In schwerwiegenden Fällen steigt das Risiko für Ängste und psychische Probleme wie Depressionen. Die Betroffenen können sich herabgesetzt fühlen, was ihr Selbstwertgefühl verringern kann. Selbstzweifel können ebenso die Folge von Mikroaggressionen sein wie das Gefühl, den eigenen Erfolg nicht verdient zu haben – Stichwort: Impostor-Syndrom.

Mögliche Folgen auf sozialer Ebene

Wenn es zu Mikroaggressionen kommt, kann sich das auf Beziehungen auswirken. Je nachdem, wie die Mikroaggressionen konkret aussehen, kann es zum Beispiel sein, dass Betroffene sich ausgegrenzt fühlen. In einem beruflichen Kontext kann das besonders belastend sein, weil man die anderen Personen nicht einfach meiden kann. Das Gefühl, nicht dazuzugehören, kann schwer wiegen.

Mikroaggressionen können dazu führen, dass sich Beziehungen verschlechtern. Das gilt nicht nur für die Beziehungen zwischen denjenigen, die unmittelbar Teil eines Konflikts sind. Im Job können etwa Kollegen Partei ergreifen und sich auf die eine oder andere Seite stellen. Das kann die Zusammenarbeit im Team erschweren.

Häufig lösen Mikroaggressionen Druck auf die Betroffenen aus, durch den sie sich anpassen, um weniger zur Zielscheibe zu werden. Es kann auch sein, dass Opfer von Mikroaggressionen sich aus bestimmten Gruppen zurückziehen. Eine weitere häufige Folge ist Misstrauen, das die Zusammenarbeit erschwert und Beziehungen belasten kann.

Welche beruflichen Folgen Mikroaggressionen haben können

Zur Zielscheibe von Mikroaggressionen zu werden, ist für viele Betroffene eine Belastung – vor allem, wenn es immer wieder zu solchen Übergriffen kommt. Der Stress, der damit häufig einhergeht, lenkt ab und kann dadurch der Karriere der Betroffenen im Weg stehen. Gleichzeitig kann das Gefühl, nicht ernst genommen oder nicht wertgeschätzt zu werden, das Selbstbewusstsein untergraben. Das kann Betroffene davon abhalten, Herausforderungen anzunehmen und sich ambitionierte Ziele zu stecken.

Auch die Motivation kann unter Mikroaggressionen leiden. Damit kann ein Leistungsabfall verbunden sein, der nicht nur nachteilig für die berufliche Entwicklung sein, sondern sogar ein Risiko für den Job werden kann. In einem solchen Umfeld ziehen sich viele Betroffene zurück, wechseln den Job oder lassen Chancen ungenutzt – nicht, weil sie diese nicht meistern könnten, sondern weil sie sich zurückziehen und keine Energie dafür aufbringen können.

Mögliche Ursachen von Mikroaggressionen

Mikroaggressionen geschehen oft nicht bewusst oder absichtlich. Auch deshalb ist das Konzept in der Wissenschaft bis heute umstritten: Entscheidend für die Einstufung einer Äußerung oder Handlung ist allein, wie die Betroffenen sie bewerten. Der Kontext oder die Intention der anderen Person spielen dafür hingegen keine Rolle.

Wenn es zu Mikroaggressionen kommt, sind gesellschaftliche Strukturen, unbewusste Vorurteile und persönliche Einstellungen häufig entscheidende Faktoren. Oft spiegeln sie tief verwurzelte Denkmuster wider, die nicht selten ihren Ursprung in der frühen Kindheit haben. Erziehung, kulturelle Prägungen, aber auch Medien können sich darauf auswirken, welche Haltungen jemand hat, was er für akzeptabel hält oder als „normal“ empfindet.  

Mikroaggressionen hängen oft mit Vorurteilen zusammen, die den betreffenden Personen gar nicht bewusst sein müssen. Frauen gelten dann zum Beispiel per se als schlechter in Naturwissenschaften als Männer, Asiaten als besonders intelligent oder ältere Menschen als starrsinnig und wenig anpassungsfähig.

Mangelnde Sensibilisierung für negative Folgen von Mikroaggressionen

In einer Gesellschaft gibt es außerdem eine bestimmte Kultur, die als Mainstream angesehen wird. Diese Mehrheitskultur kann dazu führen, dass bestimmte Gruppen oder Abweichler als anders oder nicht zugehörig gesehen werden. 

Wenn Menschen unbewusst zu Mikroaggressionen neigen, sind sie womöglich nicht dafür sensibilisiert, welchen Schaden ihre Aussagen oder Verhaltensweisen anrichten können. Während sich viele junge Menschen als aufgeklärt sehen und Toleranz wichtig finden, haben viele ältere Menschen sich mit solchen Themen nicht in derselben Weise auseinandergesetzt. Hinzu kommt, dass es bei ihnen häufig keine nennenswerten Berührungspunkte mit bestimmten Gruppen wie etwa der LGBTQ+-Community, Migranten oder Muslimen gibt.

Manchmal spielt auch die Angst vor Veränderungen eine Rolle. Manche Menschen fühlen sich schnell bedroht, auch wenn die Bedrohungen diffus sein mögen – sie werden dann auf bestimmte Gruppen projiziert. Mikroaggressionen sind dann oft eine automatische Abwehrreaktion.

Tipps zum Umgang mit Mikroaggressionen: Wie auf Mikroaggressionen reagieren?

Egal, ob hinter Mikroaggressionen Rassismus steckt oder jemand durch eine vermeintlich witzige Bemerkung als queere Person diskriminiert wird: Mikroaggressionen können dir im Alltag an vielen Stellen begegnen. Du musst sie nicht direkt erleben, sondern kannst auch Zeuge davon werden, wie mit anderen übergriffig umgegangen wird. Dann ist es wichtig, zu wissen, wie man auf Mikroaggressionen reagieren kann und sollte.

Selbstreflexion

Eine wichtige Grundlage ist Selbstreflexion. Du solltest dich für das Thema sensibilisieren und dich fragen, ob du womöglich selbst schon Mikroaggressionen gezeigt hast. Was hast du möglicherweise gesagt oder getan, das andere getroffen haben könnte? Warum hast du diese Verhaltensweisen an den Tag gelegt? Versuche, die Ursachen dafür herauszufinden. Konstruktive Kritik kann hilfreich sein – frage also ruhig andere nach einer Einschätzung, ohne direkt in die Defensive zu gehen, wenn jemand ein kritisches Wort sagt.

Selbstreflexion ist auch wichtig, wenn du zur Zielscheibe von Mikroaggressionen geworden bist. Gehe deinen Gedanken und Gefühlen nach: Was machen die Mikroaggressionen mit dir? Es ist wichtig, dass du siehst, dass du nicht schuld daran bist, was andere sagen oder tun. Du bist auch nicht überempfindlich, weil du dich ungerecht behandelt fühlst. Trotzdem kann es hilfreich sein, herauszufinden, was dich an bestimmten Äußerungen besonders verletzt.

Direkte Gespräche

In vielen Fällen von Mikroaggressionen ist es hilfreich, den Verursacher direkt auf sein Verhalten anzusprechen. Dabei solltest du sachlich und höflich vorgehen, auch wenn du dich getriggert fühlst. Vielen Menschen, die zu Mikroaggressionen neigen, ist gar nicht bewusst, was sie tun. Manche meinen es nicht einmal böse – sie sehen einfach gar kein Problem in ihrem Verhalten.

Indem du sie darauf aufmerksam machst, kannst du im besten Fall ein Umdenken anregen. Ein direktes Gespräch kann auch hilfreich sein, um anderen Grenzen aufzuzeigen. Wenn andere merken, dass du nicht alles mit dir machen lässt, macht das weitere Übergriffe unwahrscheinlicher.

Suche dir Unterstützung

Es kann sinnvoll – und wohltuend – sein, sich bei Mikroaggressionen Unterstützung zu suchen. Das können Kollegen sein, Freunde oder auch Vorgesetzte. Wenn du das Gefühl hast, dass Menschen auf deiner Seite sind, fühlst du dich wahrscheinlich weniger allein und weniger verletzt. Scheue dich nicht, dir bei Bedarf auch professionelle Unterstützung zu suchen, zum Beispiel durch eine Therapeutin oder einen Coach. Gemeinsam könnt ihr verletzende Vorfälle aufarbeiten und Strategien im Umgang mit Mikroaggressionen entwickeln.

Halte die Vorfälle fest

In Fällen von Mikroaggressionen kann auch Dokumentation empfehlenswert sein. Das betrifft vor allem Situationen, in denen du immer wieder Mikroaggressionen erlebst. Halte fest, was genau vorgefallen ist, um bei Bedarf etwas gegen die verursachende Person in der Hand zu haben. Wenn es nötig ist, kannst du deine Chefin einbeziehen oder dich an die Personalabteilung wenden – mit einer detaillierten Dokumentation sind deine Ausführungen glaubwürdiger.

Mikroaggressionen vorbeugen: Tipps für die Prävention

Längst nicht immer geschehen Mikroaggressionen absichtlich. Das macht es schwerer, ihnen vorzubeugen. Dennoch – es gibt einige Möglichkeiten und Strategien zur Prävention von Mikroaggressionen, angefangen bei einem stärkeren Bewusstsein dafür bis zur gezielten Interaktion mit Menschen, die anders sind als man selbst. Diese Aspekte sind besonders wichtig:

Mikroaggressionen: Oft unbeabsichtigt, aber schädlich

Bildnachweis: tsyhun / Shutterstock.com

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