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Ständige Erreichbarkeit im Job: Muss man immer erreichbar sein?

Eine Frau sieht auf das Smartphone, welche Bedeutung hat ständige Erreichbarkeit im Job?

Viele Arbeitnehmer arbeiten nicht nur während ihrer Arbeitszeiten. Sie nehmen noch nach Feierabend Anrufe entgegen oder checken schon am Frühstückstisch berufliche Mails – auch aus dem Gefühl heraus, immer erreichbar sein zu müssen. Dabei kann ständige Erreichbarkeit für Arbeitnehmer auf Dauer negative Folgen haben. Gibt es einen Anspruch auf permanente Erreichbarkeit? Wie kann man sich abgrenzen? Und warum sollten auch Arbeitgeber Wert darauf legen, dass ihre Mitarbeiter in ihrer Freizeit abschalten können?

Welche Folgen es haben kann, wenn man das Gefühl hat, immer erreichbar sein zu müssen

Noch vor einigen Jahrzehnten war die Arbeit für die meisten Menschen strikt auf die tatsächlichen Arbeitszeiten begrenzt. Man ging morgens zur Arbeit, arbeitete seine acht Stunden und hatte danach frei. Gedanken über den Job mussten sich die meisten Menschen bis zum nächsten Morgen nicht machen – und haben das auch nicht getan. Heute sieht es für viele Beschäftigte anders aus, auch dank der vielfältigen digitalen Möglichkeiten. Für viele Arbeitnehmer ist es ganz normal, sich auch in der Freizeit noch in irgendeiner Form mit der Arbeit zu befassen.

Das kann so aussehen, dass jemand ans Diensthandy geht, obwohl er gerade erst aufgestanden ist. Oder dass jemand abends im Bett noch am Laptop eine Präsentation für den nächsten Tag vorbereitet. Für viele Beschäftigte ist die Versuchung groß, zwischenzeitlich das E-Mail-Postfach zu checken. Wirklich frei haben viele Menschen vor und nach der Arbeit, am Wochenende und im Urlaub nicht. Selbst wenn sie gar nicht tatsächlich arbeiten, haben viele das Gefühl, im Zweifel erreichbar sein zu müssen. 

Der Druck der ständigen Erreichbarkeit kann manchmal als positiv empfunden werden: Manche Beschäftigte haben das Gefühl, dass es ohne sie nicht geht. Sie fühlen sich gebraucht und befassen sich gerne mit der Arbeit, obwohl sie eigentlich frei haben. Vielleicht gehen sie in ihrer beruflichen Rolle so auf, dass es ihnen nichts ausmacht, immer erreichbar sein zu müssen.

Viele Arbeitgeber erwarten implizit, dass ihre Mitarbeiter immer erreichbar sind

Dass viele Menschen in ihrer Freizeit immer nur im Stand-by-Modus sind und nicht wirklich das Gefühl haben, die Arbeit vergessen zu können, liegt nicht nur an den Möglichkeiten, die die Digitalisierung mit sich bringt. Auch flexible und wechselnde Arbeitszeiten können sich darauf auswirken. Es ist nicht immer klar, ob jemand gerade arbeitet oder nicht. Wer zum Beispiel erst um 10 Uhr morgens anfängt, bekommt die Chats der Kollegen, die schon um 8 Uhr angefangen haben, womöglich trotzdem mit. Vielleicht bekommt er auch eine Mail von einem Kollegen, die dringend eine Antwort erfordert, zumal der Kollege nicht weiß, dass man noch nicht im Einsatz ist.

Ob jemand das Gefühl hat, ständig erreichbar sein zu müssen, hängt nicht zuletzt von den Erwartungen des Vorgesetzten ab. Viele Chefinnen und Chefs erwarten implizit, dass E-Mails auch nach Feierabend noch gelesen oder Anrufe im Zweifel entgegengenommen werden. Je bereitwilliger Mitarbeiter das tun, desto normaler wird es – wer nicht mitmacht, kann negativ auffallen. Das sorgt für Druck. 

Auf Dauer kann Stress durch ständige Erreichbarkeit entstehen. Das gilt umso mehr, je stärker der Arbeitgeber die ständige Erreichbarkeit erwartet und je öfter Beschäftigte tatsächlich arbeiten, wenn sie eigentlich frei haben. Wird so eine Situation zum Normalzustand, haben viele Betroffene das Gefühl, gar nicht mehr wirklich abschalten zu können oder zu dürfen.

Echte Entspannung ist dann oft kaum noch möglich, die Freizeit womöglich nicht wirklich erholsam. Das verschlechtert die Work-Life-Balance, was zu Unausgeglichenheit, schlechter Stimmung und Gereiztheit führen kann. Viele Betroffene sind unzufrieden mit der Situation und wünschen sich mehr Zeit für private Dinge wie die Familie, Freunde oder Hobbys. Die negativen Gefühle können zu Schlafstörungen und psychosomatischen Erkrankungen führen. Es kann auch zu einem Burnout kommen, ebenso können Depressionen begünstigt werden.

Muss man immer erreichbar sein? Das sagt das Arbeitsrecht

Viele Arbeitnehmer haben das Gefühl, sie müssten ständig erreichbar sein. Aber wie sieht es rechtlich aus: Darf ein Arbeitgeber von seinen Mitarbeitern verlangen, dass sie noch nach Feierabend ans Telefon gehen oder E-Mails schon morgens am Frühstückstisch lesen? Nein, normalerweise besteht darauf kein Anspruch. Beschäftigte haben keine Pflicht, ständig erreichbar zu sein.

Es kann sein, dass der Arbeitsvertrag diesbezüglich Regelungen enthält, an die sich Arbeitnehmer im Zweifel halten müssen. Wichtig zu wissen: Pauschale Regelungen, denen zufolge von einem Mitarbeiter ständige Erreichbarkeit gefordert wird, sind in der Regel unwirksam. Es wäre jedoch denkbar, dass Rufbereitschaften oder Nachtdienste vereinbart werden. Diese Dienste finden zu bestimmten Zeiten statt, die mit dem Arbeitgeber abgesprochen werden – niemand muss dauerhaft in Rufbereitschaft sein. Es ist dabei üblich, dass sich mehrere Kollegen mit Rufbereitschaft oder Nachtdiensten abwechseln.

Wenn eine Rufbereitschaft vereinbart wurde, muss die Arbeit sich dennoch innerhalb des üblichen gesetzlichen Rahmens bewegen. So darf zum Beispiel die maximale Arbeitszeit pro Woche nicht überschritten werden, außerdem müssen Ruhezeiten eingehalten werden.

Arbeitnehmer müssen somit nicht grundsätzlich erreichbar sein; sie können E-Mails und Anrufe außerhalb ihrer Arbeitszeiten getrost ignorieren – theoretisch zumindest. Denn die Frage, ob man als Arbeitnehmer immer erreichbar sein muss, berührt nicht nur Gesetze und Vertragsklauseln. Es geht praktisch auch darum, ob Beschäftigte aus gutem Grund glauben, immer erreichbar sein zu müssen. In manchen Unternehmen wird das tatsächlich erwartet. Wer dann auf seinen Feierabend pocht, riskiert schlimmstenfalls seinen Job. Legal mag das nicht sein – es kommt dennoch immer wieder vor und setzt die Beschäftigten unter Druck.

Ständige Erreichbarkeit: Wie du damit umgehen kannst

Egal, ob du nur das Gefühl hast, immer erreichbar sein zu müssen, oder ob dein Arbeitgeber tatsächlich ständige Erreichbarkeit erwartet – auf Dauer kann eine solche Situation viel Stress auslösen. Dann ist es gut, sich klarzumachen, dass man ein Stück weit in der Hand hat, wie dominierend der Gedanke an die Arbeit in der Freizeit ist. Mit passenden Strategien kannst du einer ständigen Erreichbarkeit vorbeugen. 

Es fängt mit der Kommunikation mit dem Arbeitgeber an: Im Zweifel kann es sinnvoll sein, nachzufragen, was der oder die Vorgesetzte von dir erwartet. Vielleicht kommt bei einem solchen Gespräch heraus, dass du dir selbst Stress gemacht hast und es völlig in Ordnung ist, wenn du nur während deiner tatsächlichen Arbeitszeiten arbeitest. Dieses Wissen kann sehr beruhigend sein.

Erwartet der Arbeitgeber hingegen tatsächlich ständige Erreichbarkeit im Job, kann es eine gute Idee sein, gewisse Grenzen zu setzen. Du musst nicht ständig erreichbar sein und es ist keine Schande, das auch deutlich zu machen. Als Kompromiss könntest du Zeiten festlegen, zu denen du in besonderen Fällen erreichbar bist. Du kannst aber im selben Zug deutlich machen, dass du auf E-Mails nicht antwortest, wenn es keinen dringenden Grund dafür gibt. 

Oft sind es weniger die Erwartungen des Arbeitgebers, die zum Gefühl führen, immer erreichbar sein zu müssen, als der Perfektionismus der Beschäftigten und ihr Bedürfnis nach einer guten Beziehung zum Arbeitgeber. Nicht wenige Arbeitnehmer machen sich ihren Stress selbst. Es fängt beim schlechten Gewissen an, wenn man auf E-Mails oder Anrufe nicht reagiert, und hört beim Verhalten auf. Wer sein Firmenhandy auch am Wochenende an hat oder „freiwillig“ sein berufliches Postfach checkt, versetzt sich selbst in den Arbeitsmodus. Besser ist es, Firmenhandys in der Freizeit auszuschalten und das Mail-Postfach nicht abzurufen. Dienstliche Nachrichten solltest du nicht auf deinen privaten Geräten empfangen. Lösche entsprechende Apps oder Mail-Logins.

Sag dem schlechten Gewissen den Kampf an

Mache dir bewusst, dass du dich nicht schlecht fühlen musst, wenn du dich gegen die ständige Erreichbarkeit wehrst. Es gibt gute Gründe dafür, Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben zu ziehen. Ständige Erreichbarkeit macht krank oder hat zumindest das Potenzial dazu. Sich abzugrenzen ist ein Selbstschutz, der nicht zuletzt der eigenen Leistungsfähigkeit zugutekommt: Es ist besser, während der Arbeitszeiten wirklich engagiert zu sein, als durch die ständige Erreichbarkeit so gestresst zu sein, dass man lustlos und übermüdet ist.

Nutze deine Freizeit mit gutem Gewissen so, wie du sie nutzen möchtest. Verdränge den Gedanken an die Arbeit und verbiete dir notfalls, E-Mails zu checken oder nach entgangenen Anrufen zurückzurufen. Mit der Zeit wird es dir leichter fallen, die Arbeit Arbeit sein zu lassen.

Zu glauben, dass man ständig erreichbar sein muss, kann viel Stress auslösen. Wenn es dir so geht, solltest du versuchen, deinen Stress zu reduzieren. Das kann mit Sport, aber auch schönen Erlebnissen in der Freizeit geschehen. Triff dich mit Freunden, nimm dir Zeit fürs Kochen mit Musik und einem leckeren Getränk, nimm ein langes Bad oder geh auf ein Konzert. Auch entschleunigende Aktivitäten wie Yoga, Qigong oder Meditation können helfen. Wichtig ist auch ein gesunder Lebensstil: Ernähre dich gesund, schlafe genug und bewege dich regelmäßig im Alltag. Stress kann dir dadurch weniger etwas anhaben.

Vorübergehend nicht erreichbar: Kommunizieren, wenn man abwesend ist

Niemand ist immer erreichbar, und das ist auch völlig legitim. Dennoch kann es sinnvoll sein, die eigene Abwesenheit klar zu kommunizieren, damit es keine Missverständnisse gibt oder Erwartungen enttäuscht werden. Das kann zum Beispiel bedeuten, Kollegen und Vorgesetzten mitzuteilen, wann man erreichbar ist. Mit dem Chef oder der Chefin sind die Arbeitszeiten wahrscheinlich ohnehin geklärt. Viele Arbeitnehmer haben diesbezüglich aber viele Freiheiten, so dass die Arbeitszeiten auch mal von Tag zu Tag variieren können. Wenn jemand im Homeoffice arbeitet, sind womöglich auch die Pausenzeiten nicht immer gleich.

Dann ist es wichtig, zu kommunizieren, wann man zur Verfügung steht und wann nicht. Wenn Absprachen im Team bevorzugt über Chats laufen, kannst du dich im Chat ab- und wieder anmelden. Dem Chef oder der Chefin schreibst du vielleicht eine E-Mail, wenn es wichtig ist, dass du im Zweifel sofort verfügbar bist (und du in Erklärungsnot geraten würdest, wenn du es ohne vorherige Mitteilung nicht wärst). 

Auch nach außen kannst du kommunizieren, wann und wenn du nicht erreichbar bist. Du kannst zum Beispiel Autoresponder einrichten, die bei eingehenden E-Mails automatisch verschickt werden. So ist sofort klar, dass du gerade nicht da bist und wann du wieder da sein wirst. Für kürzere Abwesenheiten ist das aber meist verzichtbar. Auch für Anrufe kannst du im Voraus planen: Du kannst deine Mailbox einrichten oder dein Telefon auf einen Kollegen oder eine Kollegin weiterleiten, wenn du wichtige Anrufe erwartest oder länger abwesend bist. 

Der Arbeitgeber fordert ständige Erreichbarkeit: An wen kann man sich wenden?

Arbeitgeber dürfen von Arbeitnehmern nicht verlangen, dass sie ständig erreichbar sind. Die ständige Erreichbarkeit ist vom Arbeitsrecht nicht ohne Weiteres gedeckt, von vertraglich vereinbarten Rufbereitschaftszeiten oder ähnlichen Modellen abgesehen. Die klare Rechtslage hält manche Arbeitgeber jedoch nicht davon ab, implizit zu erwarten, dass Beschäftigte immer erreichbar sind. Was kann man tun, wenn man einen Chef hat, dem der Feierabend egal ist?

Eine erste Anlaufstelle innerhalb des Unternehmens ist der Betriebsrat. Der Betriebsrat kann dich dabei unterstützen, deine Rechte geltend zu machen, und zwischen dir und dem Arbeitgeber vermitteln. Wenn es keinen Betriebsrat in deiner Firma gibt oder sich nichts bessert, kannst du auch in Erwägung ziehen, mit einer Gewerkschaft Kontakt aufzunehmen. Das macht allerdings nur Sinn, wenn du auch Mitglied dort bist. In diesem Fall kannst du dich dort beraten und unterstützen lassen. Es gibt zudem spezielle Beratungsstellen, die Beschäftigten Hilfe bei Stress und Problemen im Job anbieten.

Warum Arbeitgeber von ihren Mitarbeitern keine ständige Erreichbarkeit verlangen sollten

Ständige Erreichbarkeit im Privaten ist für Arbeitnehmer in vielen Fällen belastend. Auch Betroffene, die klaglos mitmachen und sich nicht darüber beschweren, wenn der Arbeitgeber sie nach Feierabend noch anruft oder erwartet, dass sie auf E-Mails reagieren, leiden womöglich darunter.

Für Arbeitgeber kann die ständige Erreichbarkeit Vor- und Nachteile haben. Einerseits ist es für Arbeitgeber praktisch, wenn ihre Mitarbeiter nahezu jederzeit auf Abruf bereitstehen und es im Zweifel mit den Arbeitszeiten nicht so eng nehmen. Andererseits können die Nachteile, die die ständige Erreichbarkeit im Job für Beschäftigte hat, auch Unternehmen treffen.

Sind die Mitarbeiter gestresst, frustriert oder fühlen sich ausgebeutet, weil der Arbeitgeber sie auch in ihrer Freizeit kontaktiert, führt das meist zu einer verringerten Zufriedenheit im Job. Das ist nicht im Sinne von Arbeitgebern, denn solche Mitarbeiter sind tendenziell weniger engagiert, können schlechtere Leistungen erbringen und fühlen sich weniger an das Unternehmen gebunden. Es kann auch sein, dass die Stimmung in der Belegschaft schlecht ist. Ein schlechtes Betriebsklima sorgt für weitere Unzufriedenheit und kann abstoßend auf Fachkräfte wirken, die sich für einen Job im Unternehmen interessieren.

Fazit: Warum du nicht ständig erreichbar sein solltest

Bildnachweis: Petryshak / Shutterstock.com

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