Viele Menschen sind perfektionistisch veranlagt. Das kann für gute Ergebnisse sorgen, aber auch ein Hindernis im beruflichen und privaten Alltag sein. Auch für die Karriere ist Perfektionismus nicht unbedingt ein Pluspunkt. Im Gegenteil: Perfektionismus kann dir im Beruf sogar schaden. Welche Folgen Perfektionismus für deine Karriere haben und wie du deinen Perfektionismus ablegen kannst, darum geht es in diesem Artikel.
Was ist Perfektionismus und wie wirkt er sich aus?
Perfektionismus wird vom Duden als übertriebenes Streben nach Perfektion definiert. Perfektionistische Menschen gehen an ihre Aufgaben mit Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit heran. Sie nehmen sich oft viel Zeit, um das bestmögliche Ergebnis zu erreichen. „Gut genug“ reicht Perfektionisten nicht aus – es muss perfekt sein.
Wenn ein Mensch eine perfektionistische Neigung hat, kann sich das im Privatleben und im Beruf auf vielerlei Weise bemerkbar machen. Dass jemand perfektionistisch ist, heißt nicht, dass er wirklich jede letzte Aufgabe optimal ausführen wollen würde. Zwar neigen viele Perfektionisten auch bei unwichtigeren Aufgaben zu Perfektionismus, aber viele machen einen Unterschied bei den Dingen, bei denen sie sich wirklich ins Zeug legen.
Ein Beispiel: Ein Perfektionist, dessen große Leidenschaft das Zeichnen ist, wird mit seinen Zeichnungen erst zufrieden sein, wenn sie aus seiner Sicht wirklich großartig sind. Ein solides, aber eben nicht perfektes Bild kann ihnen hingegen schlechte Laune machen oder sogar das Gefühl geben, gescheitert zu sein. Im Beruf kann Perfektionismus zum Beispiel bedeuten, dass jemand sich bei seinen Aufgaben besonders viel Mühe gibt. Das kann größere Dinge ebenso betreffen wie kleinere. Perfektionisten können zum Beispiel ewig an einer Präsentation oder Rede feilen, aber auch zehn Minuten lang überlegen, ob eine kurze E-Mail mit drei Sätzen wirklich optimal formuliert ist.
Weil Perfektionisten immer das bestmögliche Ergebnis anstreben, kann es sein, dass bestimmte Aufgaben bei ihnen länger dauern als bei anderen. Dadurch geraten sie im Joballtag eher in Stress und machen womöglich häufiger Überstunden, um alles zu schaffen. Das wiederum wirkt sich negativ auf Freizeit und Entspannung aus. Schlimmstenfalls kommt der private Ausgleich zu kurz, die Betroffenen schlafen zu wenig – und sind bei der Arbeit unkonzentriert. Dadurch brauchen sie noch länger, sind eher frustriert und unzufrieden mit sich selbst. Das kann zu einer Negativspirale führen, die für die Betroffenen psychisch und körperlich belastend ist.
Perfektionismus als Karrierehindernis
Perfektionisten sind gewissenhaft, verantwortungsbewusst, strebsam und engagiert – alles wichtige Eigenschaften in Beruf und Karriere. Oder etwa nicht? Tatsächlich ist Perfektionismus weniger erstrebenswert als viele Perfektionisten meinen. Es ist schon ein paar Jahre her, da konnte man in Bewerbungsratgebern den Tipp lesen, man solle auf die Frage nach den Schwächen im Vorstellungsgespräch antworten, man sei perfektionistisch veranlagt. Das sollte ein cleverer Schachzug sein – man hatte die Frage der Personaler beantwortet, aber mit einer Schwäche, hinter der sich in Wahrheit eine Stärke verbirgt. So jedenfalls der Gedanke.
Inzwischen wird Perfektionismus im Job und der Karriere kritischer gesehen, denn tatsächlich kann eine perfektionistische Art ein echtes Hindernis für den beruflichen Aufstieg sein. Warum ist das so? Menschen, die sehr perfektionistisch sind, brauchen tendenziell länger. Das gilt nicht nur für wirklich wichtige Aufgaben, sondern auch für alltägliche Routine-Aufgaben, bei denen es nicht darauf ankommt, ob sie zu 80 Prozent oder 100 Prozent optimal erledigt werden. Perfektionisten halten sich mit vielen Dingen unnötig auf. Dadurch können sie in Stress geraten und Fristen verpassen. Außerdem schaffen sie womöglich weniger, was dem Chef negativ auffallen kann und keine gute Grundlage für eine Beförderung ist.
Weil Perfektionisten sich leicht verzetteln, müssen sie eher Überstunden machen, um trotzdem alles zu schaffen. Ihnen gelingt es womöglich auch nicht, klare Prioritäten im Berufsalltag zu setzen, die es ihnen ermöglichen würden, ihre beruflichen Ziele zu erreichen. Das kann sie daran hindern, beruflich voranzukommen.
Angst vor Fehlern kann der persönlichen Entwicklung im Weg stehen
Perfektionisten sind schnell unzufrieden, wenn das Ergebnis nicht perfekt ist. Bei der Fülle an Aufgaben, die viele Arbeitnehmer heute haben, kann man aber gar nicht jede einzelne Aufgabe optimal erledigen. Das sorgt bei einer perfektionistischen Veranlagung schnell für Frust und schlechte Laune, die auch den Kollegen und Vorgesetzten auffallen kann. Perfektionisten können ihre Umgebung auch mit ihrer übermäßig kritischen Art nerven. Dadurch verlieren sie womöglich Sympathiepunkte, die jedoch – zumindest, wenn es um Vorgesetzte geht – ein wichtiger Karrierefaktor sind.
Wer zu Perfektionismus neigt, hat nicht selten eine übermäßige Angst vor Fehlern und Rückschlägen. Auf Kritik reagieren viele Perfektionisten überaus empfindlich. Viele neigen dazu, sich wertlos zu fühlen und grundlegend an sich zu zweifeln, wenn andere ihnen negatives Feedback geben. Angst vor Kritik und einem Scheitern kann dazu führen, dass jemand berufliche Herausforderungen nicht ergreift. Zusätzliche oder neue Aufgaben übernehmen Perfektionisten womöglich nur, wenn sie sicher sind, dass sie das perfekte Ergebnis liefern können. Dadurch entgehen ihnen Chancen, an Herausforderungen zu wachsen und sich weiterzuentwickeln.
Ein hoher Anspruch an sich selbst kann auch dazu führen, dass Perfektionisten sich für bestimmte Jobs gar nicht erst bewerben – entweder, weil sie für Bewerbungen ewig brauchen, bis sie damit zufrieden sind, und das abschreckend wirkt. Oder weil sie nicht an sich glauben und sich keine guten Chancen ausrechnen und es dann bei bestimmten Arbeitgebern gar nicht erst versuchen. Nicht zuletzt können Perfektionisten eher von Burnout betroffen sein, weil sie dazu neigen, sich für ein gutes Ergebnis kaputtzumachen. Sind sie psychisch am Ende, ist an Karriere nicht mehr zu denken.
Hilfreicher oder schädlicher Perfektionismus?
Perfektionismus ist nicht immer und unter allen Umständen schädlich. Es kommt darauf an, worauf er sich bezieht und wie ausgeprägt der Perfektionismus in den verschiedenen Lebensbereichen ist. In manchen Fällen kann wohldosierter Perfektionismus hilfreich sein. Letztlich steckt auch eine gute Prise Perfektionismus hinter Eigenschaften wie Zielstrebigkeit, Ehrgeiz und Engagement, die für das berufliche Fortkommen essenziell sind.
Wie kann man hilfreichen und schädlichen Perfektionismus voneinander unterscheiden? Hilfreich kann Perfektionismus sein, wenn er sich lediglich auf ausgewählte, besonders wichtige Dinge bezieht – also etwa eine besonders wichtige Präsentation vor möglichen neuen Kunden bei der Arbeit. Wenn es Perfektionisten gelingt, bei weniger wichtigen Dingen mit einem soliden Ergebnis zufrieden zu sein und ohne schlechte Laune zur nächsten Aufgabe überzugehen, hat ihr Perfektionismus weniger negative Auswirkungen.
Anders sieht es aus, wenn jemand ständig unzufrieden mit sich ist, wenn er aus Angst vor Fehlern wie gelähmt ist und für alle möglichen Aufgaben ewig braucht, weil seine Ansprüche so hoch sind. Wenn Perfektionisten sich in unwichtigen Aufgaben verzetteln, sich von Kritik übermäßig herunterziehen lassen und durch ihre gewissenhafte Art immer wieder in großen Stress geraten, ist der Perfektionismus eindeutig schädlich.
Perfektionismus kann zwanghaft werden. Die Betroffenen wissen dann zwar, dass ihnen ihr Perfektionismus schadet, können aber nicht anders, als immer 110 Prozent zu geben – auch wenn es spürbare negative Konsequenzen für sie hat. Dann ist Perfektionismus krankhaft und kann psychisch und körperlich enorme Auswirkungen haben. Spätestens jetzt sollte man dringend handeln, um den Perfektionismus zu überwinden. Sonst drohen Entwicklungen wie ein Burnout, Depressionen, Angststörungen, Alkohol- oder Drogenmissbrauch oder Essstörungen.
Tipps für Perfektionisten: So kannst du deinen Perfektionismus überwinden
Perfektionismus ist zwar nicht angeboren, aber bei den meisten Perfektionisten eine Eigenschaft, die sie schon vor langer Zeit erworben haben. Es kann schwer sein, den eigenen Perfektionismus abzulegen. Dennoch gibt es Wege, Perfektionismus zu überwinden. Entscheidend ist, dass ein Umdenken stattfindet.
Im ersten Schritt solltest du dir klarmachen, wie sehr dir dein Perfektionismus schaden kann. Viele Perfektionisten sehen die vielen negativen Auswirkungen ihrer Strebsamkeit nur eingeschränkt – und wissen nur, dass sie ein Zeitproblem haben. Perfektionismus kann aber auch in vielerlei anderer Hinsicht nachteilig sein. Je stärker dir das bewusst ist, desto überzeugter wirst du im Kampf gegen den Perfektionismus sein.
Es ist wichtig, dass du dir deine Energie und Ressourcen bewusst einteilst. Bei manchen Dingen kannst du – in gewissen Grenzen – ruhig perfektionistisch sein. Das sollten aber nur Dinge sein, die wirklich einen Unterschied machen. Der Großteil deiner alltäglichen Aufgaben im Job und in deiner Freizeit zählt sicherlich nicht dazu. Hier musst du lernen, die Erwartungen an dich selbst zu verringern und mit einem soliden Ergebnis zufrieden zu sein. Entscheidend ist auch, dass dir auffällt, wenn du doch mehr tust als nötig wäre – und dann ganz bewusst einen Gang zurückschaltest.
Nimm Herausforderungen an, auch wenn der Ausgang ungewiss ist. Ansonsten können dir viele Chancen entgehen, die dir dabei helfen können, deine Ziele zu erreichen.
Ändere auch deine Sicht auf Fehler. Fehler sind nicht so schlimm, wie du vielleicht denkst. Wenn du einen Fehler machst, denken nicht alle, dass du nichts kannst oder nichts wert bist. Fehler sind im Gegenteil sogar oft nützlich, weil du aus ihnen lernen und an deinen Erkenntnissen wachsen kannst. Kritik solltest du mit derselben Geisteshaltung begegnen. Sieh sie als Chance, dich weiterzuentwickeln, und nicht als grundlegende Kritik an deiner ganzen Person.
Wenn dein Perfektionismus sehr stark ausgeprägt ist, kann es sehr schwierig sein, ihn ohne fremde Hilfe zu überwinden. In diesem Fall solltest du nicht zögern, dir professionelle Unterstützung zu suchen, um zu lernen, realistischere und gesündere Erwartungen an dich selbst zu entwickeln.
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