AllgemeinAnspruchsdenken: Wie es dir schadet und was du tun kannst

Anspruchsdenken: Wie es dir schadet und was du tun kannst

Eigentlich hättest du es verdient, dass dir Gutes passiert. Oder? Vielleicht hast du insgeheim solche Gedanken. Dann kann es sein, dass du ein Anspruchsdenken entwickelt hast. Was das genau ist, wie ein Anspruchsdenken entsteht und warum es so schädlich ist – in diesem Artikel erfährst du mehr darüber.

Anspruchsdenken: Was ist das?

Anspruchsdenken wird in der Psychologie als Persönlichkeitsmerkmal eingeordnet. Wenn jemand ein Anspruchsdenken hat, dann ist er insgeheim überzeugt davon, dass er ein Anrecht auf bestimmte Dinge hat. Dahinter verbergen sich überzogene Erwartungen, die nicht in Relation zum eigenen Einsatz für etwas stehen und sich rational nicht stützen lassen. Um nur einige Beispiele dafür zu nennen, wie Anspruchsdenken aussehen kann: Anspruchsdenken könnte dazu führen, dass man glaubt, den ersehnten Job bekommen zu müssen, weil man sich für den oder die Beste hält. Oder dass man automatisch denkt, dass der entgegenkommende Autofahrer warten müsse, obwohl auf beiden Seiten ein Hindernis ist.

Anspruchsdenken kann offenbar werden, wenn es um die Familienplanung geht und ein Paar feststellt, dass es eben nicht auf Knopfdruck Kinder produzieren kann. Ebenso kann Anspruchsdenken sich zeigen, wenn es darum geht, dass man selbst von negativen Entwicklungen verschont bleibt. Ein Verkehrsunfall? Davon wird man schon nicht selbst betroffen sein. Eine schwere Krankheit? So etwas passiert nur anderen, man selbst hat es nicht „verdient“.

Nicht immer ist den Betroffenen bewusst, dass sie ein hohes Anspruchsdenken haben. Manche Menschen glauben einfach instinktiv, dass ihnen A) Gutes widerfahren und B) nichts Negatives passieren wird – weil sie ein netter Mensch sind, der selbst fair und freundlich ist. Wenn jemand hingegen ganz bewusst die Haltung entwickelt, dass er ein Recht auf bestimmte Entwicklungen hat, geht das häufig mit Überlegenheitsgefühlen und einem großen Selbstbewusstsein einher. 

Wie äußert sich Anspruchsdenken?

Woran kann man bemerken, dass man selbst ein Anspruchsdenken hat? Oder dass andere zu Anspruchsdenken neigen? Charakteristisch dafür ist der grundlegende Gedanke, dass man ein Anrecht auf positive Entwicklungen im eigenen Leben hat. Dabei spielt es keine Rolle, ob es um den Job und die Karriere geht oder um private Entwicklungen wie etwa im Liebesleben, im Freundeskreis oder in der Familie.

In vielen Fällen sind Menschen mit einem hohen Anspruchsdenken sehr überzeugt von sich. Sie halten sich für besonders kompetent und fähig, womöglich auch ganz einfach für besonders. Und weil sie ihrer Ansicht nach so besonders sind, stehen ihnen ihrer Empfindung nach bestimmte Dinge zu.

Anspruchsdenken kann sich auch zeigen, wenn jemand mit negativen Geschehnissen und Entwicklungen konfrontiert ist. Menschen mit hohem Anspruchsdenken ärgern sich zum Beispiel vielleicht besonders, wenn nicht sie, sondern ein anderer Autofahrer den freien Parkplatz bekommt. Wenn nicht sie, sondern der Kollege befördert wird. Oder wenn sie auf einen Termin länger warten müssen, obwohl sie gerne jetzt gleich dran wären. Ist ein Anspruchsdenken vorhanden, können solche Erlebnisse übermäßig negative Gefühle wie Wut oder Frust auslösen. Die Betroffenen fühlen sich in vielen Fällen ungerecht behandelt.

Test: Hast du ein Anspruchsdenken?

Neigst du zu Anspruchsdenken? Manche Menschen formulieren ihre eigenen Ansprüche sehr klar – innerlich oder auch vor anderen. Doch nicht jedem Menschen ist bewusst, dass er insgeheim glaubt, bestimmte Ansprüche zu haben. Um es herauszufinden, kann unser Test praktisch sein. So geht’s: Lies dir die folgenden Sätze durch und überlege, inwieweit du dich darin wiederfindest. Je mehr Aussagen auch von dir stammen könnten, desto eher hast du ein Anspruchsdenken.

  • „Ich habe es verdient, eine Gehaltserhöhung zu bekommen.“
  • „Es ist nicht fair, dass ich so lange auf einen Termin beim Facharzt warten muss.“
  • „Dass mein Partner mich so behandelt, habe ich wirklich nicht verdient.“
  • „Warum sollten andere sich ein Haus leisten können und ich nicht? Das ist nicht fair.“
  • „Wenn ich die Wohnung haben möchte, sollte ich auch die Zusage vom Makler bekommen.“
  • „Warum werden andere schwanger und ich nicht? Womit haben die das verdient?“
  • „Ich will das Praktikum so gerne machen. Ich habe es verdient, eine Zusage zu bekommen.“
  • „Den freien Parkplatz sollte ich bekommen.“
  • „Ich habe etwas Besseres verdient.“
  • „Bei der Urlaubsplanung sollten meine Wünsche vorrangig behandelt werden; notfalls sollten die Kollegen zurückstecken.“
  • „Warum muss ich diese Schmerzen aushalten?“

Warum manche Menschen ein Anspruchsdenken entwickeln

Wie kommt es, dass manche Menschen ein Anspruchsdenken haben und andere nicht? Anspruchsdenken ist in der Psychologie vielfach durch Studien erforscht worden. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen hat Anspruchsdenken seine Grundlage in der Regel in der Kindheit der betreffenden Person. Häufig ist es so, dass wichtige Bezugspersonen wie die Eltern selbst deutlich gemacht haben, dass sie ein Anspruchsdenken haben. Die Kinder haben dann die Haltung ihrer Eltern übernommen.

In vielen Fällen erwarten Menschen mit einem hohen Anspruchsdenken positive Dinge oder Güter für sich selbst, ohne dabei eine Gegenleistung zu erbringen oder erbringen zu wollen. Anspruchsdenken kommt aber auch bei Personen vor, die tatsächlich einiges geleistet haben. Solche Menschen haben womöglich für ihren Erfolg hart gearbeitet und erwarten, dass ihre Mühen belohnt werden.

Jetzt bin ich dran! Anspruchsdenken aufgrund vorheriger Erfahrungen

Oder sie setzen sich für andere ein und finden – oft nach Jahrzehnten –, dass sie jetzt auch mal dran sind. Das Anspruchsdenken stützt sich dann häufig auf diffuse Wahrnehmungen und verschiedene Situationen, in denen man sich für andere aufgeopfert hat. Ein Beispiel: Ein Arbeitnehmer ist in der Vergangenheit häufig für erkrankte Kollegen eingesprungen, was eine große Belastung für ihn war. Seit einiger Zeit fühlt er sich ausgebrannt und zögert nicht, sich häufig krankzumelden. Das hat negative Auswirkungen für seine Kollegen, die seine Abwesenheit auffangen müssen. Er empfindet sein Handeln aber als vollkommen gerechtfertigt, weil er selbst viel für Kollegen getan hat. Dass das andere Kollegen waren, interessiert ihn nicht.

Anspruchsdenken kann Teil einer narzisstischen Persönlichkeit sein, wobei Anspruchsdenken und Narzissmus nicht miteinander identisch sind. Viele Narzissten haben ein Anspruchsdenken, aber nicht jeder Mensch mit einem Anspruchsdenken ist ein Narzisst. Unterschiede gibt es unter anderem bei bestimmten Charaktermerkmalen wie der Durchsetzungskraft und dem vulnerablen Selbstwertgefühl eines Narzissten.

Darum ist Anspruchsdenken schädlich

Anspruchsdenken ist weder für die Person, die es hat, noch für ihr Umfeld etwas Positives. Im Gegenteil: Es kann für alle Betroffenen sehr schädlich sein. Der Glaube, dass man etwas Besonderes ist und deshalb ein Anrecht auf Gutes hat, ist schlicht ein Irrglaube. Selbst wenn jemand ein freundlicher Mensch ist, der andere fair behandelt oder sich gar für sie aufopfert: Nach dieser Logik läuft das Leben nicht ab. Einem guten Menschen können negative Dinge passieren, die man als ungerecht empfinden könnte. So sehr man sich auch wünschen mag, dass das anders wäre, ändert es doch nichts an dieser Tatsache.

Menschen mit einem hohen Anspruchsdenken denken, sie hätten ein Anrecht auf bestimmte Dinge, ohne dass sie etwas dafür getan haben. Dadurch sind sie anfälliger für Frust und Enttäuschungen. Das hat eine Studie der Cornell-Universität und der Harvard Medical School in den USA deutlich gemacht. Anhand eines Fragebogens wurde dabei eingestuft, wie ausgeprägt das Anspruchsdenken der Probanden war.

Anschließend wurde den Versuchsteilnehmern mitgeteilt, dass sie entweder eine unterhaltsame oder eine langweilige Ausgabe bekommen würden – bestimmt werden sollte das per Los. In Wahrheit erhielten alle Probanden dieselbe langweilige Aufgabe, was sie jedoch nicht wussten. Das Ergebnis: Je höher das Anspruchsdenken, desto größer die Wut über das vermeintliche Lospech. Diese Probanden empfanden ihr Los auch eher als unfair, obwohl sie dachten, dass die Zuweisung der Aufgaben nach dem Zufallsprinzip erfolgt war. 

Anspruchsdenken kann zu Konflikten mit anderen Menschen führen

Wer ein hohes Anspruchsdenken hat, kann dadurch im Alltag weniger zufrieden sein, weil es ständig Situationen gibt, in denen er sich ungerecht behandelt fühlt. Es kann auch eher Konflikte mit anderen Menschen geben, auf die die Person neidisch ist oder mit der sie aneckt. Wer ein Anspruchsdenken hat, gönnt anderen oft weniger, weil er deren positive Entwicklungen lieber selbst in Anspruch genommen hätte. Das merken häufig auch die anderen Personen, was die Beziehung belasten kann. Das Persönlichkeitsmerkmal Anspruchsdenken kann schlimmstenfalls dazu führen, dass jemand keine oder kaum Freunde hat – ein weiterer Faktor, der sich negativ auf die Zufriedenheit auswirkt.

Auch für den eigenen Erfolg ist es kontraproduktiv, ein Anspruchsdenken zu haben – zumindest dann, wenn man nichts für diesen Erfolg tut. Nur zu glauben, einem stünden bestimmte Dinge einfach zu, bringt einen nicht weiter. Wer nicht in Vorleistung geht, wird seine Ziele wahrscheinlich nicht erreichen. Umgekehrt könnte jemand, der engagiert ist, mehr schaffen – weil er weiß, dass Erfolg das Ergebnis harter Arbeit ist. Wer hingegen ein Anspruchsdenken hat, tritt dadurch tendenziell eher auf der Stelle, was ihn wahrscheinlich wütend macht und frustriert.

Anspruchsdenken ablegen: Tipps zum Umgang mit dem eigenen Anspruchsdenken

Ein Anspruchsdenken ist keine gute Sache. Es bringt dich nicht weiter, zu glauben, dass du bestimmte Dinge verdient hast oder dass bestimmte Dinge, die dir passieren, ungerecht sind. Kann man ein Anspruchsdenken ablegen? Grundsätzlich ja, auch wenn es ein langer Weg sein kann – vor allem, wenn die eigenen Überzeugungen sehr tiefgreifend sind.

Der erste Schritt, das eigene Anspruchsdenken zu bekämpfen, besteht darin, das Problem zu erkennen. Wenn du soweit bist, hast du den Grundstein für eine positive Entwicklung schon gelegt. Es ist wichtig, zu realisieren, dass niemand einen Anspruch auf irgendetwas hat, von gesetzlich verbrieften Rechten mal abgesehen. Klar: Wenn du ein Produkt im Internet kaufst, hast du ein Recht darauf, es auch tatsächlich zu erhalten. Und wenn du einen Kurs buchst, hast du ein Recht darauf, dass du auch teilnehmen darfst. In den meisten Fällen aber gibt es keinerlei Ansprüche, und das auch dann nicht, wenn sich jemand ins Zeug gelegt hat, um etwas zu erreichen.

Woher kommen deine überzogenen Ansprüche?

Ebenso wichtig ist es, zu hinterfragen, wie die eigenen Ansprüche überhaupt entstanden sind. Woher kommt der Glaube, dass du ein Anrecht auf bestimmte Dinge hast? Haben dir deine Eltern oder andere wichtige Bezugspersonen solche Denkweisen vermittelt? Oder denkst du insgeheim, dass du besser bist als andere, und deshalb positive Entwicklungen verdient hast? Je klarer du die Ursprünge deines Anspruchsdenkens erkennen kannst, desto eher kannst du diesen Persönlichkeitszug ausmerzen.

Lerne, dich in einer aktiven Rolle zu sehen, wenn du etwas erreichen möchtest. Du hast berufliche Ziele, zum Beispiel eine bestimmte Position? Dann setze dich dafür ein, arbeite hart, knüpfe Beziehungen oder bilde dich, wenn nötig, weiter. Das bringt dich wesentlich weiter als einfach nur zu erwarten, dass du für den ersehnten Posten auserwählt wirst. Wichtig ist auch, dass du lernst, negative Entwicklungen nicht persönlich zu nehmen, indem du sie als „ungerecht“ einstufst, obwohl dich niemand absichtlich ungerecht behandelt hat. Mit so einer Sichtweise machst du dir nur selbst das Leben schwer.

Bildnachweis: ESB Professional / Shutterstock.com

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