Arbeitsleben & BerufEisbergmodell: Wie verborgene Faktoren die Kommunikation beeinflussen

Eisbergmodell: Wie verborgene Faktoren die Kommunikation beeinflussen

Kommunikation ist nicht immer einfach. Selbst mit den besten Intentionen können sich Missverständnisse ergeben, es kann zu Konflikten oder Spannungen kommen. Das liegt auch an dem, was nicht explizit gesagt wird – Gefühle, Ansichten und Beziehungen beeinflussen das Miteinander. Eine Erklärung hierfür bietet das Eisbergmodell. Hier erfährst du, was dahintersteckt.

Das Eisbergmodell als Erklärung für Verhaltensweisen und ihre Hintergründe

Beim Eisbergmodell handelt es sich um ein bekanntes Kommunikationsmodell. Es liefert einen Erklärungsansatz dafür, wie Menschen miteinander kommunizieren und welche Faktoren dabei eine Rolle spielen. Das Eisbergmodell wird häufig mit dem Psychoanalytiker Sigmund Freud in Verbindung gebracht, dem es gemeinhin zugeschrieben wird. Freud hat dabei nicht das Modell an sich entwickelt, es geht aber auf seine Persönlichkeitstheorie zurück. Freud zufolge spielt das Unterbewusstsein eine große Rolle dabei, wie Menschen handeln. 

Von einem Eisberg sprach indes nicht Freud, sondern der amerikanische Autor Ernest Hemingway, der der Ansicht war, dass Leser nicht alles über Protagonisten wissen müssten. Wie bei einem Eisberg reiche es, dass ein kleiner Teil sichtbar wäre. Seither ist der Begriff Eisbergmodell geläufig. 

Das Eisbergmodell ist eine Metapher dafür, wie menschliche Kommunikation funktioniert. In ihrem Kern unterscheidet sie nach dem, was sichtbar und was unsichtbar ist. Sichtbar ist nach dem Eisbergmodell in der Kommunikation nur die Spitze des Eisbergs und damit ein geringer Teil dessen, was tatsächlich existiert. Der große unsichtbare Teil ist derjenige, der unter der Oberfläche liegt. 

In der Kommunikation ist die Spitze des Eisbergs das, was von außen sofort erkennbar ist. Also der sachliche, objektiv überprüfbare Inhalt einer Aussage. Unsichtbar sind hingegen eine ganze Reihe von Faktoren, die die Kommunikation beeinflussen können. Das kann zum Beispiel Gefühle, Werte, Ansichten, Erfahrungen oder Beziehungen betreffen. 
Das Eisbergmodell kann in verschiedenen Bereichen angewendet werden, um Kommunikation zu erklären und die Beweggründe von Menschen besser zu verstehen. In der Psychologie hat es ebenso seine Berechtigung wie in den Sozialwissenschaften und im unternehmerischen Kontext. So kann das Eisbergmodell zum Beispiel in Unternehmen bei der Personalführung oder zur Konfliktlösung genutzt werden.

Das Eisbergmodell einfach erklärt

Nach dem Eisbergmodell läuft Kommunikation auf verschiedenen Ebenen ab: Es gibt die Sach- und die Beziehungsebene. Die Sachebene ist dabei nur die Spitze des Eisbergs, die ungefähr zehn bis 20 Prozent der Informationen beinhaltet. Sie bezeichnet das, was jemand sagt oder tut. Darunter liegt mit etwa 80 bis 90 Prozent der weitaus größere Teil der Nachricht, der jedoch beim Empfänger meist nicht ankommt: die Beziehungsebene.

Während es auf der Sachebene um Informationen, Aussagen, Fakten und Daten geht, spielen auf der Beziehungsebene Gefühle, Erwartungen, Bedürfnisse, Wertvorstellungen und Ideale eine entscheidende Rolle. Die Beziehungsebene wird außerdem davon beeinflusst, in welcher Beziehung die kommunizierenden Personen miteinander stehen und welche Vorerfahrungen vorhanden sind.

Von außen sichtbar ist somit nach dem Eisbergmodell nur ein geringer Teil dessen, was sich auf eine Interaktion auswirkt. Was jemand eigentlich denkt, empfindet oder meint, ist hingegen verborgen. Der unsichtbare Teil beeinflusst maßgeblich, was auf der Sachebene zu beobachten ist. Das sorgt dafür, dass Kommunikation sehr vieldeutig sein kann – die korrekte Interpretation ist oft nicht so einfach. 

Zur Verdeutlichung sind hier einige Beispiele für das Eisbergmodell: 

  • Eine Frau war beim Friseur und trifft sich mit einer Freundin, die kommentierte: „Tolle Frisur!“. Das kann ernst, aber auch ironisch gemeint sein. Es kann sich auch um eine reine Höflichkeitsfloskel handeln.
  • Ein Kunde ruft beim Kundenservice an, um sich über eine Lieferung zu beschweren. Wenn er wütend wird, kann das daran liegen, dass er sich sehr über die Erfahrung ärgert – oder daran, dass er gerade einen Streit mit seiner Frau hatte.
  • Im Teammeeting reagiert ein Kollege genervt: „Könntest du mich jetzt mal bitte ausreden lassen?“ Ein solcher Satz könnte im Zusammenhang damit stehen, dass die Person von jemandem unterbrochen wird, der dazu neigt, andere nicht ausreden zu lassen. Oder damit, dass der Betreffende gestresst ist oder sich allgemein nicht gehört oder gesehen fühlt.

Was das Eisbergmodell für die Kommunikation mit anderen bedeutet

Kommunikation ist vielschichtig. Wie wir mit anderen kommunizieren und wie positiv wir Interaktionen bewerten, hängt von vielen Faktoren ab, die zum Teil für andere oder uns selbst im Verborgenen liegen. Welchen Effekt Kommunikation hat, hängt nicht nur vom sichtbaren Teil – der Spitze des Eisbergs – ab. Entscheidend ist das Zusammenspiel mit tiefer liegenden Faktoren wie Gefühlen, Meinungen, Ansichten oder Bedürfnissen. 

Das Eisbergmodell kann erklären, warum Kommunikation so schwierig, konfliktträchtig und frustrierend sein kann. Der sachliche Inhalt einer Aussage ist nur die Spitze des Eisbergs. Wie das Gesagte wirklich gemeint ist, lässt sich oft nicht ohne Weiteres deuten. Hinweise darauf können der Tonfall, die Körpersprache und das Verhalten einer Person geben. Das Gesagte für bare Münze zu nehmen, ist dagegen oft nicht zielführend.

Mit dem Eisbergmodell ist es möglich, Missverständnisse nachzuvollziehen und zu verhindern. Die Beweggründe und Gefühle, die unter der Oberfläche liegen, sind oft wichtige Faktoren, um Worte und Taten von anderen richtig zu deuten und sich optimal auf sie einzustellen. Das Eisbergmodell kann dabei hilfreich sein, um zugrundeliegende Faktoren aufzudecken – zum Beispiel durch genaues Beobachten oder gezieltes Nachfragen.

Das Konzept des Eisbergs ist eng mit emotionaler Intelligenz verknüpft. Emotionale Intelligenz gibt Menschen die nötigen Fähigkeiten an die Hand, um tieferliegende Emotionen, Bedürfnisse und Wünsche bei sich selbst und anderen aufzudecken und sich darauf einzustellen. 

Anwendungsmöglichkeiten des Eisbergmodells

Für das Eisbergmodell gibt es viele Einsatzmöglichkeiten. In unterschiedlichen Bereichen, Situationen und für verschiedene Ziele kann es eingesetzt werden, um tiefere Einblicke in die Beweggründe und Verhaltensweisen anderer zu gewinnen.

Personalführung

Das Eisbergmodell kann für Führungskräfte ein nützliches Tool sein, um Mitarbeiter besser zu verstehen, sich individuell auf sie einzustellen und sie optimal zu führen. Wer es anwendet, kann die Bedürfnisse von Beschäftigten besser nachvollziehen und sich davon in seinem Handeln leiten lassen. Es ist leichter möglich, Arbeitskräfte zu motivieren und zufriedenzustellen. Ebenso lassen sich mit dem Eisbergmodell Konflikte frühzeitig erkennen und entschärfen. Das kann zu besseren Beziehungen und Leistungen beitragen.

Verkauf und Vertrieb

Unternehmerischer Erfolg hängt maßgeblich davon ab, wie gut es Verantwortlichen gelingt, Kundenbedürfnisse zu antizipieren. Auch hierbei kann das Eisbergmodell hilfreich sein. Wer es nutzt, kann den Bedürfnissen von Kunden oder potenziellen Kunden auf den Grund gehen.

Konfliktlösung

Konflikte entstehen oft scheinbar aus dem Nichts. Bei genauerer Betrachtung stimmt das in der Regel nicht – sie haben immer eine Vorgeschichte und einen Hintergrund, der mit dem Eisbergmodell aufgedeckt werden kann. Wenn das Eisbergmodell zur Konfliktlösung genutzt wird, können die ursächlichen Faktoren besser wahrgenommen und berücksichtigt werden.

PR und Marketing

Erfolg bei PR und Marketing hängt nicht nur davon ab, Informationen in der gewünschten Form zu vermitteln. Entscheidend ist, Gefühle anzusprechen. Eine sorgfältige Zielgruppenanalyse mit dem Eisbergmodell kann dafür hilfreich sein: Welche Aspekte wirken sich auf der unsichtbaren Ebene aus? Wie können diese Erkenntnisse für ein erfolgreiches Marketing genutzt werden? 

Psychologie

In der Psychologie ist es entscheidend, die Hintergründe und Beweggründe von Menschen zu verstehen. Erfolg in einer Therapie zum Beispiel hängt oft maßgeblich davon ab, inwieweit es Patienten und Therapeuten gelingt, das Verborgene sichtbar zu machen. Psychologen können ihren Kunden dabei helfen, mehr über sich zu erfahren, was für den Therapieerfolg entscheidend ist. Ein guter Therapeut analysiert zugleich seinerseits Faktoren wie Körpersprache und Tonfall, um zu überprüfen, ob das Gesagte zum Gesamteindruck passt.

Karriere und persönliche Entwicklung

Das Eisbergmodell kann auch auf dem Berufsweg eine wichtige Rolle spielen. Zum Beispiel, um die Kommunikation mit anderen zu verbessern. Je besser es gelingt, sich auf andere einzustellen, desto gewinnbringender ist der Austausch. Zugleich werden Missverständnisse und Konflikte unwahrscheinlicher, die für die Karriere hinderlich sein können. Sich selbst auf allen Ebenen gut zu kennen hilft zudem, sich persönlich so zu entwickeln, wie es für die eigenen beruflichen Ziele essenziell ist. 

Unternehmenskultur

Das Eisbergmodell hilft, die Unternehmenskultur zu verstehen und gezielt zu steuern. Welche Kultur in einem Unternehmen herrscht, hängt von sichtbaren und unsichtbaren Faktoren ab. Sichtbar sind zum Beispiel allgemeine Regeln, Hierarchien und Leitbilder. Unsichtbar sind hingegen gemeinsame Werte, Beziehungen, Dynamiken, Traditionen und Netzwerke. Eine stimmige Unternehmenskultur hängt davon ab, ob beide Ebenen miteinander im Einklang stehen.

Wie du deine Kommunikation mit dem Eisbergmodell verbessern kannst

Es kann lohnenswert sein, mit dem Eisbergmodell an der eigenen Kommunikation zu arbeiten. Wer es schafft, nicht nur das offen Sichtbare zu berücksichtigen, sondern auch Verborgenes ans Licht zu bringen, kann davon profitieren. Um das Eisbergmodell für eine bessere Kommunikation zu nutzen, ist Aufmerksamkeit essenziell. Entscheidend ist, genau hinzuhören und zu beobachten: Was sagt jemand? Wie sagt er es? Was drückt seine Mimik aus, was seine Gestik? Aktives Zuhören bedeutet, nach Möglichkeit die gesamte Botschaft zu erfassen.

Empathie ist ein wichtiger Faktor, um das Eisbergmodell erfolgreich anzuwenden. Sie hilft dabei, sich in eine andere Person hineinzuversetzen, um deren Perspektive besser zu verstehen. Dazu gehört auch, ehrliches Interesse zu signalisieren, den anderen ausreden zu lassen, Blickkontakt zu halten und mit kleinen Gesten wie Nicken zu verdeutlichen, dass man aufmerksam zuhört. 

Um zu überprüfen, ob man eine Nachricht richtig versteht, kann Spiegeln ein nützlicher Ansatz sein. Dabei fasst du in deinen Worten zusammen, wie etwas bei dir ankommt. Etwa so: „Wenn ich dich richtig verstehe, wäre es dir am liebsten, wenn ich die Organisation übernehme und du dich um die Absprachen mit XY kümmerst?“. So können Missverständnisse vermieden werden.

Nachfragen statt voreilige Schlüsse ziehen

Offene Fragen können dabei helfen, mehr über die verborgenen Beweggründe von anderen zu erfahren. Dabei ist es wichtig, lieber öfter nachzufragen als eigene Schlüsse zu ziehen, die womöglich falsch sind. Du könntest zum Beispiel Fragen stellen wie: 

  • „Was löst es in dir aus, wenn …?“
  • „Wie geht es dir?“
  • „Was wäre dir besonders wichtig?“

Um mit dem Eisbergmodell die Kommunikation zu verbessern, ist es wichtig, den Fokus nicht nur auf andere zu richten. So wichtig, wie andere zu verstehen, ist es, dich selbst zu kennen. Dazu richtest du die Aufmerksamkeit auf dich selbst, indem du dein Verhalten und deine Worte hinterfragst. Dazu kannst du zurückliegende Situationen analysieren: Warum hast du dich so verhalten, wie du dich verhalten hast? Was hat dich dazu veranlasst, das zu sagen? Stimmen deine Worte mit dem überein, was du fühlst? Wenn du Selbstreflexion zu einer regelmäßigen Praxis machst, lernst du dich mit der Zeit immer besser kennen.

Kritik am Eisbergmodell

Das Eisbergmodell ist nützlich, um die Hintergründe von Interaktionen zu erklären. Trotzdem gibt es auch Kritik daran:

  • Das Eisbergmodell ist ein vergleichsweise simples Modell, das komplexe Vorgänge auf zwei Ebenen reduziert. Dabei können wichtige Aspekte außen vor bleiben, etwa kulturelle Hintergründe und soziale Kontexte.
  • Das Modell setzt eine Interpretation von verborgenen Faktoren bei sich und anderen voraus. Die damit verbundene subjektive Herangehensweise kann jedoch fehleranfällig sein und zu falschen Schlüssen führen. Vermutungen können Konflikte verschärfen und die Kommunikation erschweren.
  • Beim Eisbergmodell handelt es sich um eine Metapher und nicht um eine wissenschaftlich fundierte Theorie. Der Erklärungsansatz basiert nicht auf Erkenntnissen, die durch Studien und Versuche gewonnen wurden.
  • Manche Kritiker des Modells bemängeln einen übermäßigen Fokus auf die Beziehungsebene – den unsichtbaren Teil unter der Oberfläche. Sie argumentieren, dass die sichtbare Ebene wichtiger ist, als das Eisbergmodell vermuten lässt.

Kommunikation besser verstehen mit dem Eisbergmodell

  • Als Metapher kann das Eisbergmodell hilfreich sein, um menschliche Kommunikation besser zu verstehen. Es kann für positivere Interaktionen sorgen und helfen, Missverständnisse zu vermeiden.
  • Dem Modell liegt die Annahme zugrunde, dass Kommunikation auf zwei Ebenen abläuft: auf der Sachebene, die nach außen sichtbar ist, und der darunterliegenden Beziehungsebene, die verborgen ist.
  • Die Sachebene umfasst, was jemand offenkundig sagt und tut. Sie ist jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Der darunter liegende, weitaus größere Teil des Eisbergs umfasst unter anderem Gefühle, Erwartungen, Bedürfnisse und Wertvorstellungen.
  • Das Eisbergmodell kann in vielen Situationen im Job und Privatleben genutzt werden, um die Kommunikation mit anderen zu optimieren.
  • Das Konzept basiert auf einer vereinfachten Darstellung von Kommunikation und den Faktoren, die sie beeinflussen. Dadurch ist es nicht in allen Situationen hilfreich. Es ist wichtig, sich der Grenzen des Modells bewusst zu sein.

Bildnachweis: Shutterstock.com

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