Wie steht es um das Vermögen des Unternehmens? Und wie um seine Schulden? Unternehmen sind gesetzlich dazu verpflichtet, regelmäßig eine Bestandsaufnahme in Form einer Inventur zu machen. Das mögen viele als lästige Pflicht empfinden, es ist aber wichtig, um den Wert einer Firma besser einschätzen zu können. Wie eine Inventur durchgeführt wird, welche Varianten es gibt und wie der Ablauf optimiert werden kann – darum geht es hier.
Inventur: Grundlagen und Bedeutung
Bei einer Inventur geht es darum, sämtliche Bestände eines Unternehmens zu ermitteln. Das umfasst einerseits das Vermögen einer Firma, auf der anderen Seite aber auch seine gegenwärtigen Schulden. Beides – Vermögenswerte und Schulden – werden in einer Liste verzeichnet, um den Ist-Bestand festzuhalten. Die Inventur ist damit die Bestandsaufnahme aller Vermögensgegenstände und Schulden.
Die Detail-Aufstellung aller Vermögensbestände und Schulden wird als Inventar bezeichnet. Sie ist das Ergebnis der Inventur, bei der diese Posten durch verschiedene Instrumente ermittelt werden. Das kann etwa durch Zählen, Wiegen oder Messen geschehen. Schätzungen sind ebenfalls möglich, wenn es keine genauere Möglichkeit gibt, den entsprechenden Posten zu ermitteln.
Viele Verantwortlichen empfinden die Inventur als lästig, sie erfüllt aber wichtige Funktionen. Sie markiert die Grundlage des Jahresabschlusses, für den die entsprechenden Werte bekannt sein müssen. Ebenso fällt durch die Inventur auf, wenn die bisherige Erfassung nicht korrekt war. Zudem kann damit die Lagerbuchführung korrigiert werden. Die Inventur dient der Selbstkontrolle und schützt die Gläubiger.
Eine Inventur muss ordnungsgemäß durchgeführt werden. Das ist der Fall, wenn die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) beachtet werden. Demnach muss eine Inventur vollständig, korrekt, klar und nachprüfbar sein. Der Grundsatz der Wesentlichkeit besagt, dass Gegenstände im Anlagevermögen, deren Wert 60 Euro nicht überschreitet, keinen Eingang in die Inventurliste finden müssen. Es ist eine Einzelerfassung aller Vermögensgegenstände und Schulden vorgesehen, und die Inventur muss rechtzeitig – meist zu einem bestimmten Stichtag – durchgeführt werden. Meist ist das zum Jahresabschluss der Fall, es kommt aber auf die konkrete Variante der Inventur an.
Wer muss eine Inventur machen – und wann?
Für die Mehrzahl der Unternehmen ist eine regelmäßige Inventur Pflicht. Betroffen sind bilanzierungspflichtige Unternehmen und Kaufleute. Für kleinere Firmen, die keine Bilanzen erstellen müssen, sondern bei denen eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung ausreichend ist, besteht keine Pflicht zur Inventur. Ebenfalls ausgenommen von der Inventurpflicht sind Freiberufler, Gewerbetreibende ohne Eintrag im Handelsregister, Wissenschaftler, Künstler sowie die meisten Land- und Forstwirte.
Von der Inventurpflicht befreit sind zudem nach §§ 241a und 242 Handelsgesetzbuch (HGB) Einzelkaufleute, die an den Bilanzstichtagen in zwei aufeinanderfolgenden Jahren nicht mehr als 600.000 Euro Umsatz und nicht mehr als 60.000 Euro Gewinn gemacht haben.
Das Handelsgesetzbuch legt fest, in welchen Intervallen eine Inventur durchgeführt werden muss. Üblich ist nicht nur eine jährliche Inventur zum Jahresabschluss, sondern auch eine Inventur bei der Gründung des Unternehmens. Ebenso kann eine Inventur notwendig sein, wenn sich etwas bei der Geschäftsführung einer Firma ändert oder wenn Gesellschafter wechseln.
Unternehmen führen die jährliche Inventur in der Regel zum Stichtag des Jahresabschlusses durch, was meist den 31. Dezember betrifft. Es ist allerdings gesetzlich nicht zwingend erforderlich, alle Vermögensgegenstände an diesem Stichtag zu zählen. Daher gilt: Die Bestandsaufnahme kann bis zu zehn Tage vor oder nach dem Bilanzstichtag gemacht werden. Findet die Inventur nicht am Stichtag statt, muss jedoch dokumentiert werden, welche Veränderungen sich bis zum Stichtag ergeben oder seit dem Stichtag ergeben haben. Damit ist der Aufwand für Firmen größer, je weiter die Inventur vom Stichtag entfernt liegt.
Verschiedene Arten der Inventur
Es gibt verschiedene Inventurarten: die Stichtagsinventur, die permanente Inventur, die Stichprobeninventur und die verlegte Stichtagsinventur. Sie unterscheiden sich hinsichtlich des Zeitpunkts, zu dem sie durchgeführt werden. Die Stichtagsinventur stellt dabei den Regelfall dar, während die Stichprobeninventur, die permanente Inventur und die verlegte Inventur als Inventurvereinfachungsverfahren gelten.
Stichtagsinventur
Die Stichtagsinventur markiert den Regelfall bei der Inventur. Sie findet zum Ende eines Geschäftsjahres statt – oft am 31. Dezember, wobei das Ende des Geschäftsjahres nicht mit dem Ende des Kalenderjahres übereinstimmen muss. Am Stichtag werden alle Waren, Vermögensgegenstände und Schulden präzise erfasst. Das Ergebnis der Stichtags-Inventur dient als Grundlage für die Erstellung der Bilanz.
Stichprobeninventur
Bei einer Stichprobeninventur wird, wie die Bezeichnung schon nahelegt, keine vollständige Inventur durchgeführt. Das heißt, dass nicht jeder Vermögensgegenstand gezählt wird, sondern in jeder Warengruppe nur ein Teil des Inventars – eine repräsentative Stichprobe. Mithilfe einer Hochrechnung nach mathematisch-statistischen Verfahren wird aus diesen Stichproben der übrige Bestand ermittelt. Für leicht verderbliche Güter und sehr teure Vermögensgegenstände kommt diese Art der Bestandsaufnahme nicht infrage.
Unternehmen können sich nicht in Eigenregie für eine Stichprobeninventur statt Vollinventur entscheiden. Sie brauchen vielmehr eine Genehmigung vom Finanzamt. Diese Genehmigung wird nur erteilt, wenn eine vollständige Inventur wirtschaftlich nicht zumutbar ist. In der Praxis kommt diese Inventurart deshalb nur für sehr große Unternehmen infrage.
Permanente Inventur
Statt an einem Stichtag in einer aufwändigen Zählung den gesamten Bestand zu erfassen, wird eine permanente Inventur laufend während des gesamten Geschäftsjahres durchgeführt. Die verschiedenen Warengruppen werden dabei nach und nach gezählt. Die Voraussetzung für eine permanente Inventur ist, dass an einem festen Tag im Jahr eine körperliche Bestandsaufnahme der Waren und Vermögensgegenstände erfolgt.
Wenn der Bilanzstichtag gekommen ist, kann die Lagerbuchführung herangezogen werden.
Der Vorteil einer permanenten Inventur ist, dass diese Inventurvariante besonders flexibel ist und für weniger Unterbrechungen im Betriebsablauf sorgt, weil sie nebenher in Etappen erledigt werden kann. Auch hier gilt jedoch, dass das Verfahren für besonders teure Vermögensgegenstände oder verderbliche Waren nicht genutzt werden darf.
Verlegte Stichtagsinventur
Nicht immer ist eine Inventur unmittelbar am Stichtag möglich. Die Stichtags-Inventur kann dann in einem gewissen Rahmen nach vorne oder hinten verlegt werden – im Rahmen einer verlegten Stichtagsinventur, auch bekannt als vor- oder nachverlegte Stichtagsinventur. Das kann zum Beispiel bei großen Beständen notwendig sein. Eine verlegte Stichtagsinventur kann bis zu drei Monate vor dem Bilanzstichtag und bis zu zwei Monate danach erfolgen. Diese Inventurart muss beim Finanzamt beantragt werden.
Inventurliste erstellen: Welche Möglichkeiten gibt es?
Bei einer Inventur werden alle Waren, Vermögensgegenstände und Schulden in einer Inventurliste verzeichnet. Dort werden die Ergebnisse der Zählung, Messung oder Schätzung eingetragen. Sie gibt damit detaillierten Aufschluss über das gesamte Inventar eines Unternehmens.
Eine Inventurliste enthält verschiedene Angaben zu den darin verzeichneten Posten. Der jeweilige Posten wird genau bezeichnet, damit er nicht verwechselt werden kann, gegebenenfalls ergänzt um eine Artikelnummer, soweit vorhanden. Notiert werden außerdem Mengen, Maßeinheiten, Wert und Lagerort.
Es gibt verschiedene Methoden, eine Inventurliste anzulegen und zu führen. Es ist theoretisch möglich, das eigene Inventar in einer vergleichsweise simplen Excel-Tabelle festzuhalten. Je größer das Unternehmen und je umfangreicher das Inventar, desto weniger praktikabel ist diese Variante. Eine professionelle Inventur-Software ist dann in der Regel die bessere Lösung. Digitale Inventur-System helfen bei der Erfassung der Lagerbestände und sind nützlich für die Ressourcenplanung des Unternehmens.
Verschiedene Inventurverfahren
Wenn eine Inventur ansteht, kommen dafür drei verschiedene Inventurverfahren infrage. Unterschieden werden die körperliche Inventur, die Buchinventur und die Anlageninventur. Hier erfährst du, was die Verfahren auszeichnet und worin sie sich unterscheiden.
Körperliche Inventur
Das wohl bekannteste Inventurverfahren ist die körperliche Inventur, bei der alle materiellen Waren ermittelt werden. Dazu stehen vier Optionen zur Verfügung: Die Güter können gezählt, gemessen, gewogen oder geschätzt werden.
Das Zählen erfolgt händisch Stück für Stück, während Messen infrage kommt, wenn eine Zählung nicht sinnvoll ist – etwa bei Meterware. Was nach Gewicht verkauft wird, muss bei der Bestandsaufnahme gewogen werden. Schätzungen kommen in Betracht, wenn genauere Inventurmethoden nicht angewendet werden können. Das ist denkbar, wenn eine exaktere Ermittlung des Bestands nicht zumutbar oder möglich ist.
Buchinventur
Die Buchinventur bietet sich zur Bestandsaufnahme von nicht materiellen Vermögens- und Schuldenwerten an, die nicht gezählt werden können. Das kann zum Beispiel Forderungen und Verbindlichkeiten betreffen, aber auch Kassenbestände und Guthaben auf Konten. Über Aufzeichnungen und Belege der Buchhaltung ist es möglich, die Bestände bei der Inventur aufzunehmen.
Anlageninventur
Um Güter des beweglichen Anlagevermögens geht es bei einer Anlageninventur. Dazu zählen etwa Maschinen, Fahrzeuge sowie die Betriebs- und Geschäftsausstattung. Zur Erfassung solcher Güter wird ein Anlagenverzeichnis geführt. Darin sind bestimmte Informationen zu den unterschiedlichen Gegenständen vermerkt, darunter eine konkrete Bezeichnung, das Anschaffungsdatum, die Kosten für die Anschaffung, der Bilanzwert, die Nutzungsdauer, die jährliche Abschreibung und, bei Abgängen, das Datum des Abgangs.
Souverän mit Herausforderungen bei der Inventur umgehen
Nicht nur, dass eine Inventur viel Zeit kostet und deshalb in vielen Unternehmen als lästige Pflicht betrachtet wird. Es können sich dabei auch Herausforderungen und Probleme ergeben, die den reibungslosen Ablauf der Bestandsaufnahme gefährden. Umso wichtiger ist es, auf bestimmte Hindernisse eingestellt zu sein und zu wissen, wie man damit souverän umgehen kann.
Ein typisches Problem bei einer Inventur sind Inventurdifferenzen. Es ist völlig normal, bei einer Bestandsaufnahme festzustellen, dass der Ist-Bestand nicht mit dem Soll-Bestand übereinstimmt. Dafür kann es viele Gründe geben, darunter fehlerhafte Buchungen, falsche Zuordnungen von Gegenständen, Schäden, Verderb oder Schwund durch Diebstahl. Es kann aber auch sein, dass sich auf menschlicher Ebene bei der Inventur Fehler ergeben, zum Beispiel beim Ausfüllen der Inventurlisten.
Eine mangelhafte Inventur kann zu Lieferverzögerungen führen, wenn Lagerbestände falsch verzeichnet sind. Stimmt der Ist-Bestand mit dem Soll-Bestand nicht überein, entsteht schnell Chaos im Lager – zum Beispiel, weil sich daraus Platzprobleme ergeben oder die Nachfrage der Kunden nicht ausreichend bedient werden kann. Das kann hohe Folgekosten verursachen. Durch Diskrepanzen bei den verzeichneten Posten und Mengen kann es auch passieren, dass die Bilanz verzerrt wird.
Damit die Inventur möglichst reibungslos ablaufen kann, ist es wichtig, dass die Bestandsaufnahme sorgfältig geplant wird. Die daran beteiligten Mitarbeiter müssen das nötige Wissen und die nötigen Instrumente besitzen, um den Bestand des Unternehmens korrekt ermitteln zu können. Ebenso wichtig ist, dass Unternehmen eine passende Software nutzen, die benutzerfreundlich gestaltet ist. Es kann sinnvoll sein, einen professionellen Inventurdienstleister mit der Bestandsaufnahme zu beauftragen. So können sich die eigenen Mitarbeiter wie gehabt dem Tagesgeschäft widmen und Verantwortliche in Unternehmen haben die Gewissheit, dass die wichtige Aufgabe akribisch und zuverlässig durchgeführt wird.
Tipps für eine reibungslose Inventur
Damit die Inventur möglichst reibungslos vonstatten gehen kann, ist eine sorgfältige Planung unerlässlich. Es fängt schon mit der Wahl des Zeitpunkts für die Bestandsaufnahme an. Leere Lager oder eine mäßige Auftragslage sind am besten mit einer Inventur zu vereinbaren. Bei einer Inventur im Einzelhandel ist zum Beispiel die Zeit nach Weihnachten beliebt für Inventuren, weil der Stress des Weihnachtsgeschäfts vorbei ist und viele Produkte verkauft wurden.
Es ist nahezu unmöglich, eine Inventur durchzuführen, ohne den laufenden Betrieb zu unterbrechen oder ein Geschäft für den Publikumsverkehr zu schließen. Eine Ausnahme stellt eine permanente Inventur dar. Ansonsten aber ist es meist die beste Lösung, die Geschäftsaktivitäten für die Inventur vorübergehend zu unterbrechen. Meist werden ein bis zwei Tage für eine Inventur angesetzt. Den Zeitaufwand sollten Verantwortliche realistisch planen, wobei es besser ist, Puffer zu haben. Bei einer Bestandsaufnahme kommt es auf sorgfältige Arbeit an – Zeitdruck wäre da kontraproduktiv.
Gut geplant werden muss auch, welche Mitarbeiter mit der Inventur betraut werden. Viele Unternehmen entscheiden sich dazu, zusätzliche Aushilfen für die Bestandsaufnahme einzustellen. Das verursacht zwar Kosten, aber die Inventur kann dadurch schneller erledigt werden. Aushilfen, die sonst nicht in der Firma arbeiten, bieten noch einen Vorteil: Sie sind nicht betriebsblind. Für eine Inventur ist es oft sinnvoll, Beschäftigte in Zweierteams arbeiten zu lassen. Einer kann zählen, während der andere die Daten notiert. So geht es einfacher und schneller, außerdem werden Fehler unwahrscheinlicher.
Die Voraussetzungen für eine zügige Bestandsaufnahme schaffen
Es sollte klar kommuniziert werden, welche Mitarbeiter wofür zuständig und verantwortlich sind. Ebenso klar muss sein, wer die Inventurleitung innehat, wer den Ablauf koordiniert und den Zeitplan im Blick behält. Die Mitarbeiter müssen wissen, an wen sie sich bei Fragen oder Problemen wenden können.
Es ist für eine schnelle und reibungslose Inventur wichtig, dass die Voraussetzungen stimmen. Das kann zum Beispiel bedeuten, im Vorfeld das Lager und Arbeitsplätze in Ordnung zu bringen. Müssen die Beschäftigten erstmal aufräumen, dauert die Bestandsaufnahme nicht nur unnötig lange, sie ist auch beschwerlicher. Ebenso müssen sämtliche Waren und Güter richtig gekennzeichnet sein, damit sie eindeutig zugeordnet und verzeichnet werden können.
In manchen Fällen macht es Sinn, die Inventur an einen professionellen Dienstleister auszulagern. Verantwortliche im Unternehmen müssen sich dann um nichts mehr kümmern – der Anbieter bringt das nötige Equipment mit und stellt die Manpower. Die Inventur outzusourcen bietet außerdem den Vorteil, dass sich Experten darum kümmern – das kann das Ergebnis verbessern.
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