AllgemeinGruppendynamik: Prozesse und Phasen zum Vorteil fürs Team

Gruppendynamik: Prozesse und Phasen zum Vorteil fürs Team

Überall dort, wo Menschen engen Kontakt miteinander haben, weil sie zur selben Gruppe gehören, entstehen Gruppendynamiken. Das gilt für das berufliche Umfeld ebenso wie für private Verflechtungen. Wie genau entsteht eine Gruppendynamik? Welche Auswirkungen kann das auf die Teamperformance haben? Und: Kann man gruppendynamische Prozesse gezielt beeinflussen, damit eine positive Gruppendynamik entsteht? In diesem Beitrag erfährst du mehr.

Gruppendynamik: Definition des Begriffs

Was genau ist eine Gruppendynamik? Der Duden liefert die folgende Definition des Begriffs: „Zusammenwirken, wechselseitige Beeinflussung der Mitglieder einer Gruppe; Verhalten des Einzelnen zur Gruppe [beziehungsweise] Zusammenhänge zwischen mehreren Gruppen“. Im privaten Bereich bilden Menschen oft freiwillig Gruppen, zum Beispiel gehören sie zu einer Clique von guten Freunden. Oder sie treten einer Gemeinschaft bei, weil sie ein bestimmtes Hobby haben. Sie werden beispielsweise Mitglied im Tennisverein oder Schützenverein.

Im beruflichen Kontext können sich Menschen in der Regel nicht aussuchen, zu welcher Gruppe sie gehören. Teams zum Beispiel stellt der Arbeitgeber beziehungsweise die verantwortliche Führungskraft zusammen. Im Job haben Gruppen immer einen spezifischen Zweck – es geht darum, bestimmte Aufgaben zu erfüllen, Projekte umzusetzen, Ziele zu erreichen. Egal, ob beruflich oder privat: Wenn Menschen ein Teil einer Gruppe sind und mit anderen in dieser Gruppe interagieren, bilden sich automatisch bestimmte Rollen und Gruppenstrukturen heraus. In einer Gruppe können sich durch Gruppendynamik Rollen wie die folgenden herausbilden:

  • Anführer
  • Organisator
  • Mitläufer
  • Experte
  • Vermittler
  • Lenker
  • Ideengeber
  • Überwacher
  • Umsetzer
  • Außenseiter

Gemeinsame Werte und Verhaltensnormen

Dabei bildet sich häufig eine gewisse Hierarchie heraus. Ebenso kann es zu Subgruppierungen innerhalb der Gruppe kommen, wenn sich Gleichgesinnte besonders nahestehen. Oder es kommt zu Widerstand zwischen bestimmten Gruppenmitgliedern, der subtil oder offen gezeigt werden kann. Das kann den Nährboden für Konflikte in der Gruppe bereiten.

Gruppendynamik führt auch zur Festlegung bestimmter impliziter oder expliziter Verhaltensnormen, Werte und Standards für die Gruppe. Durch gruppendynamische Prozesse ist eine Gruppe immer mehr als die Summe ihrer Teile: Sie kann als Ganzes andere Eigenschaften entwickeln, als es der Gesamtheit ihrer Mitglieder entspricht. Nur ein Bruchteil der Gefühle, Werte und Verhaltensweisen der einzelnen Gruppenmitglieder werden von der Gruppe übernommen. Sie können durch zusätzliche Eigenschaften, die für die Gruppe als Gesamtheit charakteristisch sind, ergänzt werden.

Gruppendynamische Prozesse: In diesen Phasen laufen sie ab

Wie entsteht Gruppendynamik? Ein Modell, das sich mit den typischen Gruppendynamik-Phasen befasst, ist das Phasenmodell nach Tuckman. Es existiert schon seit dem Jahr 1965 und geht auf den US-amerikanischen Psychologen Bruce Tuckman zurück. Das Modell ist auch als Teamuhr bekannt, weil sich das Team dabei stetig zur nächsten Phase fortbewegt – wie der Zeiger einer Uhr, der stoisch voranschreitet. Tuckman unterschied vier Phasen, in denen sich Gruppen entwickeln: Forming, Storming, Norming und Performing. Schauen wir uns genauer an, was diese unterschiedlichen Gruppenentwicklungs-Phasen bedeuten:

  • Forming: Nachdem die Gruppe gegründet wurde, lernen sich die Beteiligten näher kennen. Sie müssen erst herausfinden, wie genau ihre Rollen in der Gruppe aussehen beziehungsweise aussehen sollten.
  • Storming: In der nächsten Phase werden Positionen und Rollen ausgehandelt. Es kann zu Machtkämpfen und Konflikten kommen. In dieser Phase kristallisieren sich die Ziele der Gruppe stärker heraus und die Gruppenmitglieder stellen sich langsam aufeinander ein.
  • Norming: Die Beteiligten treffen gemeinsame Abmachungen, die implizit oder explizit getroffen werden können. Gemeinsame Standards, Werte und Verhaltensnormen werden herausgearbeitet, Rangordnungen und Rollen werden geklärt. Der Zusammenhalt in der Gruppe verstärkt sich.
  • Performing: Wenn die Grundlagen der Zusammenarbeit geklärt und ausgehandelt sind, kann sich die Gruppe auf ihren eigentlichen Zweck konzentrieren: Die Beteiligten arbeiten zusammen auf gemeinsame Ziele hin.

Das Eisbergmodell als Erklärung für Kommunikation und Konflikte

Später erweiterte Tuckman sein Modell um eine fünfte Phase, die Auflösungsphase („Adjourning“). Sie ist erreicht, wenn sich die Gruppe auflöst, und beschreibt die Bedingungen, unter denen das geschieht. Tuckmans Phasenmodell ist so zu verstehen, dass jede Phase auf den vorherigen Phasen aufbaut. Die Gruppe kann etwa nicht einfach von Forming zu Norming gehen und dabei Storming überspringen. Sie muss auch nicht die letzte Ebene erreichen, und es sind Rückschritte denkbar, wenn zum Beispiel Konflikte, die schon geklärt waren, neu aufbrechen.

Ein weiteres psychologisches Modell zur Erklärung von Gruppendynamiken und Gruppenverhalten ist das Eisbergmodell. Die Gruppe ist dabei in verschiedene Ebenen unterteilt: Oben ist das, was sichtbar ist – die Sachebene. Sie umfasst den Auftrag, die Ziele und Ressourcen, aber auch das, was gesagt wird. Darunter, unsichtbar, liegt die Beziehungsebene. Sie umfasst Gruppendynamiken, Strukturkonflikte, Konflikte um Werte, Wünsche, Gefühle und Bedürfnisse. Die Beziehungsebene ist wesentlich größer; sie macht nach der Analogie des Eisbergs rund 80 Prozent des Gesamten aus. Dieser unsichtbare Teil beeinflusst die unbewusste Kommunikation der Teammitglieder; er wirkt sich auf die Gruppendynamik und letztlich auf den Erfolg des Gruppenvorhabens aus.

Wenn es gut läuft: Positive Gruppendynamik und ihre Auswirkungen

Wenn Gruppen im beruflichen Kontext gegründet werden, sollen sie eine bestimmte Funktion erfüllen. Die Gruppe arbeitet zum Beispiel innerhalb einer Abteilung dauerhaft für bestimmte Aufgaben enger zusammen oder soll ein gemeinsames Projekt bewerkstelligen. Die Gruppendynamik, die sich nach der Gründung entwickelt, bestimmt anschließend darüber, wie gut es mit der Zusammenarbeit läuft. Im besten Fall entsteht eine positive Gruppendynamik, die alle Beteiligten voranbringt.

Eine positive Gruppendynamik wirkt sich förderlich auf die Teamperformance aus. Die Beteiligten verheddern sich nicht in Konflikten, sondern können sich dank einer reibungslosen Zusammenarbeit auf das Wesentliche konzentrieren: ihre jeweilige Aufgabe in der Gruppe. Die Beteiligten arbeiten dann effizient zusammen, ergänzen sich in ihren Kompetenzen und Ideen und unterstützen sich gegenseitig. Unter diesen Voraussetzungen sind die Leistungen der Beteiligten wahrscheinlich gut, die Mitarbeiter sind engagierter und liefern ein besseres Ergebnis. Weil sich alle miteinander verstehen und ein grundlegender Zusammenhalt gegeben ist, ist die Zusammenarbeit außerdem angenehmer und kann mehr Spaß machen – das motiviert.

Entsteht eine positive Gruppendynamik, ist das für alle Beteiligten vorteilhaft. Die Gruppenmitglieder erreichen ihre Ziele schneller und besser. Und für den Arbeitgeber bedeutet eine erfolgreiche Kooperation von Teams eine höhere Produktivität, die sich merklich auf den Erfolg des Unternehmens auswirken kann.

Wenn es Probleme gibt: Negative Gruppendynamiken

In der Realität läuft es allerdings nicht immer so gut wie gerade beschrieben. Positive Gruppendynamiken sind immer wünschenswert, aber nicht immer die Realität. Durch die personelle Zusammensetzung der Gruppe, die Rahmenbedingungen oder äußere Umstände kann sich auch eine negative Gruppendynamik entwickeln.

Das kann dann zum Beispiel so aussehen, dass sich die Beteiligten gegenseitig hemmen. Es gibt womöglich Konflikte, die unterschwellig schwelen oder offen ausgetragen werden. Vielleicht reden einzelne Beteiligte nicht mehr miteinander oder es haben sich Sub-Grüppchen gebildet, die jeweils ihr eigenes Ding machen. Dabei kann eine „Wir-gegen-die“-Haltung entstehen, die den Erfolg der Gruppe weiter torpediert.

Arbeiten die Teammitglieder aktiv gegeneinander, ist das für alle ein Ärgernis. Für die beteiligten Mitarbeiter ist es womöglich nicht angenehm, wenn sie in der Gruppe zusammenarbeiten müssen. Sie sind weniger motiviert, haben vielleicht schlechte Laune oder Stress. Davon hat auch der Arbeitgeber nichts, denn eine solche Gruppe wird sehr wahrscheinlich keine guten Leistungen erbringen. Stattdessen kostet die Teamarbeit Zeit und Ressourcen, die anderweitig besser verwendet wären.

Gruppendruck kann zu schlechteren Ergebnissen führen

Ein Problem ist auch Gruppendruck, der oft automatisch entsteht. Die Gruppe kann sich dadurch in Richtungen verirren, die nicht zielführend sind, und sich auf Ideen versteifen, die sie nicht weiterbringen. Groupthink (auch Gruppendenken) bezeichnet das Phänomen, dass sich die Mitglieder einer Gruppe der wahrgenommenen Mehrheitsmeinung anpassen. Nicht jeder Beteiligte muss dabei voll hinter dieser Meinung stehen, aber abweichende Meinungen werden in der Folge seltener geäußert, weil der Konformitätsdruck so hoch ist. Wozu das führen kann, macht ein bekanntes Gruppendynamik-Beispiel deutlich: das Konformitätsexperiment des polnisch-amerikanischen Psychologen Solomon Asch.

Asch zeigte in einem Experiment in den 1950er Jahren, wie sehr sich Menschen von der Meinung anderer beeinflussen lassen. Sechs Probanden, von denen in Wahrheit nur einer ein echter Proband war, sollten nacheinander laut sagen, welcher von drei Strichen einem Referenz-Strich in der Länge entsprach. Die eingeweihten Versuchsteilnehmer gaben bei einigen Durchgängen eine offensichtlich falsche Antwort. Was taten die echten Probanden? Erstaunlicherweise schlossen sie sich in mehr als einem Drittel der Fälle der Mehrheitsmeinung an, auch wenn sie offensichtlich inkorrekt war.

Einzeln könnten die Beteiligten manchmal mehr schaffen

Eine negative Gruppendynamik kann auch dazu führen, dass es einzelne Mitglieder der Gruppe gibt, die anderen die Arbeit überlassen. Trittbrettfahrer ruhen sich aus, während die anderen ackern. Das bedeutet mehr Arbeit für die übrigen Gruppenmitglieder und kann für Unmut bei denjenigen sorgen, die viel zu tun haben.

Unabhängig davon, warum sich eine negative Gruppendynamik entwickelt hat, kann sie mit verschiedenen unerwünschten Folgen einhergehen. Die Gruppe wird sich wahrscheinlich schwertun, ihre Ziele zu erreichen. Kreative Ansätze können durch Gruppendruck unterdrückt werden. Es wird zudem wahrscheinlicher, dass Konflikte auftreten, die die Beteiligten unnötig aufhalten und sie Energie kosten. Schlimmstenfalls bringt die Zusammenarbeit in der Gruppe wenig, obwohl sie viele personelle Ressourcen bindet. Es kann unter diesen Umständen gut sein, dass die Beteiligten bessere Ergebnisse erzielt hätten, wenn sie jeweils für sich alleine gearbeitet hätten. 

Wie kann man die Gruppendynamik positiv beeinflussen?

Teamarbeit kann alle Beteiligten voranbringen – allerdings nur, wenn die Gruppendynamik stimmt. Deshalb ist es wichtig, die Gruppendynamik nach Möglichkeit positiv zu beeinflussen. Das ist in erster Linie die Aufgabe der verantwortlichen Führungskraft, die das Ganze bewusst steuern sollte. Dabei wird der Grundstein für eine gute Gruppendynamik nicht erst gelegt, wenn die Gruppe zum ersten Mal zusammentritt. Es kommt auch maßgeblich darauf an, wie die Gruppe personell zusammengesetzt wird.

Manche Führungskräfte machen hierbei Fehler. Sie wählen Beteiligte aus, die sich sehr ähnlich sind, oder die wegen ihrer Persönlichkeit nicht gut darin sind, Kompromisse zu schließen. Heterogenität ist wichtig in Gruppen – so geben sich die Beteiligten gegenseitig neue Impulse und können ihre unterschiedlichen Hintergründe und Vorstellungen einbringen. Trotzdem sollte es eine gemeinsame Basis als Arbeitsgrundlage geben. Wenn die Mitglieder zu unterschiedlich sind, ist das möglicherweise nicht gegeben.

Die Gruppe gezielt steuern

Vorsicht ist geboten bei Beteiligten, die entweder sehr laut und einnehmend oder aber sehr leise und zurückhaltend sind. Die Lauten können schnell die ganze Gruppe dominieren und dafür sorgen, dass andere Ideen nicht verfolgt werden. Sehr zurückhaltende Personen hingegen bringen sich womöglich nicht ein. Sie haben vielleicht gute Ideen, äußern sie aber nicht. Unter diesen Umständen hat die Gruppe nichts davon, dass diese Person ihr angehört. 

Entscheidend für eine positive Gruppendynamik sind auch die Organisation und der Ablauf der Treffen. Es sollte eine möglichst erfahrene Person geben, die die Treffen gezielt lenkt und moderiert. So wird es unwahrscheinlicher, dass sich die Gruppe in eine nicht zielführende Richtung verrennt oder sich im Klein-Klein verhakt. Nicht zuletzt ist Feinfühligkeit gefragt: Eine Gruppe sollte immer so gesteuert werden, wie es im Einzelfall am sinnvollsten ist. Das betrifft auch auf die Dauer und den Ort der Gruppentreffen. Meetings sollten nicht zu lange dauern, weil sonst schnell die Luft raus ist – etwas Produktives kommt dann wahrscheinlich ohnehin nicht mehr zustande. 

Gruppendynamik in virtuellen Teams

Nicht erst seit der Corona-Pandemie gibt es viele virtuelle Teams. Auch die zunehmende internationale Vernetzung und eine geografische Streuung von Standorten über Stadt- und Landesgrenzen hinweg machen virtuelle Teams in vielen Fällen erforderlich. Die Kommunikation der Gruppe ist dann geprägt durch Instrumente wie Skype- oder Zoom-Meetings, E-Mails oder Messenger-Dienste. Mitunter sehen sich die Beteiligten selten oder nie persönlich, sondern treffen (fast) immer nur im virtuellen Raum aufeinander.

Unter diesen Umständen laufen gruppendynamische Prozesse anders ab als bei Face-to-Face-Treffen. Es macht einen Unterschied, ob sich die Beteiligten gegenübersitzen oder sich nur über den Bildschirm sehen. Aus der Ferne ist es schwerer, andere Personen einzuschätzen. Es kann auch schwieriger sein, Beziehungen zu Menschen aufzubauen, die man nicht persönlich kennt, sondern nur virtuell erlebt.

Virtuelle Treffen sind eine Herausforderung; sie können die Gruppendynamik leicht negativ beeinflussen, wenn nicht gegengesteuert wird. Die verantwortliche Person, die die Treffen der Gruppe leitet, sollte deshalb individuelle Maßnahmen ergreifen, um auf eine positive Gruppendynamik hinzuwirken. Das kann zum Beispiel bedeuten, alle Teilnehmer zu bitten, ihre Kamera bei virtuellen Meetings einzuschalten. Viele machen das ohne explizite Aufforderung nur ungern, aber es kann helfen, wenn alle Beteiligten sichtbar sind. Wichtig ist auch, alle Teilnehmer in das Gespräch einzubinden. Bei virtuellen Treffen passiert es sonst schnell, dass einzelne Beteiligte sich bewusst herausziehen oder ungewollt außen vor bleiben.

Kreative Prozesse können erschwert sein, wenn Treffen auf digitaler Ebene stattfinden. Dasselbe gilt für die Entstehung eines Zusammengehörigkeitsgefühls. Daher ist es hilfreich, wenn die Gruppe zumindest hin und wieder persönliche Zusammenkünfte hat. Das kann ruhig auch abseits der Arbeit geschehen, zum Beispiel in Form eines gemeinsamen Abendessens oder durch eine Gruppenaktivität. Einen positiven Effekt kann es allerdings haben, wenn Teams virtuell organisiert sind: Es ist unwahrscheinlicher, dass Konflikte entstehen oder sich verschärfen, wenn Menschen sich nicht direkt gegenübersitzen.

Bildnachweis: Banana Oil / Shutterstock.com

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