AllgemeinBewerbung mit Schwerbehinderung: Offenheit gewinnt

Bewerbung mit Schwerbehinderung: Offenheit gewinnt

Schwerbehinderte Bewerber sind oft verunsichert: Sollen sie in ihrer Bewerbung offen mit ihrer Schwerbehinderung umgehen – oder sie lieber verschweigen, um nicht am Ende deshalb abgelehnt zu werden? Diese Abwägung ist häufig gar nicht so einfach und hängt nicht zuletzt von der Art der Behinderung und dem angestrebten Job ab. Hier findest du Tipps, wie du mit deiner Schwerbehinderung bei einer Bewerbung umgehen kannst und was du dabei bedenken solltest.

Schwerbehinderung: Ab wann ist sie gegeben?

Ab wann gilt ein Mensch als schwerbehindert? Behinderungen können grundsätzlich körperlicher, geistiger oder seelischer Natur sein. In § 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX), das die Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen rechtlich regelt, ist dazu Folgendes zu lesen:

„Menschen mit Behinderung sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung […] liegt dann vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht.“

Bei einer Schwerbehinderung denken wohl viele automatisch an Menschen, die im Rollstuhl sitzen, die einen Arm oder ein Bein verloren haben oder geistig behindert sind. Eine Schwerbehinderung kann aber auch die Folge von Erkrankungen wie Rheuma, Diabetes, Krebs, Depressionen, schweren Formen von Bluthochdruck oder Bronchialasthma sein. In den meisten Fällen haben die Betroffenen ihre Behinderung erst im Laufe ihres Lebens erworben, sie war also nicht angeboren.

Wie groß die Beeinträchtigung der Betroffenen durch ihre Behinderung ist, wird in verschiedenen Abstufungen als Grad der Behinderung angegeben. Die Skala reicht von 20 bis 100, wobei ein höherer Wert mit einer größeren Beeinträchtigung einhergeht. Damit jemand als schwerbehindert eingestuft wird, muss sein Grad der Behinderung bei 50 oder höher liegen. In bestimmten Fällen können Menschen mit einem niedrigeren Grad der Behinderung jedoch Schwerbehinderten gleichgestellt sein.

Arbeitnehmer mit Schwerbehinderung haben besondere Rechte

Arbeitnehmer, die eine Schwerbehinderung haben, genießen im beruflichen Alltag besondere Rechte. Ganz grundsätzlich darf der Arbeitgeber sie wegen ihrer Behinderung nicht benachteiligen. Außerdem haben sie ein Recht auf einen behindertengerechten Arbeitsplatz. Der Arbeitgeber muss sich darum kümmern, dass der Arbeitsplatz solcher Mitarbeiter an ihre Bedürfnisse angepasst wird.

Beschäftigte, die schwerbehindert sind, haben Anspruch auf fünf zusätzliche Urlaubstage im Jahr, die wie der übrige Erholungsurlaub bezahlt sein müssen. Sie dürfen Überstunden ablehnen und können ein Recht auf eine Tätigkeit in Teilzeit haben, wenn es aufgrund ihrer Behinderung erforderlich sein sollte. Arbeitnehmer mit Schwerbehinderung sind zudem besonders vor einer Kündigung geschützt. Will der Arbeitgeber sich von ihnen trennen, muss er den Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung darüber informieren und braucht die Erlaubnis des zuständigen Integrationsamts.

Wer eine Schwerbehinderung hat, muss außerdem weniger lange arbeiten: Beschäftigte mit Schwerbehinderung können schon zwei Jahre vor dem Erreichen der ansonsten geltenden Regelaltersgrenze in Rente gehen, mit Abschlägen auch früher. Das setzt voraus, dass sie zu diesem Zeitpunkt mindestens 35 Versicherungsjahre in der gesetzlichen Rentenversicherung haben.

Bewerbung mit Schwerbehinderung: Ein Hindernis bei der Jobsuche?

Viele Menschen mit Schwerbehinderung sind trotz ihrer Beeinträchtigungen dazu in der Lage, einen Job auszuüben. Ist die Bewerbung von schwerbehinderten Kandidaten im Vergleich zu Bewerbern ohne Schwerbehinderung erschwert? Das kommt auf die Umstände an. Eine Rolle spielt natürlich die Art der Behinderung in Kombination mit dem Job, um den es geht. Wer körperlich stark eingeschränkt ist, wird bestimmte körperliche Tätigkeiten womöglich nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang ausüben können. Ein Bewerber im Rollstuhl kann aber wahrscheinlich problemlos am Schreibtisch arbeiten, ohne dass sich seine Behinderung auf seine Arbeit auswirkt.

Eine Schwerbehinderung sollte eigentlich kein Hindernis bei der Jobsuche sein. Die Diskriminierung von Kandidaten mit Schwerbehinderung ist nach den Vorgaben des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) grundsätzlich verboten. Ob eine Absage tatsächlich mit einer Behinderung zusammenhing oder nicht, lässt sich aber meist nur schwer prüfen oder gar nachweisen.

Größere Firmen müssen Mitarbeiter mit Schwerbehinderung beschäftigen

Ungeachtet der gesetzlichen Vorgaben haben viele Arbeitgeber tatsächlich Vorbehalte, wenn sie eine Bewerbung von Menschen mit Schwerbehinderung erhalten. Ist ein schwerbehinderter Bewerber im Joballtag genauso leistungsfähig wie andere Mitarbeiter? Kann er alle Aufgaben wie vorgesehen erfüllen? Manche Arbeitgeber können im Vorfeld nur schwer abschätzen, ob und inwieweit sich eine Behinderung auf die Arbeit eines Beschäftigten auswirken könnte, und gehen lieber kein Risiko ein. Auch bestimmte Rechte von Arbeitnehmern mit Schwerbehinderung, wie zusätzliche Urlaubstage, können abschreckend für Arbeitgeber sein.

Andererseits kann es in manchen Fällen sogar ein Vorteil für Unternehmen sein, wenn ein Bewerber schwerbehindert ist. Mittlere und große Unternehmen müssen eine bestimmte Zahl an Stellen mit schwerbehinderten Mitarbeitern besetzen, nämlich fünf Prozent der gesamten Arbeitsplätze. Tun sie das nicht, sind zur Strafe Ausgleichsabgaben erforderlich. Diese Kosten können Unternehmen sparen, indem sie (mindestens) die vorgesehene Zahl an Mitarbeitern mit Schwerbehinderung beschäftigen.

Schwerbehinderung in der Bewerbung angeben: Eine gute Idee?

Viele schwerbehinderte Bewerber sind unsicher, ob sie ihre Schwerbehinderung in der Bewerbung angeben sollen oder nicht. Was spricht dafür, was dagegen – und ist man womöglich sogar dazu verpflichtet, die Schwerbehinderung in der Bewerbung zur Sprache zu bringen? Nein, eine solche Verpflichtung gibt es nicht. Du entscheidest selbst, welche Variante sich in deinem Fall am besten eignet.

Pro: Warum Offenheit die beste Variante sein kann

Wenn Bewerber sich dazu entscheiden, ihre Schwerbehinderung in der Bewerbung anzugeben, tun sie das meist, weil sie von Anfang an mit offenen Karten spielen möchten. Offenheit und ein ehrlicher Umgang mit einer körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung können eine gute Idee sein, weil viele Arbeitgeber diese Eigenschaften bei Bewerbern schätzen. Sie bilden eine gute Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, was deine Chancen auf eine positive Rückmeldung erhöhen kann.

Indem du deine Schwerbehinderung bei der Bewerbung angibst, sprichst du außerdem die Arbeitgeber an, die ihr Quorum bei der Zahl der für schwerbehinderte Mitarbeiter vorgesehenen Stellen noch nicht erfüllt haben. In solchen Fällen kann es sein, dass du sogar bevorzugt behandelt wirst, wenn du dich als Bewerber mit Schwerbehinderung zu erkennen gibst. Das gilt ganz besonders im öffentlichen Dienst. Hier sind Behörden dazu verpflichtet, alle fachlich geeigneten Bewerber zu einem Bewerbungsgespräch einzuladen. In diesem Fall wäre es entsprechend kontraproduktiv, deine Schwerbehinderung in der Bewerbung zu verschweigen.

Contra: Das spricht dagegen, eine Schwerbehinderung in der Bewerbung anzugeben

Es gibt allerdings auch Argumente, die dagegensprechen, in einer Bewerbung auf die eigene Schwerbehinderung zu sprechen zu kommen. Arbeitgeber könnten Vorbehalte gegenüber Bewerbern mit Schwerbehinderung haben.

Vielleicht bist du überzeugt, für den angestrebten Job qualifiziert zu sein. Wenn der Arbeitgeber sich aber über deine Eignung Sorgen macht, können diese Sorgen noch so unbegründet sein – im Zweifel führen sie direkt zu einer Absage. Du bekommst keine Gelegenheit, den Arbeitgeber von deinen Qualitäten zu überzeugen und ihm zu zeigen, wie qualifiziert du bist. Ohne Angabe deiner Schwerbehinderung in der Bewerbung hättest du es hingegen in solchen Fällen womöglich bis ins Vorstellungsgespräch geschafft, was dir wesentlich bessere Chancen auf eine Zusage verschafft hätte.

Schwerbehinderung bei einer Bewerbung angeben: Tipps für deine Entscheidung

Letztlich musst du im Einzelfall abwägen, wie du vorgehen möchtest. Eine Garantie, dass dir die eine oder andere Vorgehensweise bessere Chancen verschafft, hast du dabei nicht. Falls du natürlich von einem bestimmten Arbeitgeber gehört hast, dass er offen für schwerbehinderte Bewerber ist, bietet es sich an, die Schwerbehinderung zu thematisieren.

Dasselbe gilt, wenn deine Behinderung offensichtlich ist. Im Vorstellungsgespräch würde der Arbeitgeber sie ohnehin erkennen und könnte sich dann getäuscht fühlen. Andererseits bestünde natürlich auch das Risiko, dass du es mit der Angabe deiner Schwerbehinderung gar nicht erst ins Vorstellungsgespräch geschafft hättest. Bei Arbeitgebern mit großen Vorbehalten stellt sich natürlich auch die Frage, ob du überhaupt für sie arbeiten möchtest – es muss schließlich auch menschlich passen.

Wenn du dir unsicher bist, kannst du auch mit dem Gleichstellungsbeauftragten bei einem möglichen Arbeitgeber sprechen. Er kann dir eine Einschätzung dazu geben, welches Vorgehen dir die besten Chancen verschafft. Außerdem kannst du dabei auch in Erfahrung bringen, wie die Lage für schwerbehinderte Mitarbeiter in der jeweiligen Firma ist.

Wie kann man eine Schwerbehinderung bei einer Bewerbung angeben?

Du möchtest deine Schwerbehinderung in der Bewerbung angeben, weißt aber nicht, wie du das am besten tun kannst? Um deine Schwerbehinderung in der Bewerbung zu formulieren, eignet sich das Anschreiben am besten. Dort kannst du deine Behinderung in einem Nebensatz scheinbar beiläufig erwähnen.

Die Kunst besteht darin, über die Schwerbehinderung nicht zu viele Worte zu verlieren. Wenn du lang und breit darauf eingehen würdest, könnte gerade das Zweifel bei einem potenziellen Arbeitgeber wecken. Außerdem besteht der Zweck eines Bewerbungsschreibens darin, deine Eignung als Bewerber zu erläutern. Die Angabe einer Schwerbehinderung erfüllt diesen Zweck nicht – es sei denn, es gelingt dir, zu zeigen, warum sie dich sogar zu einem besseren Kandidaten macht. Vielleicht kannst du anhand deiner Behinderung glaubhaft machen, dass du besonderes Durchhaltevermögen besitzt oder besonders engagiert bist. Wie immer gilt: Du solltest solche Behauptungen mit plausiblen Beispielen belegen können, damit sie nachvollziehbar sind.

Wenn du deine Schwerbehinderung nicht als Beleg für Soft Skills angeben kannst, nennst du sie einfach bei einer anderen passenden Gelegenheit. Dabei kann es sinnvoll sein, zu ergänzen, dass du durch deine Behinderung in keiner Weise in deiner Arbeit beeinträchtigt bist. Das kannst du auch ganz zum Schluss des Anschreibens in einem „P.S.“ tun. Ob du den Grund für deine Behinderung angibst, ist dir überlassen. Du kannst auch einfach den Grad der Behinderung nennen oder schlicht schreiben, dass du schwerbehindert bist. Wenn anhand der Art der Behinderung deutlich wird, dass sie deinen möglichen künftigen Tätigkeiten nicht im Weg steht, kann es jedoch besser sein, etwas konkreter zu werden.

Vorstellungsgespräch: Sind Fragen zu einer Schwerbehinderung zulässig?

Schwerbehinderte Bewerber, die ihre Behinderung in der Bewerbung nicht angegeben haben, fragen sich womöglich, was im Vorstellungsgespräch auf sie zukommen könnte. Darf der Arbeitgeber direkt nachfragen, ob eine Behinderung vorliegt? Sind solche Fragen zulässig – und muss man sie als Bewerber wahrheitsgemäß beantworten?

Eins vorweg: Du bist nicht dazu verpflichtet, von dir aus auf deine Schwerbehinderung zu sprechen zu kommen – zumindest nicht, wenn sie der Ausübung der angestrebten Tätigkeit nicht im Weg steht. Aber was ist, wenn der Arbeitgeber dich danach fragt? Es gibt gute Argumente für beide Seiten: Der Arbeitgeber hat einerseits ein Recht darauf, von einer Schwerbehinderung zu erfahren, die für die Tätigkeit relevant sein kann. Andererseits könnte der Bewerber benachteiligt werden, wenn er die Schwerbehinderung offen einräumt. Wessen Recht wiegt stärker?

Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Früher ist die Rechtsprechung davon ausgegangen, dass Fragen nach einer Schwerbehinderung im Vorstellungsgespräch zulässig sind und auch wahrheitsgemäß beantwortet werden müssen. Bewerbern, die dabei logen, drohte auch im Nachhinein noch eine Kündigung.

Schwerbehinderung im Vorstellungsgespräch abstreiten?

Durch das Inkrafttreten von SGB IX am 1. Juli 2001 hat sich die Stellung von schwerbehinderten Arbeitnehmern jedoch verbessert. Das wirkt sich auch auf die juristische Einschätzung aus, welche Fragen zu einer Schwerbehinderung im Vorstellungsgespräch erlaubt sind. Das Landesarbeitsgericht Hessen hat etwa im Jahr 2010 geurteilt, dass eine entsprechende Frage dann unzulässig ist, wenn die Behinderung für die Ausübung des Jobs nicht von Bedeutung ist. Es ist anzunehmen, dass künftige Urteile im Sinne von schwerbehinderten Bewerbern ausfallen werden, um sie vor einer Diskriminierung zu schützen.

Nichtsdestotrotz bleibt es ein Risiko, eine Frage des Arbeitgebers nach einer Behinderung nicht wahrheitsgemäß zu beantworten. Wenn der Arbeitgeber davon später doch noch erfährt – etwa, weil es im Laufe der Zeit deutlich wird oder weil du deine Rechte als Mitarbeiter mit Schwerbehinderung geltend machen möchtest –, kann das das Verhältnis nachhaltig belasten. Der Arbeitgeber könnte auch versuchen, das Arbeitsverhältnis anzufechten. Er mag dabei am Ende nicht im Recht sein, könnte dich aber in einen langwierigen und gegebenenfalls auch teuren Rechtsstreit verwickeln, der eine weitere (gute) Zusammenarbeit wahrscheinlich unmöglich macht.

Bildnachweis: Dragana Gordic / Shutterstock.com

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