Beim Halo-Effekt strahlen bestimmte Eigenschaften von Menschen so stark, dass man sich davon blenden lässt: Man leitet daraus andere Merkmale ab, die jemand vermeintlich hat, obwohl es für diesen Schluss objektiv gar keine Grundlage gibt. Der Halo-Effekt hat in der Psychologie verschiedene Gründe und lässt sich nicht immer vermeiden. Wer jedoch weiß, dass es ihn gibt, und seine potenziellen Folgen kennt, kann auf der Hut sein.
- Halo-Effekt einfach erklärt: Definition und Erklärung
- Welche Rolle der Halo-Effekt im Bewerbungsprozess spielen kann
- Mögliche Auswirkungen des Halo-Effekts im Joballtag
- Wie der Halo-Effekt wichtige Entscheidungen beeinflussen kann
- Nachteile und Gefahren des Halo-Effekts
- Den Halo-Effekt erkennen und vermeiden: Das ist wichtig
Halo-Effekt einfach erklärt: Definition und Erklärung
Beim Halo-Effekt (fälschlicherweise manchmal auch als „Holo-Effekt“ bezeichnet) handelt es sich um ein psychologisches Phänomen, bei dem einzelne Merkmale einer Person stärker wirken als andere. Genauer geht es um positive Eigenschaften, die die Gesamtwahrnehmung beeinflussen – daher auch die Bezeichnung „Halo“-Effekt für „Heiligenschein“.
Durch den Halo-Effekt bewirken einzelne, oft zufällig hervorstechende positive Eigenschaften – zum Beispiel ein bestimmtes Äußeres, der Kleidungsstil oder die Ausstrahlung eines Menschen –, dass die betreffende Person insgesamt positiv(er) beurteilt wird. Man schreibt ihr also wegen einzelner positiver Merkmale weitere positive Merkmale zu.
Hier sind einige Beispiele dafür, wie der Halo-Effekt nach seiner Definition aussehen könnte:
- Ein Bewerber kann sich besonders gut artikulieren, also nehmen die Personalverantwortlichen an, dass er besonders kompetent, intelligent und leistungsstark ist.
- Eine Frau wird als gut aussehend eingeschätzt – und dadurch auch als selbstbewusst, durchsetzungsfähig und beliebt.
- Ein Schüler, der in vielen Fächern gut ist, könnte auch in anderen Fächern positiv beurteilt werden – selbst wenn seine Leistungen in diesen Fächern diesen Schluss eigentlich gar nicht zulassen.
- Ein Unternehmer ist erfolgreich. Also gilt er vielleicht auch als kompetent und kenntnisreich.
Es war der US-amerikanische Psychologe Edward Thorndike, der den Halo-Effekt in den 1920er-Jahren erstmals systematisch erforscht hat. Thorndike konnte in Studien zeigen, dass sich die Gesamtbewertung von Menschen durch andere oft auf einzelne Charakteristika stützt.
Dabei ist der Halo-Effekt ein Beispiel für eine kognitive Verzerrung, durch die es für das Gehirn einfacher wird, komplexe Informationen in kürzester Zeit zu verarbeiten. Das ist für den Halo-Effekt die Erklärung: Statt sich mit den vielen Facetten eines Menschen zu befassen, bevor ein Urteil gefällt wird, zieht das Gehirn voreilige Schlüsse – und spart damit viel Zeit, was den kognitiven Aufwand verringert.
Welche Rolle der Halo-Effekt im Bewerbungsprozess spielen kann
Bei der Besetzung von Stellen kann der Halo-Effekt eine größere Rolle spielen, als vielen Menschen bewusst ist – oder als es wünschenswert wäre, um die richtige Entscheidung zu treffen. Der Einfluss des Halo-Effekts ist oft unbewusst, er kann jedoch groß sein. Dabei sind es besonders Personalverantwortliche, die zum Opfer des psychologischen Phänomens werden können.
Zum Beispiel beim ersten Eindruck von einer Bewerberin oder einem Bewerber, und das nicht erst im Bewerbungsgespräch. Das Erste, was Personaler von Jobsuchenden mitbekommen, sind ihre Bewerbungsunterlagen. Die hinterlassen einen bestimmten Eindruck, der nicht immer zutreffend ist – manchmal ist die Wahrnehmung der Entscheidungsträger verzerrt.
Ein modernes Design, ein ansprechendes Bewerbungsfoto, ein überzeugend formuliertes Anschreiben – das sind Dinge, die positive Effekte auf Personalverantwortliche haben. Sie können zu der Einschätzung führen, dass man es hier mit einem besonders professionellen, kompetenten Bewerber zu tun hat. Umgekehrt geht es aber auch: Ein wenig ansprechendes Design, holprige Formulierungen, ein mäßig attraktives Bild – und schon wird ein Bewerber womöglich in ganz andere Schubladen gesteckt, die für seine Chancen im Bewerbungsprozess weniger förderlich sind.
Fehlurteile durch eine verzerrte Wahrnehmung
Der Halo-Effekt tritt auch im nächsten Auswahlschritt häufig zutage: im Bewerbungsgespräch. Ein Bewerber, der charismatisch, selbstbewusst und adrett gekleidet ist, löst womöglich ganz andere Assoziationen bei seinen Gesprächspartnern aus als eine Bewerberin, die schüchtern ist und Schwierigkeiten hat, Blickkontakt zu halten.
Eigenschaften (oder vermeintliche Eigenschaften), die Personalverantwortliche im Bewerbungsgespräch positiv wahrnehmen, können dazu führen, dass Bewerbern weitere positive Merkmale unterstellt werden. Ein rhetorisch versierter Bewerber gilt dann etwa als entscheidungsfreudig oder man glaubt, dass er gut darin ist, Probleme zu lösen. Ein unsicherer Bewerber hingegen kann als weniger kompetent wahrgenommen werden, selbst wenn das gar nicht der Wahrheit entspricht.
Der Halo-Effekt kann Fehlurteile im Bewerbungsprozess begünstigen. Durch eine verzerrte Wahrnehmung könnten Bewerber bevorzugt werden, die nicht objektiv die beste Wahl sind, sondern die lediglich auf den ersten Blick als solche erscheinen. Der Effekt kann eine tiefere Auseinandersetzung mit den Facetten der einzelnen Kandidaten verhindern und zu unfairen Beurteilungen führen. Um das zu verhindern, ist es wichtig, dass Personalverantwortliche den Halo-Effekt kennen und Präventionsmaßnahmen ergreifen.
Mögliche Auswirkungen des Halo-Effekts im Joballtag
Auch im Joballtag kann sich der Halo-Effekt auswirken – zum Beispiel auf Teamdynamiken, die Beziehungen zwischen Führungskräften und Mitarbeitern und die Karrierechancen von Arbeitnehmern.
Ein Beispiel ist die Leistungsbeurteilung. Wie Verantwortliche einen Mitarbeiter wahrnehmen, hängt von vielen Aspekten ab. Es kommt beispielsweise darauf an, ob man ihn sympathisch findet, aber auch, wie professionell er wirkt. Wenn jemand selbstbewusst auftritt und charismatisch ist, kann das dazu führen, dass man ihm noch weitere positive Charakteristika unterstellt. Die Folge: Seine Leistung wird insgesamt womöglich positiver beurteilt – mitunter positiver, als es eigentlich objektiv gesehen der Fall ist. Es kann auch passieren, dass Fehler oder Schwachstellen übersehen werden, weil andere Eigenschaften durch den Halo-Effekt in den Vordergrund treten.
Welches Ansehen jemand im Job hat – im Team und bei Vorgesetzten –, hat großen Einfluss auf seine Jobchancen. Dabei können bestimmte Merkmale dafür sorgen, dass jemand mehr Aufmerksamkeit und Anerkennung erhält als andere, und zwar unabhängig von seinen tatsächlichen Leistungen. In Teambesprechungen kommen solche Mitarbeiter dann etwa häufiger zu Wort, sie setzen sich eher durch und können mehr Verantwortung übernehmen. Das ist nicht nur manchmal unfair, es kann auch nachteilig für den Arbeitgeber sein, wenn in Wahrheit andere Mitarbeiter kompetenter sind.
Positive Merkmale helfen dem beruflichen Aufstieg
Der Halo-Effekt kann sich auch auf alltägliche Entscheidungen auswirken. Zum Beispiel, wer die Verantwortung für ein Projekt übernehmen darf oder wer die beste Wahl für eine bestimmte Aufgabe ist. Dabei könnten Beschäftigte bevorzugt werden, die hervorstechende Merkmale haben, die für die Verantwortlichen so positiv sind, dass sie andere Charakteristika überstrahlen. Mitarbeiter, die weniger auffallen, aber in Wahrheit kompetenter oder erfahrener sind, könnten im Umkehrschluss übergangen werden.
Auch auf Karrieremöglichkeiten hat der Halo-Effekt in vielen Fällen einen Einfluss. Wer einen guten Ruf im Unternehmen hat, wird eher befördert. Er kann eher eine Gehaltserhöhung aushandeln oder wichtige Rollen übernehmen. So kann jemand mit einzelnen positiven Merkmalen nicht selten wesentlich mehr erreichen als jemand, der weniger Aufmerksamkeit erregt, obwohl er nicht weniger kompetent ist.
Der Halo-Effekt kann auch Beziehungen im Team beeinflussen. Arbeitnehmer, die durch bestimmte Merkmale hervorstechen, sind womöglich bei ihren Kollegen angesehener oder beliebter. Das kann andere Beschäftigte frustrieren, die sich übergangen oder nicht gesehen fühlen. Eine solche Dynamik kann Neidgefühle verstärken und Konflikte begünstigen.
Wie der Halo-Effekt wichtige Entscheidungen beeinflussen kann
Viele Menschen haben vom Halo-Effekt noch nie gehört und sind sich nicht darüber im Klaren, dass solche psychologischen Phänomene ihr Denken und Handeln leiten können. Dabei sind sie weit verbreitet und haben nicht nur Einfluss darauf, wie wir andere wahrnehmen. Sie können auch beeinflussen, wie wir Entscheidungen treffen.
So kann der Halo-Effekt beispielsweise eine entscheidende Rolle in der Beurteilung der Leistungen und Fähigkeiten von anderen spielen. Wer in bestimmten Bereichen positiv auffällt – zum Beispiel durch seine selbstbewusste Art oder seine analytischen Fähigkeiten –, kann auch in anderen Bereichen positiv beurteilt werden, selbst wenn er in diesen Facetten gar nicht so stark ist wie angenommen. So könnte eine Chefin einen Mitarbeiter für die Leitung eines Projekts auswählen, der rhetorisch begabt ist – ungeachtet dessen, ob er auch die nötige Expertise und Erfahrung für diese Rolle mitbringt.
Einfluss hat der Halo-Effekt auch darauf, wie wir die Persönlichkeit anderer beurteilen und wie wir uns gegenüber diesen Personen verhalten. Die Wahrnehmung einzelner Merkmale oder Verhaltensweisen kann das Gesamtbild dabei erheblich beeinflussen. Wer beispielsweise besonders intelligent, zuverlässig oder souverän ist, könnte bei anderen einen besseren Ruf haben. Dadurch kann er von anderen bevorzugt werden: Man räumt ihm dann etwa mehr Chancen ein, obwohl andere Mitarbeiter eigentlich qualifizierter sind.
Ein bleibender erster Eindruck
Auch im Umgang mit neuen Kollegen oder Kunden kann der Halo-Effekt einen Unterschied machen. Erste Eindrücke haben oft großen Einfluss auf die Gesamtwahrnehmung einer Person. So könnte beispielsweise ein neuer Kollege, der besonders offen und freundlich wirkt, auch später noch als hilfsbereiter oder selbstbewusster wahrgenommen werden, als er tatsächlich ist. Das könnte dazu führen, dass er bei anderen besonders beliebt ist oder aber von Vorgesetzten bevorzugt wird.
Derselbe Effekt kann vorteilhaft sein, um bei Kunden einen guten Eindruck zu hinterlassen – und potenzielle Kunden zu überzeugen. Wenn jemand besonders charmant oder kompetent wirkt, könnte man ihn für seriös und zuverlässig halten, auch wenn es dafür keine objektiven Anhaltspunkte gibt. Dem Vertrieb von Produkten und Dienstleistungen, aber auch dem Ruf von Firmen bei Kunden käme das nichtsdestotrotz zugute.
Nachteile und Gefahren des Halo-Effekts
Der Halo-Effekt geschieht meist unbewusst und lässt sich kaum ganz vermeiden. Er kann jedoch negative Effekte haben, die Nachteile und Risiken mit sich bringen können. Eine verzerrte Wahrnehmung kann zu Entscheidungen führen, die nicht auf objektiven Kriterien beruhen. Auch falsche Einschätzungen, die auf einen Halo-Effekt zurückgehen, können folgenreich sein.
Fähigkeiten und Potenziale von Menschen können durch eine verzerrte Wahrnehmung falsch eingeschätzt werden. Das kann zu ungerechten Beurteilungen führen, etwa in Form von Leistungsbeurteilungen von Vorgesetzten. Das ist nachteilig für Arbeitskräfte wie Unternehmen gleichermaßen: Den Mitarbeitern entgehen Chancen, das Unternehmen leidet darunter, wenn Beschäftigte bevorzugt behandelt werden, die gar nicht objektiv am qualifiziertesten sind. Fähigkeiten von Mitarbeitern können durch den Halo-Effekt überbewertet, aber auch unterschätzt werden.
Durch ungerechtfertigte Beurteilungen können einzelne Mitarbeiter benachteiligt werden. So wird womöglich ein Beschäftigter nicht befördert, weil er „zu still“ ist, wodurch seine Kompetenzen den entscheidenden Personen nicht auffallen. Stattdessen wird derjenige zum Chef gemacht, der zwar ein guter Selbstdarsteller ist, dem es aber an Expertise mangelt. Die Qualität von Entscheidungen kann auf diese Weise durch den Halo-Effekt verringert werden. Ausgewählt werden nicht die objektiv besten Kandidaten, sondern diejenigen, die am stärksten hervorstechen. Meist sind das diejenigen, die besonders selbstbewusst auftreten, was jedoch nichts über ihre Qualität insgesamt aussagt.
Negative Teamdynamiken durch ungerechte Mitarbeiterbehandlung
Wenn Mitarbeiter benachteiligt oder ungerechterweise bevorzugt werden, kann das Frust und schlechte Stimmung verursachen. Es kann Teamdynamiken negativ beeinflussen und beispielsweise dazu führen, dass Kollegen auf einen bestimmten Mitarbeiter nicht gut zu sprechen sind, der seine Vorgesetzten mit einzelnen Merkmalen blendet.
Der Halo-Effekt kann darüber hinaus neuen Ideen, Innovation und Weiterentwicklung im Weg stehen. Wenn Verantwortliche die Gesamtleistung von Beschäftigten überschätzen, können weniger auffällige, aber wertvolle Mitarbeiter übersehen werden. Das könnte die Entwicklung und den Fortschritt in Unternehmen langfristig hemmen, weil Talente nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdient haben. Wenn sie die Erfahrung machen, dass ihre Ideen auf taube Ohren stoßen und stattdessen immer dieselben Kollegen bevorzugt werden, ziehen sie sich womöglich zurück, statt weiter Ideen einzubringen.
Den Halo-Effekt erkennen und vermeiden: Das ist wichtig
Der Halo-Effekt kann Bilder von Menschen erzeugen, die mit der Wahrheit nur bedingt etwas zu tun haben. Diese Zerrbilder können ernsthafte Folgen für die Betroffenen haben – nur in manchen Fällen sind diese Auswirkungen positiv. Positiv könnte es zum Beispiel für einen Bewerber sein, der besonders professionell und selbstbewusst wirkt und seine Gesprächspartner damit überzeugt, obwohl er gar nicht sonderlich erfahren ist – was die Entscheidungsträger jedoch übersehen, weil seine positiven Merkmale sie blenden.
Für die andere Seite ist das jedoch riskant: Arbeitgeber profitieren von Entscheidungen, die auf objektiven Tatsachen beruhen. Beruhen sie stattdessen auf Annahmen, die sich von einigen wenigen hervorstechenden Merkmalen ableiten, ist die Gefahr einer Fehleinschätzung groß.
Im besten Fall kommt es gar nicht erst zum Halo-Effekt. Ganz vermeiden lässt sich der Halo-Effekt durch die Psychologie aber nicht, die dahintersteckt. Das hängt auch damit zusammen, dass er meist unbewusst abläuft. Hier kannst du ansetzen, um einer kognitiven Verzerrung vorzubeugen: Du kannst kritisch hinterfragen, warum du bestimmte Annahmen hast und worauf deine Entscheidungen basieren. Es ist lohnenswert, ganz bewusst immer wieder zu reflektieren, ob du dich möglicherweise von psychologischen Effekten wie dem Halo-Effekt leiten lässt. Allein das Wissen darüber, dass es solche Effekte gibt, kann dir zu mehr Klarheit verhelfen.
Beziehe die Perspektive anderer ein
Um etwas beurteilen zu können, ist es wichtig, dass du möglichst viel über den Sachverhalt oder die Person weißt. Informiere dich eingehend, bevor du ein Urteil fällst. Dieses Urteil sollte grundsätzlich vorläufig sein: Du kannst immer neue Informationen erhalten, die deine Wahrnehmung verändern. Nur wenn du dafür offen bist, änderst du deine Meinung auch tatsächlich, wenn die Umstände es erfordern.
Nutze möglichst objektive Kriterien, wenn du andere Menschen einstufst oder dich für ein von mehreren Möglichkeiten entscheidest. Du kannst zum Beispiel Checklisten nutzen, wenn du etwas beurteilst. Für eine ausgewogene Sichtweise ist es außerdem lohnenswert, die Perspektive anderer einzubeziehen. Frage zum Beispiel Kollegen, wie sie eine Situation wahrgenommen haben, oder bitte deine Mitarbeiter um ein ehrliches Feedback. Du kannst auch deinen Vorgesetzten um eine Rückmeldung zu bestimmten Sachverhalten bitten.
Nimm dir für wichtige Entscheidungen Zeit, um eine gute, reflektierte Lösung zu finden. Je wichtiger die Entscheidung, desto weniger solltest du sie überstürzen. Gerade im Job solltest du erklären können, auf welcher Basis du dich für eine bestimmte Vorgehensweise entschieden hast. Wenn du das gut begründen kannst, stehen die Chancen gut, dass die Entscheidung auf einer sachlichen Grundlage beruht.
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