AllgemeinRente mit 70: So realistisch ist der Gedanke

Rente mit 70: So realistisch ist der Gedanke

Die Rente mit 67 ist längst beschlossene Sache. Wird das Renteneintrittsalter künftig noch weiter erhöht? Anders gefragt: Kommt irgendwann die Rente mit 70? Warum diese Idee diskutiert wird, was für und was gegen eine Rente ab 70 spricht und wie realistisch das Szenario ist – darum geht es in diesem Beitrag.

Wann kann man in Rente gehen? Das sind die aktuellen Regelungen zum Renteneintritt

Schon seit den frühen 2000er Jahren steigt das Renteneintrittsalter in Deutschland an. Während viele Arbeitnehmer in den 1980er und 1990er Jahren im Schnitt mit 62 oder 63 Jahren in Rente gegangen sind, lag das durchschnittliche Renteneintrittsalter zuletzt im Jahr 2021 bei 64,1 Jahren. Die Deutschen arbeiten heute rund zwei Jahre länger als noch vor 20 Jahren.

Dabei werden jüngere Beschäftigte künftig deutlich länger arbeiten müssen, wenn sie nicht vorzeitig in Rente gehen. Die damalige Bundesregierung hat im Jahr 2006 die Rente mit 67 beschlossen. Sie betrifft Jahrgänge ab 1947. Seit dem Jahr 2012 wird das Renteneintrittsalter – also der Zeitpunkt, zu dem Beschäftigte regulär in Rente gehen können – sukzessive von 65 auf 67 Jahre angehoben. Von 2029 an sollen alle Arbeitnehmer mit 67 regulär in Rente gehen können. Für ältere Beschäftigte, die sich vorher aus dem Berufsleben verabschieden, gibt es Übergangsregelungen. Dabei entscheidet der Geburtstag eines Beschäftigten darüber, wie die Regelaltersgrenze angesetzt ist. Personen, die im Jahr 1964 oder später geboren sind, können grundsätzlich erst mit 67 Jahren in Rente gehen.

Früher in Rente dank Sonderregelungen

Es gibt jedoch Sonderregelungen, die einen früheren Renteneintritt ermöglichen. Das kann dazu führen, dass auch Personen, die eigentlich bis 67 arbeiten müssten, faktisch früher in Rente gehen können. Oft ist das allerdings mit Abschlägen verbunden – der Rentenanspruch verringert sich durch den vorgezogenen Renteneintritt, und zwar dauerhaft. Das kann über die Jahre hohe Verluste bedeuten.

Frühzeitig in Rente gehen können zwei Gruppen von Beschäftigten: langjährig Versicherte und besonders langjährig Versicherte:

  • Langjährig versichert sind Beschäftigte, die mehr als 35 Jahre lang in die Rentenversicherung eingezahlt haben. Diese Versicherten können eine gewisse Zeit vor dem Erreichen der Regelaltersgrenze in Rente gehen, müssen dafür aber Abschläge hinnehmen.
  • Besonders langjährig versichert sind Personen, die mehr als 45 Jahre Beiträge an die Rentenversicherung gezahlt haben. Sie dürfen sogar abschlagsfrei früher in Rente gehen. Diese Variante setzt einen sehr frühen Arbeitsbeginn voraus – wer zum Beispiel mehrfach studiert und erst mit Ende 20 ins Arbeitsleben startet, kann von dieser Regelung später nicht profitieren.

Warum wird über eine Rente mit 70 gesprochen?

Viele Arbeitnehmer gehen vorzeitig in Rente. Sie warten also nicht, bis sie das reguläre Renteneintrittsalter erreicht haben, sondern gehen abschlagsfrei, oder, häufiger, mit Abschlägen, früher in Rente. Mehr Leben, weniger arbeiten – das scheint die Devise vieler älterer Beschäftigter zu sein. Bis 67 zu arbeiten empfinden viele als Zumutung. Das gilt besonders dort, wo Menschen hart körperlich arbeiten müssen.

Für die einen ist der spätere Renteneintritt mit 67 schon zu viel, den anderen geht diese Altersgrenze nicht weit genug. Wirtschaftsforschungsinstitute und Arbeitgeberverbände fordern, dass Beschäftigte künftig noch später in Rente gehen sollen – Stichwort Rente ab 70. Auch so mancher Politiker ist davon überzeugt, dass ein späterer Renteneintritt die beste Lösung ist und dass Beschäftigte beim Eintritt in die Rente 70 Jahre alt sein sollten.

Warum wird überhaupt über eine Erhöhung des Renteneintrittsalters diskutiert? Das hängt mit den Problemen zusammen, vor denen das deutsche Rentensystem steht. Die Bevölkerung in Deutschland altert, so wie in vielen anderen Industrienationen auch. Weil weniger Kinder geboren werden, gibt es immer weniger jüngere Menschen, dafür aber umso mehr ältere Personen aus geburtenstarken Jahrgängen. Das Problem: Immer weniger jüngere Arbeitnehmer müssen für immer mehr Rentner zahlen. Waren es im Jahr 1960 noch 100 jüngere Beschäftigte, die für 20 Rentner aufkommen mussten, müssen 100 Jüngere bis zum Jahr 2030 wohl schon für 50 bis 60 Rentner zahlen.

Noch dazu leben Rentner immer länger, weshalb sich die durchschnittliche Rentenbezugsdauer verlängert. Männer, die im Jahr 1970 mit 65 Jahren in Rente gegangen sind, konnten im Schnitt erwarten, noch zwölf Jahre zu leben. Heute sind es fast sechs Jahre mehr. Das sind nicht unerhebliche Rentenbeiträge, die länger ausgezahlt werden müssen. Das Rentensystem hat also ein Finanzierungsproblem. Um das zu kompensieren, wurde die Rente mit 67 beschlossen. Vielen reicht das nicht aus – schließlich steigt die Lebenserwartung weiter, und das Finanzierungsproblem ist nicht geklärt.

Arbeiten bis 70: Vorteile und Nachteile

Ob das Renteneintrittsalter weiter angehoben wird, kann derzeit wohl niemand sagen. Zwar gibt es aktuell keine Bestrebungen der Regierung, ein späteres Rentenalter zu beschließen. Es wäre auch fraglich, ob sich dafür politische Mehrheiten finden würden. Ausgeschlossen ist die Rente mit 70 aber in der Zukunft nicht. Was spricht dafür – und welche Argumente gibt es gegen ein höheres Renteneintrittsalter?

Das spricht für ein höheres Rentenalter

  • Für Befürworter einer Rente ab 70 gibt es keine sinnvolle Alternative zu einer Erhöhung des Rentenalters, um die Finanzierungslücke bei der Altersrente zu schließen. Wenn Beschäftigte länger arbeiten, zahlen sie länger in die Rentenkasse ein – und bekommen anschließend kürzer ihre Rente.
  • Ohne ein höheres Rentenalter kann es sein, dass die Beiträge zur Rentenversicherung steigen oder aber das Rentenniveau sinkt. Auch das wäre ein Problem für Arbeitnehmer und Rentner.
  • Dank einer steigenden Lebenserwartung bliebe Rentnern womöglich auch bei einer längeren Lebensarbeitszeit nicht weniger Zeit im Ruhestand.
  • Wenn Menschen länger arbeiten müssen, könnte dem Fachkräftemangel entgegengewirkt werden.

Das spricht gegen ein höheres Rentenalter

  • Im höheren Alter können viele Menschen den Renteneintritt kaum erwarten. Viele fühlen sich mental und körperlich erschöpft – und sehnen sich nach dem Leben nach dem Beruf, in dem sie ihre Zeit selbst gestalten können.
  • In vielen Berufen ist es kaum vorstellbar, dass Beschäftigte noch länger arbeiten. Vor allem dort, wo Jobs mit hohen körperlichen Anforderungen verbunden sind, kann eine längere Arbeitszeit zum Problem werden.
  • In anstrengenden Jobs länger arbeiten zu müssen kann dazu führen, dass die Gesundheit der Betroffenen leidet. Dadurch könnten sie krank werden oder früher versterben. Solche Menschen wären doppelt gestraft: Sie müssten länger arbeiten und dafür Zeit ihres Lebens die körperlichen Folgen davon ertragen.
  • Ein höheres Rentenalter birgt das Risiko, dass es noch mehr Altersarmut gibt. Ältere Beschäftigte, die arbeitslos werden, haben es bei der Jobsuche schwerer. Sind sie in höherem Alter länger arbeitslos, verringert sich ihr Rentenanspruch.
  • Wer sich für einen vorgezogenen Renteneintritt mit Abschlägen entscheidet, weil er zum Beispiel einfach nicht mehr arbeiten kann oder keinen Job mehr findet, hat Zeit seines Lebens weniger Rente zur Verfügung. Auch das kann das Problem der Altersarmut verschärfen.
  • Wenn Befürworter einer Rente mit 70 mit der gestiegenen Lebenserwartung argumentieren, wird leicht übersehen, dass das nicht auf alle Menschen gleichermaßen zutrifft. Es kommt stark auf die individuellen Lebensumstände an, wie lange jemand leben kann und wie lange er gesund leben kann.

Ist eine Rente mit 70 realistisch?

Müssen wir künftig bis 70 arbeiten? Wird bald die Rente mit 70 beschlossen? Das ist aktuell unwahrscheinlich. Es gibt zwar Stimmen, die für eine Erhöhung des Renteneintrittsalters plädieren. Dazu gehören einige Wirtschaftsforschungsinstitute, Arbeitgeberverbände, manche Politiker, die EU-Kommission und die Deutsche Bundesbank. Nicht allen reicht eine Rente mit 70 dabei überhaupt aus. So brachten die „Wirtschaftsweisen“, die Top-Wirtschaftsberater der Regierung, im Jahr 2016 eine Altersgrenze von 71 Jahren ins Spiel. Das Institut der Deutschen Wirtschaft sprach sich für eine Altersgrenze von 75 Jahren aus.

Politische Vorstöße für eine weitere Erhöhung des Rentenalters gibt es aber derzeit nicht. Nichtsdestotrotz hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kürzlich eine Debatte über einen späteren Renteneintritt losgetreten. Scholz plädierte zwar nicht für eine Anhebung des Renteneintrittsalters, aber dafür, dass weniger Beschäftigte vorzeitig in Rente gehen.

Gewerkschaften und Sozialverbände sind gegen einen späteren Renteneintritt, und er ist auch für viele Beschäftigte nicht vorstellbar. Im Moment ist die Finanzierung des Rentensystems zwar nach wie vor ein ungelöstes Problem. Dass Menschen bald bis zur Rente bis 70 arbeiten müssen, zeichnet sich aber derzeit nicht ab. Wie das künftig aussieht, kann allerdings niemand sagen. Ob eine Rente mit 70 kommt, ab welchem Jahrgang das der Fall wäre – das ist im Augenblick Spekulation. Dabei kommt es auch darauf an, wie sich die Lebenserwartung und die Geburtenrate künftig entwickeln.

Diese Alternativen könnten eine Rente ab 70 unnötig machen

Egal, ob bis 70 gearbeitet wird oder nicht: Das Rentensystem steht vor großen Problemen. Beschäftigte, die in die Rentenkasse einzahlen, müssen für immer mehr Rentner aufkommen. Das sorgt für Handlungsbedarf. Das Renteneintrittsalter zu erhöhen ist allerdings nicht die einzige Möglichkeit, das Problem zu entschärfen. Alternativ könnte zum Beispiel der Beitragssatz für die Rentenversicherung steigen. Das würde im Umkehrschluss dafür sorgen, dass Beschäftigten weniger Geld von ihrem Bruttogehalt bliebe. Ebenfalls denkbar wäre es, das Rentenniveau zu senken. Das ist allerdings angesichts einer steigenden Altersarmut wenig vielversprechend.

Ein anderer Ansatz besteht darin, ältere Menschen gezielt zu unterstützen, damit sie möglichst lange arbeiten können. Dabei sind auch Arbeitgeber gefragt, die in den Gesundheitsschutz ihrer Mitarbeiter ebenso investieren sollten wie in Weiterbildungen für ältere Fachkräfte. Viele Unternehmen sehen eine Frühverrentung von Beschäftigten positiv, wenn diese als weniger leistungsfähig wahrgenommen werden oder ihre Ansichten als veraltet gelten. Hier müsste sich auch die Denkweise ändern, so dass ältere Beschäftigte für ihr Wissen und ihre Erfahrungen stärker geschätzt würden.

Denkbar ist es auch, mehr Menschen überhaupt in Arbeit zu bringen. Je mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse es gibt, desto mehr Beitragszahler gibt es auch für die Rentenkasse. Vor allem Frauen arbeiten oft nicht oder nur in Teilzeit, außerdem gibt es viele Langzeitarbeitslose. Nicht zuletzt kann auch Zuwanderung attraktiv sein: Ausländische Fachkräfte wirken dem Fachkräftemangel entgegen und sorgen für mehr Geld in der Rentenkasse.

Bildnachweis: didesign021 / Shutterstock.com

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