AllgemeinWhistleblowing: Definition, Gesetz & Beispiele

Whistleblowing: Definition, Gesetz & Beispiele

Wer den Begriff Whistleblowing hört, hat womöglich sofort Namen wie Edward Snowden, Julian Assange oder Chelsea Manning im Kopf. Aber was genau ist eigentlich ein Whistleblower? Darf man sensible Informationen, mit denen man im Job in Kontakt kommt, einfach so weitergeben? Wie die Gesetzeslage beim Thema Whistleblowing in Deutschland ist und welche Konsequenzen Whistleblowern drohen, erfährst du in diesem Text.

Whistleblowing Definition: Was bedeutet Whistleblowing?

Um Whistleblowing-Fälle ging es in den letzten Jahren in den Medien immer wieder. Die zwei wohl prominentesten Beispiele sind die des Whistleblowers Edward Snowden und der Enthüllungsplattform Wikileaks. Snowden, damals Mitarbeiter einer externen Beratungsfirma, die für den US-amerikanischen Geheimdienst NSA tätig war, deckte auf, in welch großem Stil die US-Regierung ihre Bürger und Bürger weltweit online überwacht. Und über die von Julian Assange ins Leben gerufene Enthüllungsplattform Wikileaks wurden immer wieder brisante, ehemals geheime Dokumente anonym veröffentlicht. Zu den bedeutendsten Veröffentlichungen gehören militärische Geheimdokumente und E-Mails der damaligen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton.

Aber was genau ist ein Whistleblower – auf Deutsch auch als Hinweisgeber bekannt – überhaupt? „To blow the whistle on somebody“ bedeutet, jemanden zu verpfeifen und damit andere über ein Fehlverhalten zu informieren. Ein Whistleblower ist damit jemand, der Missstände und illegale Handlungen öffentlich macht. Es kann dabei zum Beispiel um Betrug, Korruption, andere Straftaten oder Menschenrechtsverletzungen gehen.

Whistleblower kommen durch ihren Job mit sensiblen Informationen über die Praktiken ihres Arbeitgebers in Berührung. Dieses Insiderwissen geben sie an Dritte weiter, zum Beispiel an Behörden, einflussreiche Individuen oder Medien. Unterschieden werden verschiedene Arten von Whistleblowing, insbesondere internes und externes Whistleblowing. Beim internen Whistleblowing beschränkt sich der Whistleblower darauf, die kompromittierenden Informationen intern weiterzugeben. Beim externen Whistleblowing wendet er sich mit seinen Erkenntnissen an Außenstehende.

Whistleblowing: Beispiele

Es gibt viele Beispiele für Whistleblowing-Fälle. Manche davon haben weltweit großes Aufsehen erregt, wie etwa die Veröffentlichungen von Chelsea Manning. Die Whistleblowerin gehörte den US-Streitkräften als Nachrichtendienstanalytikerin an und hatte dabei Zugriff auf geheime Dokumente. Sie veröffentlichte Hunderttausende geheime Militärdokumente auf der Plattform Wikileaks, in denen es um die Kriegseinsätze im Irak und Afghanistan ging.

Ein weiteres Whistleblowing-Beispiel ist das des deutschen Soldaten Patrick J. Der Soldat hat seit 2016 auf diverse Fälle von Rechtsextremismus in der Bundeswehr aufmerksam gemacht. Das Personalamt der Bundeswehr hat seine Berichte als zum Teil „übertrieben und haltlos“ bezeichnet; J. ist inzwischen entlassen worden. Seinen Job behalten hat hingegen ein Whistleblower aus der Spezialeinheit Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr, kurz KSK. Der KSK-Hauptmann hatte sich mit einem Hilferuf direkt an die damalige Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer gewandt und einen laxen Umgang mit rechtsextremen Kameraden geschildert.

Vom Steuerbetrug bis zu gepanschten Medikamenten

Auch der Cum-Ex-Skandal, der als größter Steuerraub in der deutschen Geschichte gilt, ist erst durch Whistleblower aufgedeckt worden. Der deutsche Rechtsanwalt Eckhart Seith, der den Drogerie-Unternehmer Erwin Müller als Anwalt vertrat, war an der Aufdeckung des Steuerskandals maßgeblich beteiligt. Er gab geheime Dokumente der Schweizer Sarasin-Bank an Ermittler in Deutschland weiter und trug damit zur Aufklärung bei.

Seith wurde dafür in der Schweiz zu einer Geldstrafe verurteilt, vom Vorwurf der Wirtschaftsspionage jedoch freigesprochen. In den Cum-Ex-Skandal waren zahlreiche Banken in Deutschland und anderen Ländern involviert; die Staaten wurden dabei durch Steuerbetrug um Milliardensummen gebracht. Weltweit liegt der Schaden nach aktuellen Erkenntnissen wohl bei mindestens 150 Milliarden Euro in den letzten 20 Jahren.

Whistleblower waren es auch, die die fragwürdigen Geschäftspraktiken eines Bottroper Apothekers aufdeckten. Der Apotheker Peter S. soll zehntausende Krebsmedikamente mit Wasser gestreckt und so Millionen verdient haben. Aufgedeckt haben das die damaligen Mitarbeiter Martin Porwoll und Marie Klein.

Whistleblower: Dorn im Auge von Arbeitgebern

In der Öffentlichkeit werden Whistleblower überwiegend positiv gesehen, schließlich machen sie auf Missstände aufmerksam und bringen Dinge ans Licht, die die Öffentlichkeit ansonsten womöglich nie erfahren hätte. In Unternehmen und Behörden selbst haben Whistleblower hingegen keinen guten Ruf. Arbeitgeberverbände wehren sich seit Jahren gegen weitreichendere gesetzliche Vorgaben zum Schutz von Hinweisgebern. Ihrer Meinung nach sind interne Meldesysteme ausreichend. Dann entscheiden die Arbeitgeber selbst, wie sie mit den Vorwürfen umgehen.

Dass wohl die wenigsten Arbeitgeber ein Interesse an einem weitreichenderen Schutz von Whistleblowern haben, leuchtet aus ihrer Perspektive ein: Ein handfester Skandal kann einem Unternehmen großen Schaden zufügen. Dabei geht es nicht nur oft um viel Geld, sondern auch um den Ruf des Unternehmens. Dass es keine schlechte Publicity gebe, stimmt in solchen Fällen natürlich nicht. Schlimmstenfalls kann die Enthüllung illegaler Geschäftspraktiken das Aus für eine Firma bedeuten.

Whistleblower haben oft viele Feinde

Wer sich mit sensiblen Erkenntnissen an Außenstehende wendet, macht sich Feinde – nicht nur den Arbeitgeber selbst, sondern oft auch Kollegen, wie es etwa Whistleblower in Polizei und Bundeswehr immer wieder erlebt haben. Whistleblower werden dann oft auch von anderen Mitarbeitern als Petzen, Denunzianten oder Nestbeschmutzer tituliert.

Manche Arbeitgeber werfen Whistleblowern vor, ihnen gehe es nur darum, dem Unternehmen zu schaden. Das mag in manchen Fällen tatsächlich der primäre Beweggrund sein, allerdings dauert es bei vielen Whistleblowern lange, bis sie sich dazu entschließen, ihre Erkenntnisse öffentlich zu machen. Oft versuchen sie es vorher intern, merken aber schnell, dass kein Interesse an Aufklärung besteht. Viele Whistleblower können es mit ihrem Gewissen nicht mehr vereinen, wegzuschauen und weiterhin ein Teil des Systems zu sein. Um den Schaden zu verhindern, den ihr Arbeitgeber anrichtet, machen sie ihre Informationen schließlich öffentlich.

Konsequenzen von Enthüllungen sind für Whistleblower oft gravierend

Whistleblower tragen mit ihren Enthüllungen oft zur Beseitigung von Missständen bei. Dafür müssen sie aber in der Regel hohe persönliche Opfer bringen. Die Stellung von Hinweisgebern in Deutschland ist bislang schlecht. Wer geheime Informationen über seinen Arbeitgeber weitergibt, muss mit enormen Repressalien rechnen. Der Verlust des Arbeitsplatzes ist dabei nur der erste Schritt.

Whistleblower werden oft von ihren Arbeitgebern verklagt. Dadurch drohen ihnen Geld- oder Haftstrafen. Weil sie durch ihre Enthüllungen in der Öffentlichkeit stehen, leidet oft ihr Ruf in der gesamten Branche. Es kann nahezu unmöglich werden, im selben Bereich einen neuen Job zu finden. Nicht zuletzt werden viele Whistleblower angefeindet; sie können auch bedroht, verbal oder körperlich angegriffen werden.

Die Konsequenzen, mit denen sie nach ihren Hinweisen leben müssen, sind für Whistleblower oft gravierender als für die Firmen, um die es in den Enthüllungen geht. Ein großes Unternehmen kann auch eine höhere Geldstrafe meist verkraften, für den Whistleblower steht hingegen oft seine ganze berufliche Existenz auf dem Spiel.

Gesetzeslage in Deutschland: Whistleblower sind bislang unzureichend geschützt

Die Rechtslage von Whistleblowern in Deutschland ist bisher nicht eindeutig. So besteht zwar nach § 4 Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz (FinDAG) ein expliziter Maßregelungsschutz für Whistleblower. Wer das Whistleblowing-System der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, kurz BaFin, nutzt, um auf Missstände aufmerksam zu machen, darf dafür nicht arbeits- oder strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Er macht sich durch die Weitergabe der entsprechenden Informationen auch nicht schadensersatzpflichtig. Dabei geht es allerdings um Hinweisgeber im Finanzsektor, andere Whistleblower können sich nicht auf die Bestimmungen des FinDAG berufen.

Eine allgemeine Norm, die Whistleblower ungeachtet ihres Tätigkeitsfeldes vor Repressalien schützt, gibt es in Deutschland noch nicht. Zuletzt wurden die Rechte von Hinweisgebern aber durch das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) gestärkt. Die Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen ist dadurch prinzipiell möglich, wenn es dabei um die Aufdeckung von rechtswidrigen Handlungen oder anderweitigem Fehlverhalten zum Schutz des öffentlichen Interesses geht. Praktisch zeigt sich aber immer wieder, dass Whistleblower nach wie vor unzureichend geschützt sind.

Arbeitnehmer dürfen nichts tun, was dem Arbeitgeber schadet

Das hängt auch mit dem hohen Wert zusammen, der der Treuepflicht des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber beigemessen wird. Ein Arbeitgeber muss sich stets so verhalten, dass er dem Arbeitgeber nicht schadet. So muss er etwa Aussagen unterlassen, die den Ruf des Unternehmens schädigen könnten.

Genau das wird zum Problem, wenn es um die Aufdeckung von Missständen geht. Whistleblowern drohen arbeitsrechtliche Konsequenzen, die von der Abmahnung bis zur Kündigung reichen können. Arbeitgeber können sich auf ein zerrüttetes Vertrauensverhältnis und die schuldhafte Verletzung vertraglicher Pflichten berufen, um eine fristlose Kündigung des unliebsam gewordenen Mitarbeiters durchzusetzen.

Gibt also jemand sensible Informationen extern weiter, kann er sich der unerlaubten Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen strafbar machen. Das kann Geld- und Haftstrafen nach einer Anklage durch den Arbeitgeber, aber auch Schadensersatzforderungen vonseiten des Arbeitgebers nach sich ziehen.

Neue EU-Richtlinie soll Whistleblower besser schützen

Nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Ländern sind Whistleblower unzureichend geschützt. Es gibt zwar Ausnahmen, etwa die USA, Großbritannien oder Frankreich, wo es schon Gesetze zum Schutz von Whistleblowern gibt. In Deutschland gibt es ein solches Gesetz allerdings noch nicht. Das könnte sich bald ändern, weil Deutschland eine EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern umsetzen muss.

Die Whistleblowing-Richtlinie der Europäischen Union soll Hinweisgeber, die Rechtsverstöße von Unternehmen aufdecken, besser schützen und ihre Stellung verbessern. Vorgesehen ist etwa die Einführung von internen Meldesystemen, über die Beschäftigte Hinweise abgeben können, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Angedacht ist ein dreistufiges Meldesystem:

  • Zunächst sollen Arbeitnehmer das interne Meldesystem des Arbeitgebers nutzen und den Arbeitgeber so auf die Rechtsverstöße aufmerksam machen. Der Arbeitgeber hat dann die Chance, die Angelegenheit aufzuklären und Konsequenzen zu ziehen.
  • Wenn das nichts bringt, kann der Beschäftigte seine Erkenntnisse an die zuständige Behörde weiterreichen. Diese hat dann drei Monate Zeit, auf die Informationen zu reagieren.
  • Bringt auch das nicht die gewünschte Aufklärung, kann sich der Hinweisgeber im dritten Schritt auch an die Öffentlichkeit wenden.

Whistleblower-Gesetz in Deutschland geplant

In Kraft ist die Whistleblowing-Richtlinie der EU schon seit Dezember 2019. Die Mitgliedstaaten haben jedoch noch bis zum 17. Dezember 2021 Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Das soll in Deutschland mithilfe des Hinweisgeberschutzgesetzes geschehen.

Das geplante Hinweisgeberschutzgesetz soll für Unternehmen mit mindestens 50 Mitarbeitern und Behörden in Kommunen mit mindestens 10.000 Einwohnern gelten. Die Identität von Hinweisgebern soll dadurch geschützt werden, außerdem sollen sie besser vor Benachteiligung geschützt werden. Für Unternehmen, die zwischen 50 und 249 Mitarbeiter haben, gilt eine Übergangsfrist bis Ende des Jahres 2023.

Brisante Erkenntnisse über den Arbeitgeber: Was tun?

Was kann beziehungsweise sollte man tun, wenn man Informationen darüber hat, dass der eigene Arbeitgeber Rechtsverstöße begeht oder diese zumindest toleriert? Falls du in eine solche Situation kommst, solltest du dir gut überlegen, welchen Weg du gehst. Eine Beratung durch einen Anwalt ist vor allem dann unerlässlich, wenn du darüber nachdenkst, deine Erkenntnisse nach außen weiterzugeben.

Viele Arbeitnehmer, die Informationen über Missstände im Unternehmen haben, hadern lange mit sich. Schließlich verletzt es die eigene Loyalitätspflicht gegenüber dem Arbeitgeber, wenn man diese Informationen nach außen trägt. Ist das moralisch überhaupt vertretbar? Das ist eine Frage, die du letztlich nur selbst beantworten kannst. Eine Rolle spielt aber sicherlich deine Motivation. Geht es dir nur darum, dem Arbeitgeber zu schaden oder dich an ihm zu rächen, ist das ethisch fragwürdiger als wenn du die Allgemeinheit vor den illegalen Handlungen deines Arbeitgebers schützen möchtest.

Whistleblowing: Das Unternehmen mit den Vorwürfen konfrontieren

Das Prozedere, welches bei Informationen über Missständen beim Arbeitgeber vorgesehen ist, sieht vor, dass du dich zunächst direkt an den Arbeitgeber wendest. Die Treuepflicht führt dazu, dass du dem Arbeitgeber deine Erkenntnisse melden musst. Du legst damit in seine Hände, was mit den Informationen geschieht. Dazu bist du nur dann nicht verpflichtet, wenn du dich damit selbst belasten müsstest.

Das Problem bei dieser Regelung ist, dass Missstände in Unternehmen häufig keinen unglücklichen Zufällen geschuldet sind, sondern meist auf wirtschaftliches Kalkül der Arbeitgeber zurückgehen. Wenn du nun also dem Arbeitgeber erzählst, was du erfahren hast, passiert sehr wahrscheinlich: nichts. Der Arbeitgeber hat vor diesem Hintergrund kein Interesse an Aufklärung. Im Gegenteil – er wird seine rechtswidrigen Praktiken geheim halten wollen. Das kann für dich dazu führen, dass du als unbequemer Mitarbeiter eingestuft wirst, von dem man sich nach Möglichkeit trennt.

Ob und wann du mit dem Arbeitgeber über deine Informationen sprichst, sollte also entsprechend gut überlegt sein. Unterstützung kannst du dir nicht nur von einem Anwalt holen, du kannst dich auch an den Betriebsrat wenden. Vielleicht hat man dort ohnehin schon Erkenntnisse über die fraglichen Praktiken. Du kannst den Arbeitgeber auch bei Aufsichtsbehörden melden, allerdings ist das eigentlich erst erlaubt, wenn der Arbeitgeber von den Vorwürfen weiß und untätig geblieben ist.

Bildnachweis: M-Production / Shutterstock.com

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