Hand aufs Herz: Denkst du für dich selbst? Bildest du dir deine eigenen Meinungen? Oder lässt du dich von anderen leiten? Gruppenzwang spielt im Denken und Verhalten von Menschen eine größere Rolle als viele sich eingestehen möchten. Der Drang zu Konformität hat gute Gründe, weshalb man sich dem Konformitätsdruck oft kaum entziehen kann. Was ist Konformität, was Gruppenzwang? Welche Folgen hat Gruppenzwang und wie kann man ihm vorbeugen? Darum geht es hier.
Was bedeutet Konformität – und was ist Gruppenzwang?
Konformität, was heißt das? Der Begriff stammt vom lateinischen Wort „conformis“ ab, was übersetzt so viel wie gleich, übereinstimmend, entsprechend bedeutet. Der Duden definiert Konformität als Übereinstimmung mit der Einstellung, dem Verhalten der anderen. Häufig wird der Begriff Gruppenzwang synonym zu Konformität verwendet, obwohl beides genau genommen nicht ganz dasselbe ist.
Konformität bedeutet zum Beispiel, dass jemand dieselbe Ansicht zu einem bestimmten Thema hat wie eine andere Person. Man sagt dann auch: „Da gehe ich konform mit dir“. Aber auch, dass sich jemand an Regeln hält – er verhält sich also regelkonform. Das kann bedeuten, auf der Straßenseite zu fahren, die im jeweiligen Land üblich ist, oder nicht über eine rote Ampel zu fahren. Dass sich Menschen in derselben Art und Weise verhalten oder derselben Ansicht sind, bedeutet Konformität. Woher diese Übereinstimmung kommt, ist dabei aber zweitrangig.
Gruppenzwang ist ein Faktor, der zu Konformität führen kann. In einer Gruppe – zum Beispiel im Freundeskreis, in der Familie oder auch an der Arbeit – herrscht immer ein gewisser Anpassungsdruck, der oft nur implizit besteht. Gruppenzwang entsteht, wenn eine Gruppe auf ein einzelnes Mitglied oder mehrere Mitglieder einen impliziten oder expliziten Zwang ausübt, sich in einer bestimmten Weise zu verhalten oder eine bestimmte Meinung zu vertreten. Das Ergebnis ist Konformität. Gruppenzwang ist per Definition hingegen mit Konformitätsdruck und nicht mit Konformität an sich gleichzusetzen. Man spricht auch vom Konformitätseffekt.
Um für Gruppenzwang einige Beispiele zu nennen: Gruppenzwang könnte etwa dazu führen, dass jemand Alkohol trinkt und trotzdem noch Auto fährt, weil es im Freundeskreis alle so machen. Oder dass jemand auf einer Party mit Freunden und Bekannten zusammensitzt und sich nicht traut, eine abweichende Meinung zu äußern, weil er Angst hat, negativ aufzufallen. Gruppenzwang kann auch der Grund dafür sein, dass Menschen die politischen Ansichten ihrer Freunde oder Angehörigen übernehmen. Auch welche Musik jemand hört oder wie er sich kleidet, kann durch Gruppenzwang beeinflusst werden.
Wie entsteht Gruppenzwang?
Wodurch kommt es zu Gruppenzwang? Dabei spielen verschiedene Aspekte eine Rolle. Gruppenzwang kann sich bewusst oder unbewusst ergeben. Jemand kann zum Beispiel den Kleidungsstil von einer Clique übernehmen, weil er dazugehören möchte – er tut es also ganz bewusst. Oder er findet den Stil einfach gut und findet sich darin wieder. Dass Menschen sich am Verhalten und den Denkweisen von anderen Menschen orientieren, die ihnen nahestehen, ist ein ganz natürliches Phänomen, das sich kaum verhindern lässt.
Sind es Personen, die man schätzt, schaut man womöglich zu ihnen auf. Man ist geneigter, die Meinung von Menschen zu teilen oder sich davon zumindest beeinflussen zu lassen, die man gerne mag und von denen man viel hält. Zugleich ist es ein instinktiver Wunsch von Menschen, dazuzugehören. Man möchte also Teil einer Gruppe sein oder bleiben. Teil einer Gruppe zu sein gibt Sicherheit. Es ist bequem, sich anzupassen – man vermeidet damit Konflikte und riskiert keine Konflikte mit anderen. Aus implizitem oder explizitem Gruppenzwang tut man Dinge, die man ansonsten vielleicht nicht tun würde, oder unterlässt Dinge, die sich negativ auf den Verbleib in der Gruppe auswirken könnten.
Oft werden abweichende Meinungen deshalb in bestimmten Kreisen nicht geäußert. Dahinter steckt meist die Angst, auf Ablehnung zu stoßen oder den eigenen Status in Gefahr zu bringen. Stattdessen orientiert man sich an dem, was die Gruppe für richtig hält. Das kann dazu führen, dass man bestehende Meinungen ändert oder sich an der Mehrheitsmeinung orientiert, wenn man selbst zum ersten Mal Ansichten zu einem bestimmten Thema entwickelt.
Diese negativen Effekte kann Gruppenzwang haben
Konformität ist für sich genommen nichts Negatives. Auch Gruppenzwang ist ein weit verbreitetes Phänomen, welches keine negativen Folgen haben muss. Manchmal ist Konformitätsdruck harmlos, zum Beispiel, wenn in einem Freundeskreis alle dieselbe Musik hören. Oder wenn sich eine Person bei beruflichen Treffen mit abweichenden Meinungen zurückhält, die mit dem Job nichts zu tun haben – zum Beispiel, wenn jemand umgeben von konservativ eingestellten Menschen ist, selbst aber liberalere Ansichten hat.
Gruppenzwang kann aber auch negative Konsequenzen haben. Er kann Menschen zum Beispiel dazu verleiten, Dinge zu tun oder zu sagen, in denen sie sich eigentlich gar nicht wiederfinden. Das führt fast unweigerlich zu Unzufriedenheit und Unmut, schließlich verleugnet man sich dabei selbst. Es kann auch zulasten von anderen gehen. Stellen wir uns zum Beispiel vor, ein Jugendlicher möchte seiner Clique beweisen, dass er wirklich einer von ihnen ist. Deshalb macht er mit, als seine Freunde einen anderen Jugendlichen wegen seines Aussehens mobben, obwohl er sich persönlich gar nichts daraus macht. Vielleicht beleidigt er den anderen Jungen sogar besonders schwer, weil er dazugehören möchte.
Gruppenzwang ist auch ein wichtiger Baustein für den Erfolg von extremen Bewegungen. Je mehr Menschen mitmachen oder wegschauen, desto leichteres Spiel haben zum Beispiel faschistische Vereinigungen. Ab einem gewissen Punkt verselbstständigt sich das Ganze; je stärker solche Bestrebungen in der Gesellschaft und Politik verankert sind, desto schwieriger wird es, noch etwas dagegen zu sagen, ohne große persönliche Risiken einzugehen.
So kann Konformitätsdruck dem Einzelnen schaden
Konformitätsdruck kann auch den Einzelnen schädigen. Ein Beispiel ist Gruppenzwang bei Jugendlichen – wenn zum Beispiel die Freunde alle rauchen, ist es wesentlich wahrscheinlicher, dass ein Jugendlicher selbst anfängt zu rauchen. Dasselbe gilt für den Konsum von Alkohol oder Drogen. Wieder andere machen bei riskanten Mutproben mit, weil sie nicht als ängstlich dastehen wollen, und bringen sich damit in Gefahr.
Nicht zuletzt birgt Gruppenzwang die Gefahr, dass man aufhört, für sich selbst zu denken. Man übernimmt womöglich automatisch die Sichtweisen anderer und lässt sich auch in anderen Bereichen seines Lebens stark von anderen leiten. Das kann dazu führen, dass Menschen ihr Leben nicht so gestalten, wie es ihren Wünschen und Zielen eigentlich entspricht. Auch das kann für Unzufriedenheit sorgen.
So kann sich Konformitätsdruck im Job auswirken
Gruppenzwang spielt häufig auch im Arbeitsumfeld eine Rolle. Ein Beispiel ist Teamwork. Wenn mehrere Beteiligte zusammenarbeiten, ist die Gefahr groß, dass sich die lauteste Person durchsetzt. So kann sich ein Team auf eine Vorgehensweise einigen, die nicht optimal ist. Vielleicht zweifeln die Beteiligten sogar insgeheim an der Sinnhaftigkeit ihres Vorgehens, aber niemand traut sich, das offen zu sagen – weil alle denken, dass die anderen von der Sache überzeugt sind.
Das ist der Grund, warum Teamarbeit oft längst nicht so gut ist wie ihr Ruf bei vielen Arbeitgebern. Im Zweifel sind es diejenigen, die selbstbewusst sind und sich gut verkaufen können, die den Ton angeben. Andere Meinungen werden häufig übergangen, und zurückhaltendere Personen äußern ihre Einschätzung womöglich gar nicht erst.
Gruppenzwang im Job kann auch dazu führen, dass sich jemand in einem Meeting nicht traut, seine ehrliche Meinung zu sagen. Er möchte zum Beispiel einen Kollegen nicht offen kritisieren oder nicht sagen, dass er die Idee vom Chef für Murks hält. Solche Tendenzen sind oft schädlich für die Sache; sie führen häufig zu einem schlechteren Ergebnis, das dem Erfolg des Arbeitgebers schaden kann.
Umso wichtiger ist es, dass Firmen eine offene Kommunikation pflegen, in der konstruktive Kritik willkommen ist. Niemand sollte befürchten müssen, dass es ihm Nachteile bringt, seine Meinung zu sagen oder Bedenken zu äußern. Ebenso wichtig ist es, dass Arbeitgeber ihre Beschäftigten gezielt darin bestärken, für sich selbst zu denken. Die Mitarbeiter sollten dazu angehalten werden, eigene Ideen zu äußern, auch wenn womöglich nicht jeder ihre Meinung teilt.
Was kann man gegen Gruppenzwang tun?
Gruppenzwang ist also nicht immer, aber häufig mit negativen Folgen verbunden. Deshalb ist es wichtig, ihm vorzubeugen oder aber sich dagegen zu wehren, wenn sich schon ein Konformitätsdruck aufgebaut hat. Das Problem: Oft ist es einem gar nicht bewusst, dass Gruppenzwang existiert. Es ist also wichtig, immer wieder zu hinterfragen, woher deine Werte und Einstellungen eigentlich kommen und was dich zu bestimmten Handlungen und Entscheidungen bewegt. Sind es wirklich deine ureigenen Ziele und Vorstellungen, oder lässt du dich womöglich davon leiten, was deine Freunde, deine Familie, dein Partner, deine Kollegen oder auch Fremde auf einer Party denken?
Nimm dir vor, für dich selbst zu denken. Glaube nicht alles, was du hörst – auch wenn es von einer Person geäußert wird, die du magst. Wichtig ist auch, dass du aufhörst, allen gefallen zu wollen. Die meisten Menschen neigen instinktiv dazu. Oft gibt es deshalb nicht nur einen Konformitätsdruck in der eigenen Gruppe, sondern auch bei anderen Gruppen, die einem eigentlich gar nicht nahestehen und die im eigenen Leben auch keine nennenswerte Rolle spielen.
Selbstbewusstsein beugt Gruppenzwängen vor
Ein gesundes Selbstbewusstsein spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Je selbstsicherer du bist, desto weniger knickst du ein, wenn andere Kritik äußern, und desto weniger scheust du dich davor, dich unbeliebt zu machen. Wenn dein Selbstbewusstsein ausbaufähig ist, arbeite daran. Übe dich darin, abweichende Meinungen zu äußern und dazu zu stehen. Ebenso wichtig ist es, dass du den Mut hast, dich möglichst in jeder Situation authentisch zu verhalten. Viele Menschen passen sich an, aus Angst, dass ihr wahres Ich bei anderen auf Ablehnung stoßen würde.
Je nach Situation kann es manchmal hilfreich sein, Kompromissvorschläge zu machen, statt sich Gruppenzwängen komplett zu beugen. In anderen Fällen bist du am besten damit beraten, einfach dein Ding durchzuziehen, egal, was andere sagen. Wenn du in deinem Freundeskreis immer wieder das Gefühl hast, dich verbiegen zu müssen und nicht du selbst sein zu können, ist allerdings die Frage, was du von solchen Freunden hast. Im Zweifel suchst du dir vielleicht lieber andere Freunde, die besser zu dir passen. Lasse dich dabei nicht von der Angst leiten, nie wieder zu einer Gruppe zugehörig zu sein.
Das heißt nicht, dass du bei der erstbesten Meinungsverschiedenheit mit deinen Freunden brechen solltest oder das es grundsätzlich ein Problem wäre, wenn man mal andere Ansichten hat. Entscheidend ist aber, dass du dich grundsätzlich als Mensch akzeptiert und respektiert fühlst und deine Freunde reflektieren, wer du bist und welche Werte du hast.
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