AllgemeinNonkonformismus: Die Vor- und Nachteile als Einzelgänger

Nonkonformismus: Die Vor- und Nachteile als Einzelgänger

Nonkonformisten machen ihr eigenes Ding: Sie passen sich nicht an das an, was die Gesellschaft ihnen vorlebt, sondern denken für sich selbst. Was bringt es, seinen eigenen Weg zu gehen? Kann man lernen, unangepasst zu sein? Und kann Nonkonformismus auch Nachteile mit sich bringen? In diesem Artikel erfährst du mehr darüber.

Was ist Nonkonformismus?

Gehört haben wahrscheinlich die meisten Menschen schon mal von Nonkonformismus, auch bekannt als Nonkonformität. Doch was genau ist damit eigentlich gemeint? Der Duden spricht von einer unabhängigen Einstellung oder Auffassung, die von der vorherrschenden Meinung und bestehenden Verhältnissen abweicht. Damit kann mit Nonkonformismus vieles gemeint sein, zum Beispiel Ansichten, die nicht mit den allgemein anerkannten Vorstellungen konform gehen. Oder Verhaltensweisen, die den gesellschaftlichen Erwartungen nicht entsprechen. 

Ein Nonkonformist ist jemand, der nonkonformistisch denkt und/oder handelt. Damit kann eine Ablehnung von gesellschaftlichen oder anderen Normen einhergehen. Manche Nonkonformisten wollen „anders“ sein und grenzen sich deshalb mit ihrem Verhalten ganz bewusst von anderen ab. Gegen den Strom zu schwimmen muss aber kein Selbstzweck sein. Viele Nonkonformisten handeln mal so, wie es dem „Mainstream“ entspricht, und in anderen Fällen gehen sie ihren eigenen Weg – immer abhängig von ihren Überzeugungen und Idealen. Andere Nonkonformisten gefallen sich hingegen in ihrer Rolle als Querdenker und Querulanten. Sie möchten anecken.

Typische Merkmale von Nonkonformisten

Typisch ist für Nonkonformismus, dass man selbst überlegt, was man für richtig (und falsch) hält, wie man leben möchte und welche Ansichten man hat. Man übernimmt diese Dinge nicht einfach vom eigenen Umfeld oder dem, was man als gesellschaftlichen Konsens wahrnimmt. Stattdessen entwickelt man eigene Wertvorstellungen, nach denen man sein Leben ausrichtet. Man steht zu sich und seinen Ansichten, auch wenn es bequemer wäre, sich anzupassen.

Wenn jemand nonkonformistische Züge hat, kann das seinen ganzen Charakter und seine Lebensweise insgesamt betreffen, aber sich auch nur auf einzelne Aspekte beziehen. Ein Künstler könnte zum Beispiel in seiner Interpretation von Kunst nonkonformistisch sein und sich nicht darum scheren, was andere machen oder was bestimmte Stile vermeintlich vorschreiben. Das muss nicht heißen, dass diese Person in ihrer ganzen Persönlichkeit unangepasst ist. Es kann bei Nonkonformismus auch um andere kulturelle Bereiche gehen, ebenso um Politik, Gesellschaft und Wissenschaft. 

So kann sich Nonkonformismus äußern

Wenn jemand nonkonformistisch ist, kann sich das auf ganz unterschiedliche Art und Weise äußern. Nehmen wir die Wissenschaft: Neue Ideen und Vorstellungen sind per Definition nonkonformistisch. Wenn sie das erste Mal geäußert werden, erfahren sie durch ihre Abweichung von gängigen Ansichten oft viel Ablehnung.

Um nur ein paar Beispiele zu nennen: Als der ungarische Arzt Ignaz Semmelweis die Theorie aufstellte, dass ungewaschene Hände für den Tod von Neugeborenen verantwortlich sein könnten, stieß das bei Ärzten nicht gerade auf Gegenliebe. Semmelweis aber hatte natürlich recht. Oder ein prominentes Beispiel: Der italienische Universalgelehrte Galileo Galilei widersprach der zu seiner Zeit gängigen Vorstellung, dass die Erde das Zentrum des Universums sei. Seine alternative Idee, dass die Erde um die Sonne kreist, fanden seine Zeitgenossen absurd.

Was nonkonformistisch ist, hängt vom Umfeld ab

Nonkonformismus kann sich nicht nur durch neuartige Ideen äußern, sondern auch durch abweichende Vorstellungen. Es wäre zum Beispiel in Deutschland sicherlich nonkonformistisch, sich als Befürworter der Todesstrafe zu erkennen zu geben. Oder, wie die Reichsbürger, zu behaupten, dass Deutschland in Wahrheit eine GmbH sei. Auch im Auftreten und Kleidungsstil kann jemand nonkonformistisch sein. Tragen zum Beispiel Männer Kleider, fallen sie damit sicherlich als unangepasst auf. So ging es vor noch nicht allzu langer Zeit auch Frauen, die statt Kleidern lieber Hosen trugen. Sich das ganze Gesicht tätowieren zu lassen ist ebenso ein Zeichen für Nonkonformismus wie das Tragen von sommerlicher Kleidung im Winter.

Was als nonkonformistisch gewertet werden kann, hängt nicht zuletzt davon ab, in welchem Umfeld sich jemand bewegt. Wer im Freundeskreis nur überzeugte Vegetarier hat, fällt durch seinen Nonkonformismus auf, wenn er sagt, dass er Fleischessen voll in Ordnung findet. In einem Freundeskreis, in dem Fleischkonsum an der Tagesordnung ist, wäre es hingegen unangepasst, wenn sich jemand als Veganer outen würde. Wer Freunde hat, die auf dem politischen Spektrum links zu verorten sind, könnte Nonkonformismus zeigen, indem er seine Verehrung für Margaret Thatcher zum Ausdruck bringt. Wer sich hingegen inmitten von Konservativen bewegt, fällt auf, wenn er plötzlich in gendergerechter Sprache spricht.

Was entscheidet darüber, wie angepasst oder unangepasst jemand ist?

Manche Menschen sind unangepasst, während andere Angst haben, durch abweichende Meinungen oder Verhaltensweisen negativ aufzufallen. Woran liegt es, dass manche Menschen mehr zu (Non-)Konformismus neigen als andere? Einerseits hängt es von der Persönlichkeit eines Menschen ab, wie stark seine nonkonformistischen Züge sind. Andererseits ist es auch eine Frage der Umwelt und von bisherigen Erfahrungen.

Was die Eltern und andere wichtige Bezugspersonen vorgelebt haben, spielt dabei eine wichtige Rolle. Kinder entwickeln am ehesten individuelle Wertvorstellungen, wenn sie sich sicher fühlen und viele Freiheiten haben. Eltern können ihre Kinder zu kritischen Denkern erziehen, die die Berechtigung von gängigen Normen hinterfragen. Solche Kinder sind auch als Erwachsene eher unangepasst und denken für sich selbst.

Nonkonformismus setzt Selbstbewusstsein voraus

Damit jemand Nonkonformismus zeigen kann, darf es ihm nicht so wichtig sein, was andere von ihm denken. Ein Mindestmaß an Selbstbewusstsein ist damit unentbehrlich. Sich von den Reaktionen anderer freizumachen ist allerdings nicht so leicht, denn es liegt in der menschlichen Natur, Gruppen zu bilden oder sich ihnen anzuschließen. Wer Teil einer Gruppe ist, fühlt sich zugehörig.

Diese Zugehörigkeit gibt Sicherheit und schützt vor Einsamkeit. Zeigt jemand nonkonformistische Züge, riskiert er die Teilhabe in Gruppen und am gesellschaftlichen Leben im weiteren Sinn. Das kann bedrohlich und damit abschreckend wirken. Aus diesem Grund scheuen sich viele Menschen nicht nur davor, nonkonformistisch zu denken, sondern auch, bestehende abweichende Meinungen und Ideen zu äußern.

Der Wunsch nach Teilhabe kann einerseits dafür sorgen, dass man mit den gängigen Vorstellungen und Verhaltensnormen konform geht. Andererseits kann er der Grund dafür sein, warum jemand nonkonformistisch auftritt. Wer zu einer Gruppe dazugehören möchte, die durch Nonkonformismus geprägt ist, sollte selbst ein Mindestmaß an Nonkonformität zeigen. Das können bunt gefärbte Haare sein, Piercings, Tattoos oder ein bestimmter Kleidungsstil. Es kann auch bedeuten, sich in einer bestimmten Art und Weise zu verhalten – zum Beispiel bestimmte Drogen zu nehmen, Risiken einzugehen oder bestimmte Meinungen zu haben.

Was es dir bringt, unangepasster zu sein

Was bringt es, nonkonformistisch zu sein? Unangepasst zu denken und zu handeln kann viele Vorteile mit sich bringen. Nonkonformismus hilft einem dabei, seinen Weg zu gehen. Wer sich in seinem Denken und in seinem Verhalten nicht von dem leiten lässt, was andere (vermeintlich) von ihm erwarten, ist wesentlich freier. Er kann selbst entscheiden, welche Prioritäten er im Leben hat, welche Wertvorstellungen ihm wichtig sind und wovon er sich im Handeln leiten lässt. Das macht es wahrscheinlicher, dass er ganz er selbst ist – und damit fast automatisch auch zufriedener mit sich.

Wer sich traut, zu sich und seinen Meinungen zu stehen, muss sich nicht verstellen, sondern kann sein Leben so leben, wie er es für richtig hält. Ironischerweise kann gerade Nonkonformismus dazu führen, dass andere Menschen einen respektieren. Die meisten Menschen sind von jemandem, der seinen Weg geht, stärker beeindruckt als von Mitläufern, die sich nicht trauen, ihre Meinung zu sagen.

Mit (sichtbarer) Unangepasstheit geht meist ein gesundes Selbstvertrauen einher. Auch das macht tendenziell zufriedener. Sich so zu verhalten, wie es den ureigenen Vorstellungen entspricht, hilft außerdem dabei, persönliche Ziele zu erreichen. Wer sich hingegen von der Angst davor leiten lässt, was andere von ihm denken könnten, wenn er XY macht, ist in seinen Handlungsoptionen limitiert.

Auf einer übergeordneten Ebene ist Nonkonformismus wichtig, um Fortschritt voranzutreiben. Viele innovative Ideen waren anfangs nonkonformistisch. Traut sich niemand, abseits der eingetretenen Wege zu denken, können auch nie neue Wege eingeschlagen werden. Das kann zulasten der gesellschaftlichen Entwicklung gehen.

Risiken und Nachteile von Nonkonformismus

Nonkonformismus bringt allerdings auch so manchen Nachteil mit sich und kann Risiken bergen. Das betrifft vor allem die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und die Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen. Nonkonformistisches Denken und Auftreten kann dafür sorgen, dass man aus sozialen Kreisen ausgeschlossen wird oder es Konflikte mit anderen Menschen gibt.

Wer nonkonformistische Ansichten äußert oder sich unangepasst kleidet oder lebt, wird eher zur Zielscheibe von Getuschel oder offener Kritik. Das kann belastend sein, selbst wenn man ein dickes Fell hat. Schlimmstenfalls verliert man seine bisherigen Bezugspersonen und schafft es nicht, Gleichgesinnte zu finden, durch die eine Zugehörigkeit mit den damit verbundenen Vorteilen wieder möglich ist.

In einem beruflichen Kontext kann es riskant sein, (allzu) nonkonformistisch aufzutreten. Wer sich nicht an die üblichen Verhaltensnormen hält, kann sich unbeliebt machen. Es kann sein, dass andere ihn weniger mögen oder schätzen oder dass sie abfällig über ihn reden. Der eigene Ruf kann durch stark zur Schau getragenen Nonkonformismus leiden, was dazu führen kann, dass man sich berufliche Chancen verbaut. Wenn der Chef einen beispielsweise für zu unkonventionell hält, bleibt einem die Beförderung womöglich verwehrt.

So lernst du, deinen eigenen Weg zu gehen

Es kann sehr erfüllend sein, seinen eigenen Weg zu gehen. Es setzt aber ein gewisses Maß an Nonkonformismus – oder zumindest die Bereitschaft dazu – voraus. Wie kann man lernen, nonkonformistischer zu denken und zu handeln? Dazu sind verschiedene Dinge wichtig.

Einerseits musst du dazu bereit sein, für dich selbst zu denken und für deine Ansichten einzustehen. Gerade der zweite Punkt kann sehr viel Überwindung kosten. Das heißt nicht, dass du bei jeder Gelegenheit deine Meinung äußern solltest oder müsstest. Es kann aber bedeuten, nicht zuzustimmen, weil der Gruppendruck groß ist, sondern dazu zu stehen, dass du anderer Meinung bist.

Wenn du deinen Weg gehen möchtest, muss dir klar sein, dass es Menschen geben kann, die das nicht gut finden. Vielleicht erntest du abfällige Kommentare oder zweifelnde Blicke. Wenn du unangepasst sein möchtest, musst du das aushalten können. Das ist ein Lernprozess: Je geübter du darin bist, zu dir und deinen Vorstellungen zu stehen, desto leichter wird es dir fallen und umso natürlicher wird es für dich werden.

Wer bist du?

Andererseits musst du für mehr Nonkonformismus wissen, wer du bist. Was macht dich in deinem Kern aus? Diese Frage ist meist gar nicht so leicht zu beantworten, denn oft übernehmen wir Dinge von unserer Umwelt oder der Gesellschaft. Für sich selbst zu denken kann bedeuten, Dinge auf den Prüfstand zu stellen, die ein Leben lang selbstverständlich für dich waren. Das kann zum Beispiel der Glaube sein, dass man eine Karriere anstreben sollte. Dass man einen gutbezahlten Job wählen sollte, statt sich mit einem geringen Gehalt zufriedenzugeben, dafür aber auch weniger Verantwortung zu haben. Oder dass man heiraten und eine Familie gründen sollte.

Was auch immer deine Vorstellungen sind – überprüfe sie, und zwar selbstkritisch. Es geht darum, herauszufinden, was deine ureigenen Prioritäten, Ziele und Ansichten sind. Dabei sollte es nicht dein Ziel sein, auf Teufel komm raus gegen den Strom zu schwimmen, sondern dich so zu verhalten, wie es dir wirklich entspricht. Wenn du deinen Kern kennst, kannst du danach leben.

Traue dich öfter, das zu tun, was du wirklich willst, statt nach den Spielregeln anderer zu spielen. Traue dich, deine Meinung zu sagen, auch wenn du nicht weißt, wie das bei anderen ankommen wird. Lerne, mit Gegenwind umzugehen und dir auch dann treu zu bleiben, wenn es unbequem ist. Wenn du diese Strategie mit all ihren Konsequenzen umsetzt, wirst du immer mehr zu dir selbst finden und mit der Zeit immer stärker deinen Weg gehen.

Wie nonkonformistisch kann man sein?

Unangepasst sein, seinen eigenen Weg gehen, für sich denken – das klingt alles gut. In der Praxis hat Nonkonformismus aber Grenzen. Völlig losgelöst von gängigen Normen und den vorherrschenden Vorstellungen davon, wie bestimmte Dinge laufen sollten, kann man letztlich gar nicht denken. Kein Mensch befindet sich in einem Vakuum. Unzählige Einflüsse prägen unser Leben von dem Moment an, in dem wir uns im Bauch der Mutter entwickeln. Dem kann man sich gar nicht verwehren. Diese Umwelteinflüsse prägen ebenso wie unsere Gene, zu welcher Person wir heranwachsen, welche Persönlichkeit wir entwickeln und welche Vorstellungen wir haben. Radikaler Nonkonformismus würde bedeuten, absolut frei von den vorherrschenden Strukturen eigene Lösungen zu entwickeln. Das ist letztlich nicht realistisch.

Natürlich ist es möglich, kritisch zu sein und für sich selbst zu denken. Du kannst dich bemühen, herauszufinden, wer du wirklich bist. Du kannst deine eigenen Werte entwickeln und eigene Ansichten formen. Du kannst nach dem allgemeinen Verständnis davon, was das bedeutet, ein nonkonformistischer Mensch sein. Du solltest dabei aber nicht dem Trugschluss unterliegen, dass du in der Formung deiner Persönlichkeit und deiner Verhaltensweisen wirklich völlig frei warst. Selbst wenn jemand wie Tarzan in der Wildnis aufwachsen würde, würde er unweigerlich durch bestimmte Dinge in seiner Entwicklung – und damit in seinem Charakter, seinen Denk- und Verhaltensweisen – beeinflusst.

Bildnachweis: ViDI Studio / Shutterstock.com

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