AllgemeinWork-Life-Blending: Eine neue Arbeitsweise

Work-Life-Blending: Eine neue Arbeitsweise

Work-Life-Balance war gestern, heute lautet das Zauberwort: Work-Life-Blending. Diesen Eindruck erweckt jedenfalls so mancher Artikel in Karriere-Blogs. Es ist zwar eine Tatsache, dass es bei immer mehr Arbeitnehmern zum Work-Life-Blending, also der Vermischung von Arbeit und Privatleben, kommt. Ob das aber aus Arbeitnehmersicht unbedingt eine positive Entwicklung ist, ist die andere Frage. Die gute Nachricht: Wie sehr die Grenzen zwischen Privatleben und Job verwischen, hast du zu großen Teilen selbst in der Hand. Hier erfährst du mehr über das Modell, seine Vor- und Nachteile und wie du es sinnvoll gestalten kannst.

Work-Life-Blending Definition: Was ist das?

Vielleicht kennst du es noch von früher oder hast es zumindest bei deinen Eltern erlebt: Der Arbeitstag war vor noch nicht allzu langer Zeit für fast alle Arbeitnehmer von bestimmten, fixen Arbeitszeiten geprägt. Man verließ dann etwa um 7.30 Uhr das Haus, war um 8 Uhr bei der Arbeit und um 17.30 Uhr wieder zuhause. Feierabend. Mit der Arbeit hatte man, tatsächlich und gedanklich, meist erst am nächsten Morgen wieder etwas zu tun.

Dieses Bild gilt für eine zunehmende Anzahl an Beschäftigten nicht mehr. Die Arbeitszeiten sind vielerorts flexibel – nicht zuletzt, weil viele Arbeitnehmer sich das wünschen – und können von Tag zu Tag schwanken. Und gerade im Homeoffice machen viele ihre Stunden nicht am Stück, sondern der Tag ist durch kürzere und längere Pausen zwischendurch gekennzeichnet. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass ein Beschäftigter von 8 bis 11.30 Uhr arbeitet, dann aber erst wieder um 13.30 Uhr am Schreibtisch sitzt und bis 18.30 Uhr durcharbeitet. Der Arbeitstag kann auch in mehrere kürzere Zeitabschnitte gegliedert sein. Das ist mit Vertrauensarbeitszeit möglich.

Wenn die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben verschwimmen

In solchen Situationen kommt es fast unweigerlich zu einer Vermischung von Arbeit und Privatleben. Dazu trägt im Homeoffice nicht nur die Tatsache bei, dass man sich (meist) auch während der Arbeit in der eigenen Wohnung befindet. Wenn man sich zwischendurch immer wieder privaten Dingen widmet, verschwimmen die Trennlinien zwischen Privatem und Beruflichem zunehmend. Genau das ist es, was mit Work-Life-Blending – auf Deutsch etwa die Verschmelzung von Arbeit und Leben – gemeint ist.

Work-Life-Blending kann nicht nur entstehen, wenn jemand häufig im Homeoffice arbeitet. Wenn ein Arbeitnehmer beim Abendessen berufliche Mails checkt oder am Wochenende „freiwillig“ eine Extra-Schicht einlegt, um die Präsentation fertig zu bekommen, trägt auch das dazu bei, dass die Grenzen zwischen den verschiedenen Bereichen des Lebens aufgeweicht werden. Ein oft hoher Workload, die impliziten oder expliziten Erwartungen des Arbeitgebers und nicht selten auch das eigene Karrierestreben können dazu führen, dass Beschäftigte arbeiten, obwohl sie eigentlich gerade frei haben.

Work-Life-Blending statt Work-Life-Balance?

Es heißt oft, Work-Life-Blending habe die vielbeschworene Work-Life-Balance ersetzt, die ohnehin illusorisch sei. Bei der Work-Life-Balance geht es darum, dass sich Arbeit und Privatleben die Waage halten und kein Bereich zu kurz kommt. Praktisch heißt das: Trotz Arbeit soll noch genügend Freizeit bleiben. Während es Arbeitgebern zugutekommen mag, wenn die Grenzen zwischen Arbeit und Privatem verschwimmen und die Mitarbeiter dadurch besser erreichbar sind und mehr arbeiten, wäre ein zunehmendes Work-Life-Blending in Kombination mit einer schlechteren Work-Life-Balance für viele Arbeitnehmer keine gute Entwicklung.

Bedeutungslos wird Work-Life-Balance bei Work-Life-Blending nicht. Im Gegenteil gewinnt Work-Life-Balance sogar noch an Bedeutung, wenn es zu einer Vermischung von Arbeit und Privatleben kommt: Damit die Beschäftigten nicht das Gefühl haben, zumindest gedanklich nur noch mit der Arbeit beschäftigt zu sein, sind klar arbeitsfreie Zeiten umso bedeutsamer. Anders gesagt: Je mehr Raum die Arbeit – gedanklich und tatsächlich – einnimmt, umso wichtiger ist es, einen Ausgleich zu schaffen.

Welche Vorteile hat Work-Life-Blending für Arbeitnehmer und Arbeitgeber?

Work-Life-Blending kann sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber mit Vorteilen verbunden sein. Auf Arbeitnehmerseite gilt das am ehesten für Beschäftigte, die sich dieses Modell freiwillig ausgesucht haben. So praktizieren zum Beispiel viele Selbstständige Work-Life-Blending: Sie legen sich Arbeitszeiten und Privates so, wie es von Tag zu Tag am besten passt. Einen Chef müssen sie schließlich nicht um Erlaubnis bitten.

Auch angestellt Beschäftigte können Work-Life-Blending als gutes Modell empfinden. In Verbindung mit flexiblen Arbeitszeiten oder Vertrauensarbeitszeit und Homeoffice gibt es ihnen viele Freiheiten und viel Flexibilität bei der Gestaltung ihres Alltags. Wer zwischendurch die Kinder abholen oder wegbringen muss, kann das problemlos tun, sofern keine wichtigen Termine von der Arbeit zu diesen Zeiten anstehen. Es ist ebenso oft möglich, zwischendurch mal einige Stunden nicht zu arbeiten und das dann später am Tag nachzuholen. In diesem Sinne kann Work-Life-Blending der Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder dem Privatleben allgemein zugutekommen.

Manche Arbeitnehmer machen ihren Job so gerne, dass es sie nicht stört, wenn der Job im Alltag viel Raum einnimmt. Für sie mögen die Nachteile von Work-Life-Blending, um die es im nächsten Abschnitt geht, keine allzu große Rolle spielen.

Vorteilhaft ist Work-Life-Blending nicht zuletzt für Arbeitgeber. Viele Beschäftigte sind bei flexiblen und wechselnden Arbeitszeiten nämlich länger erreichbar. Sie antworten zum Beispiel oft noch abends auf Mails und sind nicht selten selbst am Wochenende ansprechbar. Außerdem kann sich die faktische Arbeitszeit durch Work-Life-Blending verlängern, weil die Arbeitnehmer den Überblick über ihre Arbeitszeit verlieren. Wenn die Mitarbeiter Überstunden machen, die der Arbeitgeber nicht einmal bezahlen muss, ist das ein klarer Vorteil für Unternehmen.

Diese Nachteile kann Work-Life-Blending mit sich bringen

Work-Life-Blending ist die Antwort auf veränderte Rahmenbedingungen in der Arbeitswelt, die nicht zuletzt auf den Wunsch von Beschäftigten zurückgehen. Arbeiten im Homeoffice, flexible Arbeitszeiten und mobiles Arbeiten – das sind alles Dinge, die für viele Arbeitnehmer erstrebenswert sind und die viele Unternehmen ermöglichen, weil sie dadurch als Arbeitgeber attraktiver werden. Flexible Arbeitsbedingungen erleichtern Beschäftigten die Gestaltung ihres Alltags und können zu einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben beitragen. Dasselbe lässt sich über Work-Life-Blending sagen, schließlich kann man sich problemlos zwischendurch privaten Dingen widmen.

Trotzdem ist Work-Life-Blending mit Vorsicht zu genießen. Die Arbeit kann dadurch nämlich noch einen größeren Stellenwert bekommen und im Alltag omnipräsent werden. Angenommen, du fängst im Homeoffice um 7.30 Uhr mit der Arbeit an. Durch viele Pausen für private Dinge bist du aber erst abends um 18.30 Uhr mit der Arbeit fertig. Wetten, dass du während deiner freien Zeit zwischendurch gedanklich immer nah am Job warst – im Wissen, dass du nach der kurzen Pause wieder loslegen musst? So kann sich der Arbeitstag in die Länge ziehen, auch wenn du faktisch gar nicht mehr arbeitest. Es kann auch schwerer sein, sich später am Tag noch zu konzentrieren.

Immer im Standby-Modus

Es kann auch sein, dass dein Arbeitgeber von dir eine erweiterte Erreichbarkeit erwartet. Vielleicht kannst du deine Arbeitszeiten selbst festlegen und der Chef weiß gar nicht genau, wann du arbeitest. Wenn er dich nun anruft, während du noch am Frühstückstisch sitzt, gehst du wahrscheinlich aus Pflichtgefühl ran. Oder du hast eigentlich schon Feierabend, als eine wichtige E-Mail eintrudelt: Vermutlich wirst du dich noch darum kümmern, statt deine Freizeit zu genießen.

Auf Dauer kann das dazu führen, dass Betroffene das Gefühl haben, ständig auf Standby zu sein. Dadurch kann die Freizeit an Wert verlieren, besonders, wenn sie in kurzen Abschnitten in den Arbeitstag integriert ist. Wahrscheinlich kannst du dich besser entspannen, wenn du mit der Arbeit fertig bist, als wenn du weißt, dass du gleich wieder ranmusst. Deshalb kann die Entspannung unter Work-Life-Blending leiden, was das Stressempfinden erhöhen kann. Schlimmstenfalls leidest du unter so einer Situation nach einer gewissen Zeit psychisch und/oder körperlich, zum Beispiel in Form von Burnout, Ängsten, Schlafstörungen, Tinnitus oder Herz-Kreislauf-Problemen.

Nachteile von Work-Life-Blending abmildern: Das kannst du tun

Work-Life-Blending ist am Ende das, was du daraus machst. Natürlich hast du gewisse Vorgaben von deinem Arbeitgeber, aber viele Aspekte von Work-Life-Blending kannst du relativ frei gestalten und zu deinen Gunsten regeln. Wenn du das Gefühl hast, dass die Nachteile von Work-Life-Blending für dich überwiegen oder dir zumindest Probleme bereiten, können dir die folgenden Tipps dabei helfen, das Modell verträglicher zu gestalten.

Feste Arbeitszeiten festlegen

Niemand hindert dich daran, dir trotz flexibler Arbeitszeiten vorher zu überlegen, wann du arbeiten wirst. Manchen Menschen hilft es, wenn die Arbeitszeiten jeden Tag dieselben sind – so wie bei einem klassischen 9-to-5-Job, nur eben zu den Zeiten, die dir am besten passen. Wenn du flexibler bleiben möchtest oder musst, kannst du auch für jeden einzelnen Tag überlegen, wann du arbeiten wirst. Das macht deinen Tag planbarer und das Risiko ist geringer, dass du unbemerkt mehr arbeitest als gedacht – oder am Ende zu wenig geschafft hast, weil du ständig zwischendurch etwas anderes gemacht hast.

Erreichbarkeit kommunizieren

Sprich dich mit deinem Arbeitgeber ab, zu welchen Zeiten du grundsätzlich erreichbar bist. Dadurch wirst du weniger Anrufe am Frühstückstisch erhalten und dein Chef fragt sich am frühen Abend nicht, warum du nicht mehr auf seine E-Mail antwortest. Es ist auch hilfreich, deine grundlegenden Arbeitszeiten an die Kollegen zu kommunizieren. So erhältst du auch von ihnen weniger Kontaktanfragen, wenn du eigentlich gerade Freizeit hast. Wenn klar ist, wann du erreichbar bist und wann nicht, hast du wahrscheinlich ein weniger schlechtes Gewissen, wenn du mal nicht ans Telefon gehst oder auf E-Mails antwortest, und es fällt dir leichter, abzuschalten.

Vorsicht mit freiwilliger Erreichbarkeit

Eigentlich bist du schon im Feierabend, und dein Chef weiß das auch. Trotzdem klingelt dein Handy oder der Vorgesetzte meldet sich mit einer wichtigen E-Mail, bei der du weißt, dass er gerne eine Antwort hätte. Viele Arbeitnehmer sehen sich in solchen Fällen unter Druck, auf die Kontaktaufnahme zu reagieren. Damit solltest du aber vorsichtig sein. Wenn das nämlich alle Kollegen so handhaben, wird es der Arbeitgeber irgendwann erwarten. Damit tust du dir, aber auch den Kollegen keinen Gefallen.

Arbeitszeiten notieren

Bei Work-Life-Blending ist die Gefahr gegeben, dass du unfreiwillig Überstunden machst, über die du dir gar nicht bewusst bist. Mache es dir deshalb zur Angewohnheit, deine Arbeitszeiten zu erfassen. So behältst du immer den Überblick – und riskierst nicht, dass du mehr arbeitest, ohne dafür wenigstens entlohnt zu werden oder einen Freizeitausgleich zu bekommen.

Arbeit und Privates räumlich trennen

Work-Life-Blending ist meist mit der Arbeit im Homeoffice verbunden. Damit es dir so gut wie möglich gelingt, in deiner Freizeit wirklich zu entspannen, solltest du Arbeit und Privates nach Möglichkeit räumlich trennen. Nutze also ein gesondertes Arbeitszimmer, dessen Tür du nach der Arbeit schließen kannst. Es wird dir sonst schwerer fallen, abzuschalten, wenn du noch beim Abendessen deinen Arbeitsplatz im Blick hast.

Bildnachweis: Dragana Gordic / Shutterstock.com

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