AllgemeinFrugalismus: Frührente zu welchem Preis?

Frugalismus: Frührente zu welchem Preis?

Immer mehr Menschen sehen den Sinn des Lebens nicht darin, bis ins hohe Alter zu arbeiten. Wäre es nicht schön, sich schon früher aus dem Berufsleben verabschieden zu können, um die verbleibende Lebenszeit selbstbestimmt gestalten zu können? Ein Ansatz, mit dem das tatsächlich möglich sein kann, ist der Frugalismus. Was hinter dem Konzept steckt und für wen es infrage kommt, erfährst du in diesem Artikel.

Frugalismus: Was steckt dahinter?

Frugalismus – was ist das überhaupt? Gemeint ist ein bestimmter Lebensstil. Anhänger der Frugalismus-Bewegung streben an, durch entsprechende Rücklagen finanziell unabhängig von einer Erwerbstätigkeit zu werden. Damit ist in der Regel das Ziel verbunden, deutlich oder etwas früher in Rente gehen zu können.

Der Begriff leitet sich vom lateinischen Wort „frugalis“ ab, was so viel bedeutet wie „wirtschaftlich“ oder „sparsam“. Der Duden definiert frugal, bezogen auf die Lebensweise eines Menschen, als „einfach, bescheiden; nicht üppig“. Im englischsprachigen Raum ist auch das Akronym FIRE für den Frugalismus geläufig. Die Abkürzung steht für „financial independence, retire early“ – also zu deutsch: finanzielle Unabhängigkeit, früher in Rente gehen.

Die FIRE-Bewegung wurde maßgeblich durch das Buch „Your Money or Your Life“ (deutsch: „Mehr Geld für mehr Leben“) der Autoren Vicki Robin und Joe Dominguez geprägt, welches im Jahr 1992 veröffentlicht wurde. Robin und Dominguez haben selbst mit Frugalismus und einer einfacheren Lebensweise experimentiert und es geschafft, mit dem Bruchteil der üblichen Kosten zu leben. Dabei investierten sie auch in Geldanlagen und nutzten die Erträge, um ihre Ausgaben zu decken.

Beim Frugalismus geht es darum, seine Ausgaben stark zu verringern, um hohe Rücklagen zu ermöglichen. Extreme Sparsamkeit wird dabei mit Investments gekoppelt, um die eigenen Ersparnisse weiter ansteigen zu lassen. Wenn genügend Geld angespart ist, kann man sich dann früher als eigentlich möglich aus dem Berufsleben verabschieden. Häufig streben Frugalisten schon Jahrzehnte früher einen faktischen Renteneintritt an, etwa mit 40 oder sogar noch eher.

Frugalistisch leben und früher in Rente gehen: Wie kann es funktionieren?

Mit 40 in Rente gehen? Das klingt für viele Menschen wahrscheinlich zu gut, um wahr zu sein. Während das Modell Frugalismus tatsächlich für viele Beschäftigte letztlich nicht infrage kommt, ist es doch prinzipiell möglich, durch eiserne Sparsamkeit Rücklagen zu generieren, die dann einen frühen Renteneintritt finanzieren.

Eine frühere Rente dank Frugalismus kann klappen, aber nur mit einer guten und möglichst frühzeitigen Planung. Wer mit Frugalismus früher aus dem Beruf aussteigen möchte, sollte genau wissen, wie er das anstellen möchte, und sich an diesen Plan auch halten. Im Kern sollte das Ziel sein, möglichst hohe Einnahmen bei möglichst geringen Ausgaben zu haben.

Ausgaben verringern

Im ersten Schritt geht es beim Frugalismus darum, seine Ausgaben deutlich zu verringern, indem man jeden Bereich des Lebens auf Einsparpotenzial abklopft. Du solltest bei einer frugalistischen Lebensweise bei jeder Ausgabe bedenken, wie lange du dafür arbeiten musst, und dich dann fragen, ob sie wirklich nötig ist. Im Zentrum steht dabei die Frage, was wirklich überlebensnotwendig ist und worauf man verzichten kann. Dabei gibt es keine Vorgaben; was wirklich erforderlich ist im Leben, entscheidet jeder Mensch individuell. Man kann zum Beispiel überlegen

  • in eine günstigere Wohnung zu ziehen,
  • bestimmte Verträge zu beenden oder sich für günstigere Varianten zu entscheiden,
  • öfter mal das Auto stehenzulassen und zu Fuß zu gehen,
  • auf Restaurantbesuche, Kino und Co zu verzichten,
  • nicht mehr oder wesentlich günstiger Urlaub zu machen,
  • Dinge gebraucht statt neu zu kaufen oder
  • defekte Gegenstände zu reparieren statt sie zu ersetzen.

Möglichst viel Geld verdienen

Auf der anderen Seite ist das Ziel beim Frugalismus, möglichst viele Rücklagen zu bilden. Dazu ist es wichtig, einen möglichst gutbezahlten Job zu haben. Wer noch jung ist und deshalb noch vor der Entscheidung für einen Beruf steht, sollte das berücksichtigen und sich bei der Berufswahl von der Höhe der Gehälter leiten lassen. Es hilft natürlich auch, Karriere zu machen und in möglichst hohe Positionen aufzusteigen. Wenn du in deinem Job nicht genügend verdienst, um genug sparen zu können, kann auch ein Zweitjob eine Option sein. Es kann auch eine Möglichkeit sein, durch Vermietung Nebeneinkünfte zu generieren.

Das Geld möglichst gewinnbringend anlegen

Rücklagen alleine reichen meist nicht, um sich viele Jahre vor dem eigentlichen gesetzlichen Renteneintrittsalter aus dem Berufsleben verabschieden zu können. Wer frugalistisch lebt, sollte sein Geld möglichst gewinnbringend anlegen. Frugalisten investieren einen großen Teil ihrer Ersparnisse, um ihre Rücklagen zu vermehren. Dazu bieten sich Geldanlagen mit hohen Renditechancen an, die jedoch auch ein entsprechendes Risiko bergen. Das kann zum Beispiel bedeuten, in Aktien, ETFs und Aktienfonds zu investieren. Wer sich damit nicht auskennt, sollte sich unbedingt gut informieren beziehungsweise beraten lassen.

Den Job aufgeben, wenn die Rücklagen hoch genug sind

Wenn man genug Geld angespart hat, kann man den Job aufgeben. Anschließend lebt man von den eigenen Ersparnissen, wobei auch in dieser Phase extreme Sparsamkeit gefragt ist. Vom angesparten Vermögen werden typischerweise jährlich nur etwa drei bis vier Prozent abgehoben, um zwingend erforderliche Ausgaben decken zu können.

Wie viele Rücklagen braucht man für einen vorzeitigen Abschied aus dem Job?

Wer überlegt, ob eine frugalistische Lebensweise einen früheren Renteneintritt tatsächlich ermöglichen kann, muss wissen, wie viel Geld er zum Leben braucht. Dabei ist es natürlich hilfreich, möglichst früh mit dem Sparen anzufangen, im besten Fall sofort mit dem Eintritt in die Berufstätigkeit. Dadurch müssen monatlich geringere Summen zurückgelegt werden. Frugalismus geht aber fast immer mit hartem Sparen einher; typischerweise werden bis zu 70 Prozent der jährlichen Einnahmen für später zurückgelegt.

In Rente gehen kann man dann, wenn die eigenen Ersparnisse etwa 30-mal so hoch sind wie die erwarteten jährlichen Ausgaben. Wie hoch die Summe sein muss, ist damit individuell und hängt davon ab, mit wie wenig Geld du auskommen kannst. Ein Rechenbeispiel: Wenn du jedes Jahr 30.000 Euro brauchst, solltest du mindestens 900.000 Euro angespart haben, bevor du deinen Job kündigst.

Wie hoch die Ersparnisse sein sollten, hängt darüber hinaus davon ab, wie viel früher du in Rente gehen möchtest. Wenn du schon mit 40 aufhören möchtest, hast du womöglich noch mehr als 30 Lebensjahre übrig. Also brauchst du auch mehr Geld. Hier könnte die Rechnung dann eher lauten: das jährlich benötigte Geld mal 45. Das wären bei diesem Beispiel schon 1,35 Millionen Euro, die du an Rücklagen haben solltest.

Bei der Überlegung, ob du dir mit einer frugalistischen Lebensweise Unabhängigkeit von einer Erwerbstätigkeit ermöglichen kannst, solltest du kritisch hinterfragen, wie viel Geld du wirklich brauchst. Denke dabei nicht nur an deine jetzige Situation, sondern auch an mögliche spätere Umstände. Vielleicht hast du später eine Familie, was entsprechend mehr Geld erfordert. Es kann auch sein, dass du ungeplante Ausgaben hast. Das solltest du bedenken.

Mache dir bewusst, dass es sehr schwer sein kann, eine extreme Sparsamkeit nicht nur über einige Monate oder Jahre, sondern für den Rest deines Lebens aufrechtzuerhalten. Im besten Fall testest du deine Kalkulation aus, indem du versuchst, ein Jahr lang von der Summe zu leben, die später ausreichen soll. Anschließend kannst du besser einschätzen, ob deine Überlegungen realistisch waren oder nicht.

Für wen kommt eine frühere Rente mit Frugalismus infrage?

Keine Frage: Die Idee, frugalistisch zu leben und es dadurch möglich zu machen, früher in Rente zu gehen, klingt verlockend. Wenn es um Frugalismus geht, stellt sich aber die praktische Frage, für wen dieses Konzept tatsächlich infrage kommt. Anders gefragt: Wie realistisch ist eine frühere Rente dank Frugalismus?

Wer durchrechnet, wie viel Geld nötig wäre, um Jahre oder gar Jahrzehnte früher in Rente zu gehen, stellt schnell fest: Dabei geht es um ziemlich viel Geld. Das muss man erstmal ansparen können. Viele Frugalisten legen jeden Monat bis zu 70 Prozent ihres Einkommens beiseite. Der Großteil der Arbeitnehmer hat jedoch nicht ansatzweise den finanziellen Spielraum, lediglich mit 30 oder auch 50 Prozent seiner monatlichen Einkünfte über die Runden zu kommen. Damit ist der Frugalismus – zumindest, wenn er mit Zielen wie einer Rente mit 40 verbunden ist – ein Lebensstil, den sich nur Top-Verdiener leisten können.

Das heißt jedoch nicht, dass das Konzept nicht auch für Menschen interessant sein kann, deren Einkommen nicht so hoch ist. Es gibt beim Frugalismus verschiedene Varianten, die mit einer jeweils unterschiedlichen Ausgestaltung verbunden sind und damit unterschiedliche Menschen ansprechen.

Verschiedene Frugalismus-Ansätze

Im englischen Sprachraum unterscheidet man zum Beispiel die folgenden FIRE-Variationen:

  • Fat FIRE oder auch üppiges FIRE: Diese Menschen verdienen so gut, dass sie ihren Lebensstil nicht allzu dramatisch einschränken müssen, um genug für eine frühere Rente sparen zu können. Sie haben ein hohes Einkommen, sparen überall, wo es möglich ist, und gehen bei Investitionen ein hohes Risiko ein.
  • Lean FIRE oder auch mageres FIRE: Dieser Ansatz kommt auch für Menschen infrage, die weniger verdienen. Typisch ist ein minimalistischer Lebensstil, der durch extremes Sparen geprägt ist. Die Einschränkungen für die Betroffenen sind hierbei wesentlich größer als bei Fat FIRE.
  • Barista FIRE: Beim Frugalismus muss es nicht zwingend darum gehen, gar nicht mehr zu arbeiten. Das Ziel kann auch sein, nicht mehr auf ein hohes Einkommen aus einem Vollzeitjob angewiesen zu sein. Bei Barista FIRE geht es darum, genug zu sparen, um mit einem Nebenjob über die Runden zu kommen oder ein Herzensprojekt realisieren zu können, das nicht viel Geld abwirft.

Den Autoren Vicki Robin und Joe Dominguez, die die Frugalismus-Bewegung maßgeblich geprägt haben, ging es nicht ausschließlich darum, einen Masterplan für einen früheren Renteneintritt zu entwickeln. Ihnen war wichtig, zu überdenken, was im Leben wirklich wichtig ist – Geld oder Zeit, um sich den Dingen widmen zu können, die einem wirklich etwas bedeuten?

Für Menschen mit einem mittelmäßigen Einkommen kann Frugalismus eine Möglichkeit sein, sich zumindest einige Jahre vor dem regulären Renteneintrittsalter aus dem Berufsleben zu verabschieden. Auch das kann ein Gewinn sein. Dass sich auch Arbeitnehmer im Niedriglohnbereich durch Frugalismus finanzielle Unabhängigkeit leisten können, ist jedoch eine Illusion. Wer monatlich gerade so über die Runden kommt oder gar Schulden hat, hat keinen Spielraum, etwas zurückzulegen. Nichtsdestotrotz: Auch für solche Menschen kann es sich lohnen, bestimmte Ausgaben zu überdenken und etwas frugalistischer zu leben.

Vor- und Nachteile von Frugalismus

Wer über Frugalismus als Ansatz für einen früheren Rentenbeginn nachdenkt, sollte die Vorteile und Nachteile kennen, die mit dem Konzept verbunden sein können. Die wichtigsten Pro- und Contra-Argumente findest du hier im Überblick.

Das spricht für Frugalismus

  • Frugalismus kann zu finanzieller Unabhängigkeit führen. Das mindert Druck und Stress bei den Betroffenen; sie haben mehr Zeit und mehr Freiraum für die Dinge, die ihnen wirklich wichtig sind.
  • Wer finanziell unabhängig ist, ist häufig zufriedener. Er hat den Ausstieg aus dem Hamsterrad geschafft und wartet nicht auf eine ferne Zukunft, um sein Leben zu leben.
  • Frugalismus liefert nicht zuletzt wichtige Denkanstöße. Vielen Menschen wird dadurch klar, dass alles, was sie ausgeben, durch ihre kostbare Lebenszeit erkauft ist. Wer sich etwas leisten möchte, muss das Geld vorher verdient haben. Ob bestimmte Ausgaben es wirklich wert sind, hinterfragen viele Frugalisten. Typisch ist auch eine Abkehr vom Konsumdenken, was befreiend wirken kann.

Das spricht gegen Frugalismus

  • Frugalismus kommt in einer extremen Form nur für eine kleine Minderheit von Beschäftigten infrage. Die Allerwenigsten können so viel Geld ansparen, dass sie tatsächlich schon mit 40 in Rente gehen können. Für die meisten Normalverdiener besteht diese Möglichkeit realistischerweise nicht, und Geringverdiener sind ohnehin außen vor.
  • Hier und da zu sparen reicht für einen früheren Renteneintritt mit Frugalismus nicht aus. In der Regel sind dafür erhebliche Entbehrungen nötig. Sich ständig einschränken zu müssen, kann auf Dauer für Frust und schlechte Laune sorgen.
  • Wer Jahrzehnte früher in Rente gehen möchte, muss in der Zeit davor sehr wahrscheinlich extrem viel arbeiten, um das nötige Geld anzusparen. Niemand weiß jedoch, was die Zukunft bringt – es kann sein, dass du dich jahrzehntelang für eine frühere Rente kaputt machst, dann aber krank wirst und die Zukunft, auf die du hingearbeitet hast, nicht so eintritt, wie du sie dir vorgestellt hast.
  • Eine frühere Abkehr aus dem Beruf wirkt sich negativ auf den Rentenanspruch aus. Du hast schließlich weniger Jahre, die du in die Rentenversicherung einzahlst, also erhältst du später auch weniger ausgezahlt.
  • Zum Frugalismus gehören meist Geldanlagen, die eine möglichst hohe Rendite abwerfen. Garantien gibt es aber natürlich nicht – es kann auch sein, dass du durch riskante Investitionen viel Geld verlierst. Umso wichtiger ist es, sich bei der Geldanlage beraten zu lassen.
  • Es ist nicht gesagt, dass du bei einer früheren Rente am Ende wirklich glücklicher bist. Vor allem Menschen, die vorher viel gearbeitet haben, fehlt in der Rentenzeit oft etwas, was sie antreibt. Wenn du dir dann eine neue Aufgabe suchen musst, weil du weniger zufrieden bist als gedacht, hättest du auch noch weiter arbeiten können.

Bildnachweis: donvictorio / Shutterstock.com

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