AllgemeinSelbstausbeutung: Daran erkennst du sie

Selbstausbeutung: Daran erkennst du sie

Viele Menschen neigen zur Selbstausbeutung. Das kann sich bei privaten Verpflichtungen, aber auch im Berufsleben bemerkbar machen. Warum Selbstausbeutung so problematisch ist, woran du merken kannst, dass du dich selbst ausbeutest, und was du dagegen tun kannst, erfährst du hier.

Selbstausbeutung: Was ist damit gemeint?

Selbstausbeutung ist die Ausbeutung von sich selbst. Dabei ist man selbst für die Ausbeutung verantwortlich, weil man mehr macht, als man müsste. Menschen, die sich selbst ausbeuten, ignorieren die Grenzen ihrer körperlichen, geistigen und seelischen Leistungsfähigkeit. Sie opfern sich für eine bestimmte Sache auf, ohne dabei Rücksicht auf die eigene Gesundheit und das eigene Wohlbefinden zu nehmen.

Menschen, die zur Selbstausbeutung neigen, widmen sich dann etwa in ihrer Freizeit eher Dingen, die erledigt werden müssen, anstatt schöne Dinge zu tun, die ihnen guttun würden. Selbstausbeutung ist besonders häufig im Zusammenhang mit dem Job zu beobachten. Im Job kann sich Selbstausbeutung auf vielerlei Weise zeigen. Zum Beispiel könnte jemand einen Knochenjob haben, bei dem er körperlich hart arbeiten muss. Er kriegt ein schlechtes Gehalt und wird von seinem Vorgesetzten nicht sonderlich wertschätzend behandelt. Weil er gewissenhaft und perfektionistisch veranlagt ist, legt er sich im Job trotzdem voll ins Zeug. Er versucht, alles zu schaffen, was jedoch gar nicht geht, weil der Arbeitgeber am Personal spart und die einzelnen Mitarbeiter überlastet sind.

Selbstausbeutung kann auch so aussehen, dass jemand nach einem langen Arbeitstag nach Hause kommt. Nach dem Abendessen fällt es ihm schwer, sich zu entspannen und abzuschalten. Er schaut vielleicht eine Serie, checkt aber nebenbei noch seine beruflichen Mails – und beantwortet womöglich auch ein paar Nachrichten. Oder er feilt noch an der Präsentation für den nächsten Vormittag.

Homeoffice kann Selbstausbeutung im Job begünstigen. Wer zuhause arbeitet, tut sich oft schwer damit, einen Abschluss zu finden – er hat ein schlechtes Gewissen, aufzuhören, und arbeitet länger als eigentlich nötig. Das kriegt wahrscheinlich noch nicht einmal jemand mit, so dass der Betroffene für die Überstunden weder bezahlt wird noch einen Freizeitausgleich erhält.

Warum neigen manche Menschen zu Selbstausbeutung?

Wenn Menschen zur Selbstausbeutung neigen, kann das viele Gründe haben. Viele Menschen definieren sich stark über ihren Job. Während die Arbeit früher für viele Beschäftigte ein Mittel zum Zweck war, ist sie heute oft identitätsstiftend und dient der Selbstverwirklichung. Entsprechend weit sind viele Arbeitnehmer bereit, für ihren Job zu gehen. 

Manchmal kommt es zur Selbstausbeutung, weil die Betroffenen gerne arbeiten und freiwillig über das hinausgehen, was sie eigentlich tun müssten. Wer Karriere machen möchte, neigt womöglich dazu, sich in seinem Job aufzuopfern. Oder die Betroffenen machen sich Sorgen um ihren Arbeitsplatz – und den (vermeintlichen) Ansehensverlust, der mit dem Jobverlust aus ihrer Sicht verbunden wäre. In solchen Situationen empfinden viele Arbeitnehmer einen großen Druck, weit mehr zu tun als das, wozu sie verpflichtet sind, damit der Arbeitgeber ihnen nicht kündigt.

Auch eine perfektionistische Ader kann Selbstausbeutung begünstigen. Wer zu Perfektionismus neigt, möchte seine Aufgaben wahrscheinlich immer richtig und so gut wie möglich erledigen. Das ist ein Problem, wenn das Arbeitspensum im Job kaum zu schaffen ist. In vielen schlechtbezahlten Jobs wie zum Beispiel in Supermärkten oder bei Post- und Paketzustellern sind Personalengpässe Standard, weil der Arbeitgeber aus wirtschaftlichen Gründen auf eine minimale Personaldecke setzt. Die Beschäftigten haben dann immer viel zu tun – und machen sich nicht selten kaputt, um alles irgendwie hinzubekommen.

Viele Arbeitgeber haben hohe Anforderungen an ihre Mitarbeiter

Es sind auch die gestiegenen Anforderungen von Arbeitgebern, die Selbstausbeutung bei den Beschäftigten wahrscheinlicher machen können. Viele Arbeitnehmer haben mehr Arbeit als früher, müssen mehr in kürzerer Zeit schaffen und haben dadurch mehr Stress. Problematisch kann es außerdem sein, wenn die Kollegen ein hohes Pensum vorgeben – besonders, wenn sie damit weit über das hinausgehen, was man eigentlich von ihnen erwarten könnte. Der Arbeitgeber setzt dann wahrscheinlich beim Rest des Teams dieselben hohen Leistungen voraus. Wer hingegen merklich weniger leistet, riskiert, negativ aufzufallen – auch wenn er eigentlich einen guten Job macht.

Trends in der Arbeitswelt tragen ebenfalls zu einer Verschärfung des Problems bei. Homeoffice und flexible Arbeitszeiten sind zwar aus Sicht vieler Arbeitnehmer positive Entwicklungen, aber es sind auch Arbeitsmodelle, bei denen man die Arbeitszeit leichter aus dem Blick verlieren kann. Auch selbstbestimmtes Arbeiten mit viel Eigenverantwortung führt eher zu Selbstausbeutung bei den Beschäftigten. Selbstausbeutung im Job kann auch mit befristeten Verträgen zusammenhängen. Wer nicht weiß, ob der Vertrag verlängert wird, legt sich womöglich stärker ins Zeug. Später muss man das Pensum schon deshalb beibehalten, weil der Arbeitgeber sich daran gewöhnt hat.

Wozu Selbstausbeutung führen kann

Selbstausbeutung im Job kann gravierende Auswirkungen – für sich selbst und für andere. Wer sich zu viel aufbürdet, sorgt für Stress. Betroffene haben nicht selten das Gefühl, immer nur arbeiten zu müssen. Das kann ihre Zufriedenheit stark verringern, aber auch psychisch und körperlich belastend sein. Es bleibt weniger Freizeit und damit weniger Zeit für andere Dinge abseits der Arbeit, die den Betroffenen wichtig sind. Womöglich kommt die Erholung zu kurz und die privaten Verpflichtungen bleiben unerledigt. Das verschärft die Situation zusätzlich.

Ändert sich über längere Zeit nichts an der Selbstausbeutung, können Betroffene gesundheitliche Probleme entwickeln. Sie schlafen womöglich schlecht, entwickeln einen Tinnitus oder Rückenschmerzen. Auch Ängste, Depressionen und Burnout können mit Selbstausbeutung zusammenhängen.

Selbstausbeutung an der Arbeit wirkt sich nicht nur auf die Betroffenen selbst aus, sondern oft auch auf ihre Kollegen. Wer freiwillig ständig mehr tut, als er müsste, legt die Messlatte für alle höher. Viele Arbeitgeber nehmen besonders engagierte Mitarbeiter als Maßstab und erwarten von allen anderen im Team dieselben hohen Leistungen. Je mehr Mitarbeiter freiwillig Überstunden machen, noch nach Feierabend erreichbar sind oder am Wochenende arbeiten, desto stärker setzen sie – wenn auch meist ungewollt – ihre Kollegen unter Druck, ebenfalls mehr zu leisten und in ihrer Freizeit erreichbar zu sein. So kann Selbstausbeutung dazu führen, dass der Stress auch für andere steigt.

Dass viele Arbeitnehmer weit mehr tun, als vereinbart wurde, ist in vielen Unternehmen längst Standard geworden. Das zeigt sich auch daran, wie negativ es oft eingestuft wird, wenn jemand „Dienst nach Vorschrift“ macht. Dabei ist damit eigentlich nur jemand gemeint, der genau das tut, wofür er bezahlt wird. So ein Mitarbeiter könnte einen guten Job machen, aber im Vergleich zu übereifrigen Kollegen als Low-Performer eingestuft werden.

Beutest du dich selbst aus? Diese Anzeichen deuten darauf hin

Neigst du zur Selbstausbeutung? Die folgenden Merkmale können darauf hindeuten, dass du zu viel von dir verlangst und dich überforderst:

  • Du fühlst dich im Alltag ständig überlastet und hast das Gefühl, keine Pause machen zu können.
  • Du bist im Dauerstress und hast keine Zeit, mal durchzuatmen und einen Gang zurückzuschalten.
  • Du machst regelmäßig Überstunden.
  • Es fällt dir schwer, Nein zu sagen, wenn der Chef oder die Kollegen dich um einen Gefallen bitten.
  • Du übernimmst mehr Verantwortung als du müsstest.
  • Abends fällst du erschöpft aufs Sofa und bist geistig und/oder körperlich vollkommen erledigt.
  • Du verlangst viel von dir und neigst zu Perfektionismus.
  • Du bist auch nach Feierabend noch erreichbar.
  • Du arbeitest häufig nach Feierabend von zuhause aus noch weiter, indem du zum Beispiel Mails liest, Anrufe tätigst oder etwas vorbereitest.
  • Wenn du krank bist, schleppst du dich trotzdem zur Arbeit.
  • Für private Verabredungen fehlt dir meist die Zeit.
  • Du hast das Gefühl, immer nur zu arbeiten.
  • In deiner Freizeit fällt es dir schwer, abzuschalten und an etwas anderes als die Arbeit zu denken.
  • Du hast ein schlechtes Gewissen, wenn du dir in deiner Freizeit Zeit für schöne Dinge nimmst, die nicht produktiv sind.

Selbstausbeutung: So kannst du gegensteuern

Selbstausbeutung ist ein Problem, das du nicht einfach hinnehmen solltest. Du kannst dir damit gesundheitlich auf Dauer enorm schaden. Wie kann man Selbstausbeutung verhindern und das eigene Verhalten ändern? Im ersten Schritt solltest du eine Bestandsaufnahme machen. Betrachte deine Situation mit etwas Abstand. Wo und wie beutest du dich aus? Welche Folgen hat das? Lohnt es sich überhaupt, über deine Grenzen hinauszugehen? Und was versprichst du dir davon?

Durch diese Analyse weißt du, wo das Problem liegt. Vielleicht reichen deine Überlegungen schon aus, um dich künftig nicht mehr so aufzuopfern – weil du zum Beispiel erkannt hast, dass du dich für einen Chef kaputtmachst, der dir ein geringes Gehalt zahlt und dich auch sonst nicht sonderlich wertschätzt. Viele Menschen, die zur Selbstausbeutung neigen, sind perfektionistisch veranlagt. Dieser Perfektionismus ist oft ein Automatismus, über den sich viele Betroffene gar nicht im Klaren sind. Sie wollen alles immer bestmöglich erledigen, wodurch sie sich unter Druck setzen und Stress erzeugen. Falls es dir auch so geht, solltest du versuchen, deinen Perfektionismus einzugrenzen und dir realistische Ziele zu setzen.

Wenn du im Dauerstress bist, ist es wichtig, bewusst einen Gang zurückzuschalten. Mache dir klar, dass du Auszeiten verdienst hast, in denen du dich entspannst und um dein eigenes Wohlergehen kümmerst. Diese Zeiten sollten nicht verhandelbar sein. Natürlich gibt es immer mal stressige Phasen, in denen weniger Freizeit bleibt. Das sollte aber nicht zur Regel werden.

Was ist dir wirklich wichtig im Leben?

Es ist im Kampf gegen die Selbstausbeutung oft nötig, zu lernen, anderen Grenzen zu setzen. Das Neinsagen fällt vielen schwer, es ist aber wichtig, um sich selbst zu schützen. Grenzen zu setzen kann auch bedeuten, Arbeit und Privates strikter zu trennen. Besonders im Homeoffice kann der Übergang zwischen beidem fließend sein, so dass die verschiedenen Lebensbereiche zunehmend miteinander verschmelzen. Dadurch wird es immer schwieriger, nicht ständig zumindest gedanklich im Arbeitsmodus zu sein.

Nicht zuletzt ist es wichtig, deine Lebenszeit bewusst zu gestalten und dir darüber im Klaren zu werden, welche Ziele du im Leben hast. Manche Menschen finden Erfüllung im Job, aber man kann sie auch anderswo finden – zum Beispiel mit Hobbys, der Familie oder Freunden. Überlege dir, was dir im Leben wirklich wichtig ist, und ordne deine Prioritäten entsprechend. Das kann auch bedeuten, dass du einen stressigen Job kündigst, bei dem es nicht möglich wäre, es etwas langsamer angehen zu lassen.

Ausbeutung am Arbeitsplatz: Wie kann man anderen helfen?

Selbstausbeutung im Job ist ein Problem, das viele Menschen betrifft. Ebenso gibt es aber auch Ausbeutung am Arbeitsplatz durch andere. Möglicherweise hast du einen Kollegen, der durch den Chef ausgebeutet oder von anderen Kollegen ausgenutzt wird. Vielleicht hast du mitbekommen, dass der Betroffene keine Pausen macht, immer länger da ist oder mehr von ihm verlangt wird, als er leisten kann. Was kann man in so einer Situation tun?

Entscheidend ist, in welcher Beziehung du zu der anderen Person stehst und wo die Probleme genau liegen. Sprich mit deinem Kollegen darüber, was dir aufgefallen ist. So erfährst du, was der Betroffene über die Situation denkt und welche Schritte er bereit ist zu gehen. Ein Gespräch mit dem Vorgesetzten ist oft sinnvoll, setzt aber ein gewisses Vertrauensverhältnis voraus. Wenn es noch weiteren Kollegen so geht, kann es eine gute Idee sein, gemeinsam mit dem Chef zu sprechen.

Ausbeutung am Arbeitsplatz ist oft mit rechtswidrigen Praktiken von Arbeitgebern verbunden. In solchen Fällen kannst du dich an den Betriebsrat wenden – vorausgesetzt, das ist für die betroffene Person in Ordnung.

Du solltest auch überlegen, ob du selbst zur Ausbeutung deines Kollegen beiträgst. Vielleicht leistest du sehr viel oder bist in deiner Arbeit sehr schnell. Das kann Druck auf andere ausüben, sich an dieses hohe Pensum anzupassen. Auch der Arbeitgeber erwartet womöglich mehr von allen Mitarbeitern, wenn er extrem leistungsfähige Zugpferde im Team hat.

Wenn du dich für deine Kollegen stark machen möchtest, kannst du auch darüber nachdenken, dich im Betriebsrat zu engagieren oder einer Gewerkschaft beizutreten . Es waren schließlich die Gewerkschaften und später die Betriebsräte, die entscheidend dazu beigetragen haben, die Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmer zu verbessern und Missstände zu beheben.

Bildnachweis: Stokkete / Shutterstock.com

VERWANDTE ARTIKEL

BEWERBUNG

Bewerbungsratgeber von Lebenslauf.de

Ratgeberwissen im Buchformat - Inklusive Gutscheincode

 

NEUE BEITRÄGE