Viele Menschen, die einen Vollzeitjob ausüben, fühlen sich häufig gestresst. Sie arbeiten lange, machen oft Überstunden und versuchen dann, das Unmögliche zu schaffen: sich in der raren Freizeit um Familie, Freunde und Hobbys gleichermaßen zu kümmern. Oft bleibt dafür hinten und vorne nicht genug Zeit. Eine Lösung für das Problem des permanenten Zeitmangels kann die 4-Tage-Woche darstellen. Hier erfährst du mehr über das Modell, seine Vor- und Nachteile und die Möglichkeiten der Realisierung.
4-Tage-Woche: Der Wunsch, weniger zu arbeiten
Viele Arbeitnehmer fiebern jede Woche dem Wochenende entgegen. Nicht nur, um sich zu entspannen und schöne Dinge zu machen, sondern auch, um die oft lange private To-Do-Liste abzuarbeiten – oder zumindest damit anzufangen. Allzu schnell ist das Wochenende dann schon wieder vorüber und man hat mal wieder längst nicht alles geschafft.
Für viele Menschen ist das Wochenende zu kurz, um wirklich einen Ausgleich zum oft stressigen Job darzustellen. Das hängt oft mit gestiegenen Anforderungen im Beruf zusammen. Viele Arbeitnehmer machen regelmäßig Überstunden und haben dadurch noch weniger Zeit für Privates. Von einer ausgeglichenen Work-Life-Balance können sie dann nur träumen.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass sich viele Menschen wünschen, weniger zu arbeiten. Das kann über eine Reduzierung der Stunden hin zu einem Teilzeitjob geschehen. Eine weitere Möglichkeit stellt die Vier-Tage-Woche dar, die manche Arbeitgeber erwägen oder sogar schon ausprobieren. Dieser Variante können viele Deutsche etwas abgewinnen: 61 Prozent der Befragten einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov sind offen für eine Vier-Tage-Woche, um Arbeitsplätze in der Corona-Krise zu schützen. Auch über die Krise hinaus würden sich wohl viele Beschäftigte freuen, weniger arbeiten zu müssen – besonders bei vollem Lohnausgleich.
Ist eine 4-Tage-Woche realistisch?
Aber ist eine Vier-Tage-Woche überhaupt umsetzbar? Grundsätzlich lautet die Antwort in vielen Bereichen Ja. Gegebenenfalls müsste der Arbeitgeber zwar zusätzliche Mitarbeiter einstellen, um den „verlorenen“ Arbeitstag der einzelnen Beschäftigten zu kompensieren. Mit einer entsprechenden Personaldecke kann die 4-Tage-Woche aber selbst im Schichtbetrieb funktionieren.
Nicht nur viele Arbeitnehmer träumen von einem zusätzlichen Wochenend-Tag, auch viele Arbeitgeber finden die Idee einer 4-Tage-Woche interessant. Viele Firmen probieren das Modell deshalb aus – oft mit positivem Fazit. So hat das Unternehmen Microsoft die Vier-Tage-Woche einen Monat lang in Japan ausprobiert. Das Ergebnis: Die Produktivität sank nicht, sondern stieg. Die Beschäftigten waren zufriedener und benötigten weniger freie Tage. Zudem konnten Strom und Druckerpapier gespart werden.
Der Lebensmittel-Konzern Unilever möchte die 4-Tage-Woche bei gleichem Gehalt zunächst ein Jahr lang in Neuseeland testen. Damit zählt er zu den bekanntesten Firmen, die eine kürzere Arbeitswoche ausprobieren. Falls das Experiment erfolgreich verläuft, könnten künftig auch andere Beschäftigte von Unilever in den Genuss einer kürzeren Arbeitswoche kommen.
Längst nicht immer geht es ausschließlich um eine bessere Work-Life-Balance und ihre Folgen, wenn über eine 4-Tage-Woche nachgedacht wird. Die Gewerkschaft IG Metall sieht in der 4-Tage-Woche ein Zukunftsmodell, um auf den Strukturwandel in vielen Zweigen der Industrie zu reagieren. Sie sieht darin eine Möglichkeit, Industriejobs zu erhalten und betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden.
Vorteile & Nachteile: Was für und was gegen eine 4-Tage-Woche spricht
Die Einführung einer Vier-Tage-Woche kann mit verschiedenen Vorteilen einhergehen, aber auch Nachteile können sich daraus ergeben. Die wichtigsten Argumente für beziehungsweise gegen eine 4-Tage-Woche findest du in diesem Abschnitt.
Vorteile: Das spricht für eine 4-Tage-Woche
Für Arbeitnehmer liegen die Vorteile einer 4-Tage-Woche auf der Hand: Sie haben mehr Freizeit. Sie können Beruf und Privatleben besser unter einen Hut bringen, weil sie einen zusätzlichen Tag für Erledigungen und private Verpflichtungen haben. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sie genügend Zeit finden, um sich an freien Tagen zu entspannen. Damit ist das Wochenende eher ein richtiger Ausgleich, der Kraft für die Arbeitswoche gibt.
Wenn Beschäftigte genügend Zeit für ihre privaten Angelegenheiten haben, sind sie meist zufriedener. Dadurch sind sie tendenziell seltener krank und leiden weniger unter Stress und psychischen Problemen, die aus belastenden Situationen resultieren können. Oft sind sie nicht nur insgesamt, sondern auch im Job glücklicher. Ihre Motivation steigt, sie bringen sich im Beruf eher ein.
Für Arbeitgeber können sich durch eine 4-Tage-Woche ebenfalls verschiedene Vorteile ergeben. Experimente verschiedener Unternehmen mit einer Vier-Tage-Woche haben gezeigt, dass die Produktivität der Beschäftigten durch eine verkürzte Arbeitswoche eher anstieg, statt zu sinken. Die Mitarbeiter waren zufriedener und kreativer und haben oft, relativ gesehen, mehr geschafft als vorher. Damit kann eine 4-Tage-Woche für Arbeitgeber Wettbewerbsvorteile bieten.
4-Tage-Woche: Leerere Straßen und S-Bahnen
Arbeitgeber, die eine 4-Tage-Woche anbieten, sind auch für Bewerber attraktiv. Besonders viele jüngere Arbeitnehmer wünschen sich kürzere Arbeitszeiten. Dass ein Unternehmen eine 4-Tage-Woche eingeführt hat, kann deshalb den Ausschlag bei der Entscheidung für einen Arbeitgeber geben. Der Arbeitgeber selbst profitiert von Fachkräften, die seine Firma voranbringen können.
Die Vier-Tage-Woche bietet die Chance, bisherige Vorgehensweisen und Strukturen im Unternehmen zu überdenken. In vielen Firmen geht viel Zeit für Meetings verloren. Oft sind sie unnötig lang oder es nehmen Mitarbeiter daran teil, die ihre Zeit besser in andere Aufgaben stecken könnten. Schließlich kann eine Vier-Tage-Woche uns allen zugutekommen: Ein Tag weniger Arbeit bedeutet weniger Autos auf den Straßen und weniger Menschen in S-Bahnen, U-Bahnen und Bussen. Dadurch sinkt für andere Menschen der Stress auf dem Weg zur Arbeit und das Klima kann besser geschützt werden.
Nachteile: Das spricht gegen eine 4-Tage-Woche
Eine Vier-Tage-Woche kann nicht nur Vorteile haben, sondern auch Nachteile. Für Arbeitnehmer kann sie mit finanziellen Einbußen einhergehen. Zwar probieren manche Unternehmen die 4-Tage-Woche mit vollem Lohnausgleich aus. Für viele Arbeitgeber ist das Modell aber wohl nur vorstellbar, wenn sie an Personalkosten sparen können.
Besonders in schlecht bezahlten Jobs kann das für Beschäftigte dazu führen, dass eine Vier-Tage-Woche für sie finanziell nicht machbar ist. Andererseits: Ein höheres Gehalt führt zu einem höheren Steuersatz. Sinkt das Gehalt, bleibt oft relativ gesehen mehr übrig als vorher. Das kann die Nachteile der Gehaltskürzung teilweise ausgleichen.
Für Arbeitnehmer besteht bei einer 4-Tage-Woche außerdem die Gefahr, dass der Stress an der Arbeit steigt. Die Verkürzung der Arbeitswoche um einen Tag kann dazu führen, dass sie ihre Aufgaben entsprechend an weniger Tagen schaffen müssen. Falls die 4-Tage-Woche zu höherem Druck und Überstunden führt, bleiben die erhofften Vorteile für Beschäftigte womöglich auf der Strecke. Die Produktivität kann dann sinken, der Krankenstand steigen. Ob eine 4-Tage-Woche erfolgreich sein kann, hängt damit maßgeblich von ihrer Ausgestaltung ab.
Für Arbeitgeber bringt die 4-Tage-Woche nur etwas, wenn die Arbeitsleistung ihrer Mitarbeiter zumindest gleichbleibt. Andernfalls sind sie gegenüber Konkurrenten im Nachteil. Stressbedingte Fehlzeiten der Mitarbeiter schlagen finanziell zu Buche und sind ein weiteres Argument, das gegen die Einführung einer 4-Tage-Woche sprechen kann. Es kann außerdem ein Problem sein, wenn bestimmte Mitarbeiter nicht fünf Tage die Woche erreichbar sind.
Häufige Fragen zur 4-Tage-Woche
Manche Fragen rund um die 4-Tage-Woche kommen immer wieder auf. Wir haben die Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Thema – von der Frage nach der Festlegung des freien Tages bis zur Auswirkung einer 4-Tage-Woche auf den Urlaubsanspruch.
4-Tage-Woche: Welcher Tag ist frei?
Für viele Arbeitnehmer ist eine 4-Tage-Woche besonders dann attraktiv, wenn der zusätzliche freie Tag ans Wochenende angrenzt. Eine Garantie, dass der Freitag oder Montag frei wären, gibt es allerdings nicht. Es hängt davon ab, wie die 4-Tage-Woche im Unternehmen realisiert werden kann, wann die Beschäftigten nicht zur Arbeit müssen. Es kann auch sein, dass der zusätzliche freie Tag nicht immer derselbe ist. So können sich die Mitglieder eines Teams etwa abwechseln, so dass jeder mal freitags oder montags frei haben kann.
4-Tage-Woche: Urlaub
Wie wirkt sich eine 4-Tage-Woche auf den Urlaubsanspruch der Beschäftigten aus? Weil sie einen Tag weniger arbeiten, verringert er sich. Hätten sie zuvor bei einer Fünf-Tage-Woche das gesetzliche Minimum von 20 Urlaubstagen pro Jahr gehabt, wären es anschließend nur noch 16. Allerdings müssen Arbeitnehmer auch weniger Urlaubstage einsetzen, um eine Woche frei zu haben. Effektiv können Arbeitnehmer also genauso viel Urlaub machen wie vorher.
Wenn Beschäftigte von vornherein einen höheren Urlaubsanspruch haben, bleibt ihnen bei einer Verringerung der Arbeitszeit auch mehr Urlaub. Beschäftigte im öffentlichen Dienst stehen nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) 30 Urlaubstage pro Jahr zu. Der Urlaubsanspruch für eine 4-Tage-Woche nach dem TVöD läge entsprechend bei 24 Tagen pro Jahr.
4-Tage-Woche: Was ist mit dem Gehalt?
Besonders interessant ist für viele Beschäftigte die Frage, ob eine 4-Tage-Woche mit Lohneinbußen einhergeht oder nicht. Das hängt vom Arbeitgeber ab. Manche Arbeitnehmer kommen in den Genuss einer 4-Tage-Woche bei gleichem Gehalt. Arbeitgeber handhaben das eher so, wenn die Vier-Tage-Woche zu einer Produktivitätssteigerung geführt hat. Dadurch steigen schließlich auch die Einnahmen des Unternehmens, was an die Beschäftigten weitergegeben werden kann.
Für viele Arbeitgeber kommt eine Vier-Tage-Woche nur infrage, wenn die Mitarbeiter entsprechend weniger Geld erhalten. In den meisten Fällen dürften durch eine Arbeitszeitverkürzung also auch Gehaltskürzungen auf die Beschäftigten zukommen.
Nicht immer geht eine 4-Tage-Woche allerdings überhaupt mit einer verringerten Arbeitszeit einher. Werden die Stunden lediglich auf die übrigen Arbeitstage verteilt, erhalten Arbeitnehmer weiterhin ihr übliches Gehalt oder ihren gewohnten Lohn.
Wie kann man die 4-Tage-Woche beantragen?
Arbeitnehmer können eine 4-Tage-Woche nicht ohne Weiteres beantragen. Nur, wenn der Arbeitgeber mitspielt, ist dieses Modell für alle Beschäftigten denkbar. Allerdings haben Arbeitnehmer generell das Recht, in Teilzeit zu arbeiten. Das ergibt sich aus den Bestimmungen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes. Ab einer Betriebszugehörigkeit von sechs Monaten können Beschäftigte in Betrieben mit mehr als 15 regelmäßigen Mitarbeitern Teilzeit beantragen.
Der Arbeitgeber darf einen Antrag auf Teilzeit nicht einfach willkürlich ablehnen. Falls er das tut, muss er gute Gründe dafür haben. Ansonsten sollte er der Bitte des Mitarbeiters auf eine Verringerung der Stundenzahl entsprechen. Einen Antrag auf Teilzeit sollten Arbeitnehmer mindestens drei Monate vorher stellen. Das muss nicht schriftlich geschehen, bietet sich aber aus Gründen des Nachweises an.
Alternative zur 4-Tage-Woche: Weniger Stunden pro Tag
Ein möglicher Nachteil einer 4-Tage-Woche besteht darin, dass Arbeitnehmer oft an den verbleibenden Tagen mehr schaffen müssen. Im schlimmsten Fall führt das dazu, dass sie ständig Überstunden machen – und gestresster sind als vorher. Deshalb gibt es alternative Modelle, die eine Reduzierung der täglichen Arbeitszeit vorsehen. Pro Tag arbeiten Arbeitnehmer dann zum Beispiel nur noch fünf Stunden.
Das hat auch der kalifornische Hersteller von Stand-Up-Paddle-Boards Tower Paddle Boards ausprobiert – und wegen des großen Erfolgs beibehalten. Man greife damit die australische Haltung auf, dass Arbeit zum Leben notwendig sei und man nicht lebe, um zu arbeiten, so die Firma auf ihrer Webseite. Für den Gründer und CEO Stephan Aarstol steht fest: Ein Fünf-Stunden-Tag erhöht die Effizienz und Rentabilität einer Firma. Sie zieht fähige Mitarbeiter an und regt sie zu einer Steigerung ihrer Leistung an.
Das Modell eines Fünf-Stunden-Tags trägt der Erkenntnis Rechnung, dass Menschen sich ohnehin nur begrenzt für lange Zeit am Stück konzentrieren können. Wohl die wenigsten Beschäftigten sind über acht Stunden und mehr dazu in der Lage, fokussiert zu arbeiten. Indem die tägliche Arbeitszeit verringert wird, kann die verbleibende Zeit oft besser genutzt werden. Dass der Feierabend schon in Aussicht ist, kann Beschäftigte zusätzlich motivieren und zu höheren Leistungen anspornen.
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