Der Krankenstand in deutschen Unternehmen ist hoch. Vor diesem Hintergrund wird immer wieder über das Konzept der Teilzeit-Krankschreibung diskutiert. Die Idee: Erkrankte holen sich ein Teilzeit-Attest vom Arzt und arbeiten stundenweise weiter, statt im Job ganz auszufallen. Stundenweise arbeiten trotz Krankschreibung – könnte das in Deutschland bald möglich sein? Wie ein solches Modell aussehen könnte und wo es schon praktiziert wird.
- Teilzeit-Krankschreibung: Bald auch in Deutschland möglich?
- Was ist eine Teilzeit-Krankschreibung?
- Teilzeit-Krankschreibung: Vorteile und Nachteile
- Wie sich Teilzeit-Krankschreibungen auf Unternehmen und Beschäftigte auswirken könnten
- Rechtliche Rahmenbedingungen der Teilzeit-Krankschreibung: Was geklärt werden müsste
- Fazit: Möglichkeiten und Grenzen der Teilzeit-Krankschreibung
Teilzeit-Krankschreibung: Bald auch in Deutschland möglich?
22 Tage fehlten Beschäftigte in Deutschland nach einem Report des BKK-Dachverbands der Betriebskrankenkassen (BKK) im vergangenen Jahr im Schnitt. Besonders in der kalten Jahreszeit fallen regelmäßig viele Beschäftigte aus, die mit einer Erkältung, Grippe oder Corona im Bett liegen, statt zu arbeiten. Das kann für Unternehmen zum Problem werden. Personalmangel setzt nicht nur die übrigen Kollegen unter Druck, was zu Stress und Überarbeitung führen kann. Er kann auch die Produktivität mindern und dafür sorgen, dass Firmen hinter ihrem Potenzial zurückbleiben.
Von der Bundesärztekammer kommt daher die Idee einer Teilzeit-Krankschreibung. Bei einer Krankschreibung in Teilzeit würde jemand stundenweise krankgeschrieben werden und damit nicht ganz im Job pausieren, sondern nur so viel arbeiten, wie er kann.
Diese Idee wird in manchen anderen Ländern schon praktiziert. In Schweden etwa gibt es dieses Modell schon lange. Abhängig von der ärztlichen Einschätzung kann es sein, dass erkrankte Beschäftigte zwei, vier oder sechs Stunden arbeiten müssen. Allerdings: Dabei geht es primär um chronische Erkrankungen wie Depressionen oder Krebs. Die Teilzeit-Krankschreibung in Schweden soll es längerfristig erkrankten Arbeitnehmern leichter machen, ins Arbeitsleben zurückzukehren.
Ähnliche Konzepte gibt es in Ländern wie der Schweiz, den Niederlanden und Österreich. Auch in Norwegen gibt es die Möglichkeit einer Teilzeit-Krankschreibung, um die Wiedereingliederung nach einer längeren Krankheit zu vereinfachen.
Die Idee einer Teilzeit-Krankschreibung kommt in Deutschland immer mal wieder auf. Auch gegenwärtig wird sie diskutiert. Dafür sind neben der Bundesärztekammer auch viele Arbeitgeber, die sich davon geringere personelle Ausfälle versprechen. Kritisch sehen das Konzept einer Teilzeit-Krankschreibung hingegen viele Gewerkschaften und der Hausärzteverband.
Was ist eine Teilzeit-Krankschreibung?
Wenn jemand krankheitsbedingt nicht arbeiten kann und deshalb zum Arzt geht, wird dieser ihn krankschreiben. Diese Krankschreibung gilt für ganze Tage, zum Beispiel über den Verlauf von einer Woche. Für die vorgesehene Dauer arbeiten erkrankte Personen gar nicht – auch nicht für einige Stunden oder im Homeoffice statt im Büro.
Die Teilzeit-Krankschreibung stellt dieses Konzept infrage. Nicht jede Erkrankung, wegen der Arbeitnehmer krankgeschrieben sind, ist so schwerwiegend, dass eine Arbeitstätigkeit pauschal ausgeschlossen wäre. Manche Betroffenen könnten zwar nicht ganze Tage, wohl aber für einige Stunden arbeiten. Oder sie würden leichtere Tätigkeiten von zu Hause aus erledigen, statt ins Büro zu fahren. Das könnte sich insbesondere bei Infektionskrankheiten anbieten, um die Ansteckungsgefahr für die Kolleginnen und Kollegen zu verringern.
Dabei wäre es denkbar, dass ein Arzt von vornherein „nur“ eine Teilzeit-Krankschreibung ausstellt und die Erkrankten keinen Tag komplett im Job pausieren. Die Teilzeit-Krankschreibung könnte auch mit einer regulären Krankschreibung kombiniert werden. Was denkbar wäre, hängt auch vom Verlauf einer Erkrankung ab. Wenn es jemandem schon besser geht, würde eine Teilzeit-Krankschreibung womöglich ausreichen.
Teilzeit-Krankschreibung: Vorteile und Nachteile
Die Teilzeit-Krankschreibung hat als Konzept Vorteile, aber auch Nachteile. Welche Aspekte jeweils dafür und dagegen sprechen, siehst du hier im Überblick.
Was für Teilzeit-Krankschreibungen spricht
- Für Arbeitgeber ist es positiv, wenn Beschäftigte bei leichten Erkrankungen nicht gleich komplett ausfallen. Für die Produktivität im Unternehmen wäre eine Teilzeit-Krankschreibung förderlich.
- Für Arbeitnehmer könnte die Hemmschwelle sinken, sich überhaupt krankzumelden, denn viele Beschäftigte schleppen sich aus Pflichtgefühl krank zur Arbeit.
- Bei einer Krankschreibung in Teilzeit einige Stunden zu arbeiten, kann sinnvoll sein, um im Beruf voranzukommen, aber gleichzeitig die eigene Gesundheit ernst zu nehmen.
- Durch Teilzeit-Krankschreibungen könnten erkrankte Beschäftigte schneller wieder im Einsatz sein, was nicht zuletzt die Kolleginnen und Kollegen entlastet.
- Nach längeren krankheitsbedingten Ausfällen kann eine Teilzeit-Krankschreibung für einen schrittweisen Übergang zurück in den Job sorgen. Das kann die betroffenen Beschäftigten angenehmer sein, als direkt wieder voll loslegen zu müssen.
Risiken und Nachteile von Teilzeit-Krankschreibungen
- Praktisch lässt sich das Modell schwer umsetzen: Wie soll ein Arzt beurteilen, wie viele Stunden jemand arbeiten kann? Das hängt von Faktoren wie der individuellen Belastbarkeit, aber auch dem Job an sich ab. Diese Beurteilung kann über das hinausgehen, was Ärzte leisten müssen und können.
- Die Möglichkeit einer Teilzeit-Krankschreibung könnte die Hürde für Beschäftigte weiter senken, sich leichtfertig krankzumelden, zumal der Arbeitgeber womöglich weniger misstrauisch ist als bei einer kompletten Krankmeldung.
- Für Arbeitgeber kann es einen organisatorischen Mehraufwand bedeuten, wenn Mitarbeiter nur stundenweise arbeiten. Womöglich müssen trotzdem Kollegen Aufgaben übernehmen, wobei möglicherweise nicht klar ist, wie viel die Betroffenen leisten können.
- Erkrankte Arbeitnehmer sind meist weniger leistungsfähig, was sich negativ auf die Produktivität in Unternehmen auswirken kann.
- Die Möglichkeit einer Teilzeit-Krankschreibung kann den Druck auf Beschäftigte erhöhen, trotz Krankheit zu arbeiten. Das kann dazu führen, dass Krankheiten verschleppt werden und insgesamt länger und schwerwiegender verlaufen – ein Nachteil für Arbeitnehmer und Arbeitgeber.
- Der Druck, zumindest einige Stunden weiterzuarbeiten, kann auch für sich genommen Stress auslösen und damit ein gesundheitliches Risiko darstellen.
Wie sich Teilzeit-Krankschreibungen auf Unternehmen und Beschäftigte auswirken könnten
Noch gibt es in Deutschland keine generelle Möglichkeit, mit einer Teilzeit-Krankschreibung stundenweise zu arbeiten trotz Krankschreibung. Bisher ist die Kombination aus Arbeit und Erholung nur im Rahmen einer Wiedereingliederung nach längerer Krankheit vorgesehen. Würde die Teilzeit-Krankschreibung in Deutschland auch für leichte Erkrankungen eingeführt, hätte diese Entwicklung das Potenzial, die Arbeitswelt erheblich zu verändern.
Auf das Gehalt von erkrankten Beschäftigten hätte eine Teilzeit-Krankschreibung zunächst wohl keine Auswirkungen. Schon heute bekommen Arbeitnehmer bei einer Arbeitsunfähigkeit bis zu sechs Wochen den üblichen Lohn vom Arbeitgeber. Ab der siebten Krankheitswoche könnten sich Änderungen ergeben, durch die den Beschäftigten mehr Geld als bisher zur Verfügung stehen könnte, wenn sie in verringertem Umfang weiterhin arbeiten.
Eine Teilzeit-Krankschreibung könnte Einfluss auf Wohlbefinden und Psyche haben. Es kann positiv für das Selbstwertgefühl der Betroffenen sein, wenn sie trotz ihrer Erkrankung zur Arbeit gehen. So können längere krankheitsbedingte Auszeiten vermieden werden, die am Selbstbewusstsein der Erkrankten kratzen können. Zugleich hätten die Betroffenen weniger Stress, als wenn sie regulär arbeiten würden. So sind sie schneller wieder fit. Umgekehrt kann jedoch auch der Druck, trotz Krankheit zu arbeiten, für Stress sorgen.
Mögliche Folgen für Unternehmen
Arbeitgeber müssten dank einer Teilzeit-Krankschreibung nicht komplett auf Mitarbeiter verzichten, die nur leicht erkrankt sind. Das ist einerseits positiv, kann aber auch negative Konsequenzen haben. Oft ist nur schwer abzusehen, wie belastbar jemand trotz Krankheit ist. Fehleinschätzungen können dazu führen, dass sich die Genesung verzögert, was weder im Sinne der erkrankten Mitarbeiter noch ihres Arbeitgebers ist. Es könnte auch sein, dass Arbeitsplätze angepasst werden müssten, damit kranke Mitarbeiter besser arbeiten können.
Zugleich kann die Umsetzung von Teilzeit-Krankschreibungen im Betrieb Herausforderungen mit sich bringen. Nicht nur organisatorisch in Bezug auf die Arbeitsteilung und Aufgabenplanung. Probleme können sich zum Beispiel bei Schichtarbeit ergeben: Wie kann man einen erkrankten Mitarbeiter, der stundenweise arbeitet, einplanen? Übernimmt ein anderer Beschäftigter den Rest seiner Schicht?
Es kann sein, dass gesundheitlich angeschlagene Mitarbeiter weniger produktiv sind und nach kurzer Zeit doch eine Vertretung erforderlich ist. Fällt jemand von vornherein aus, kann der Arbeitgeber möglicherweise besser planen.
Rechtlich könnten sich durch Teilzeit-Krankschreibungen ebenfalls Probleme und Unsicherheiten für Betriebe ergeben. Womöglich müssen neue Vereinbarungen in Tarifverträgen getroffen oder Gesetze angepasst werden. Eine wichtige Rolle spielt auch der Datenschutz, wenn es um sensible Gesundheitsdaten geht. Auch dafür bräuchte es klare Regelungen.
Rechtliche Rahmenbedingungen der Teilzeit-Krankschreibung: Was geklärt werden müsste
Wenn eine allgemeine Teilzeit-Krankschreibung in Deutschland eingeführt würde, bräuchte es einen klaren gesetzlichen Rahmen. Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, aber auch Ärzte und Krankenkassen wären Regelungen erforderlich, die Orientierung bieten.
Die folgenden Aspekte müssten geklärt werden, wenn eine Teilzeit-Krankschreibung eingeführt würde:
- Anspruch: Ein möglicher Anspruch von Beschäftigten auf eine Teilzeit-Krankschreibung müsste gesetzlich verankert sein.
- Voraussetzungen für eine Teilzeit-Krankschreibung: Für Ärzte müsste klar sein, nach welchen Kriterien eine Teilzeit-Krankschreibung möglich wäre. Dazu könnten standardisierte Kriterien ausgearbeitet werden oder es könnte spezielle Leitlinien geben.
- Lohnfortzahlung: Derzeit zahlen Arbeitgeber im Krankheitsfall bis zu sechs Wochen den üblichen Lohn. Es müsste Klarheit darüber geschaffen werden, wie die Lohnfortzahlung im Fall einer Teilzeit-Krankschreibung aussehen könnte (etwa jeweils anteilig für die gearbeiteten Stunden und die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit).
- Sozialversicherungsbeiträge: Es müsste geregelt werden, wie die Beiträge zur Sozialversicherung für die stundenweise Arbeitszeit und die Zeit der Arbeitsunfähigkeit aufgeteilt würden.
- Krankengeld: Wenn nach sechs Wochen der Anspruch auf Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber endet, ersetzt die Krankenversicherung die entgangenen Einnahmen durch Krankengeld. Im Fall einer Teilzeit-Krankschreibung müsste das Krankengeld anteilig berechnet werden.
- Datenschutz: Gesundheitsdaten sind sensible personenbezogene Daten, die geschützt werden müssen. Gefragt wären Regelungen darüber, welche Daten Arbeitgeber verlangen dürfen, wenn jemand nach einer Krankschreibung in Teilzeit stundenweise arbeitet. Klare Vorgaben wären unerlässlich, um die Privatsphäre der Beschäftigten zu schützen.
Das Thema Teilzeit-Krankschreibung müsste außerdem in Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen geregelt werden, um Transparenz für Arbeitgeber und -nehmer zu schaffen.
Fazit: Möglichkeiten und Grenzen der Teilzeit-Krankschreibung
- Bisher ist die Situation in Deutschland klar: Ein erkrankter Arbeitnehmer ist entweder trotzdem arbeitsfähig oder er kann sich von seinem Arzt oder seiner Ärztin krankschreiben lassen. Dann kann er für einige Tage oder Wochen zu Hause bleiben.
- Bei einer Teilzeit-Krankschreibung wäre das anders: Jemand wäre zwar krankgeschrieben, würde aber stundenweise arbeiten – so, wie es angesichts seiner individuellen Belastung möglich wäre.
- Über die Einführung einer Teilzeit-Krankschreibung wird in Deutschland immer mal wieder diskutiert. Sie wäre im Sinne vieler Arbeitgeber, die darin die Chance sehen, Ausfallzeiten in der Belegschaft zu verringern.
- Für Arbeitnehmer könnte die Schwelle sinken, sich überhaupt krankzumelden. Sie könnten aber auch unter Druck stehen, nicht ganz zu Hause zu bleiben, sondern trotz Krankheit noch in Teilzeit zu arbeiten. Das könnte zu Stress führen und die Genesung verzögern.
- Falls eine Teilzeit-Krankschreibung eingeführt werden sollte, bräuchte es umfassende rechtliche Regelungen, die die Voraussetzungen und Auswirkungen einer Krankschreibung in Teilzeit klären. Fraglich wäre zudem, wie Ärzte beurteilen sollen, wie viel jemand trotz Krankheit arbeiten kann.
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