AllgemeinMinderwertigkeitskomplexe: So kannst du sie überwinden

Minderwertigkeitskomplexe: So kannst du sie überwinden

Menschen mit einem Minderwertigkeitskomplex glauben, dass sie im Vergleich zu anderen Menschen weniger wert sind. Solche Minderwertigkeitsgefühle können sich auf bestimmte Situationen und Umstände beziehen, aber auch ganz allgemein vorherrschen. In diesem Artikel erfährst du, welche Ursachen Minderwertigkeitskomplexe haben können, welche Merkmale es gibt und was du dagegen tun kannst.

Minderwertigkeitskomplex Definition: Was ist damit gemeint?

Wenn von einem Minderwertigkeitskomplex die Rede ist, muss man unterscheiden: Der Begriff kann einerseits relativ leichtfertig im alltäglichen Sprachgebrauch verwendet werden und vorübergehende Gefühle bezeichnen, die wohl jeder Mensch hin und wieder hat. Im eigentlichen Sinne handelt es sich bei Minderwertigkeitskomplexen aber um eine psychische Störung, die das Leben der Betroffenen enorm beeinträchtigen kann.

Der Begriff Minderwertigkeitskomplex wurde von Alfred Adler geprägt, einem österreichischen Arzt und Psychotherapeuten, der als Begründer der Individualpsychologie gilt. Synonym wird auch der Begriff Minderwertigkeitsgefühle verwendet. Minderwertigkeitskomplexe gehen mit einem sehr negativen Selbstbild einher. Die Betroffenen glauben, dass sie nicht gut genug sind. Andere sind vermeintlich überlegen, können mehr, sehen besser aus und sind insgesamt mehr wert.

In manchen Fällen treten Minderwertigkeitsgefühle nur situativ auf, etwa, wenn jemand gerade ein unangenehmes Erlebnis in einer Gruppe hatte. Sie können sich auch rein auf bestimmte Fähigkeiten und Kompetenzen beziehen. Wer zum Beispiel große Probleme damit hat, vor einer größeren Gruppe von Menschen zu sprechen, fühlt sich gegenüber Kollegen, die damit (scheinbar) kein Problem haben, womöglich minderwertig. Manchmal beziehen sich die Minderwertigkeitsgefühle jedoch auf nahezu alle Bereiche des Lebens. Sie sind dann oft ein diffuses Gefühl, das die Betroffenen unterschwellig immer begleitet. Ob es im Einzelfall tatsächlich einen Grund dafür gibt, sich minderwertig zu fühlen, tritt in solchen Fällen meist völlig in den Hintergrund.

Welche Merkmale hat ein Minderwertigkeitskomplex?

Minderwertigkeitskomplexe können verschiedene Symptome haben. Typisch sind mehr oder weniger stark ausgeprägte Gefühle, nicht gut genug zu sein. Während man selbst nach eigenem Empfinden nichts kann, nichts wert ist und nichts schaffen wird, werden andere Menschen als kompetenter, fähiger und insgesamt wertvoller als man selbst empfunden.

Menschen mit Minderwertigkeitskomplexen haben oft überzogene Erwartungen an sich selbst, die sie kaum je erfüllen können. Viele Betroffene neigen zu Perfektionismus und fokussieren sich auf das, was sie nicht oder nicht gut genug können. Fehler und Schwächen treten in den Vordergrund, während Talente und Fähigkeiten nicht als solche wahrgenommen werden.

Solchen Menschen fällt es schwer, Lob von anderen anzunehmen. Es wird oft pauschal als nicht aufrichtig empfunden oder die Betroffenen glauben, dass andere nur höflich sein wollen. Auf Kritik reagieren Menschen mit Minderwertigkeitsgefühlen hingegen oft übermäßig empfindlich; sie nehmen sich kritische Worte oft sehr zu Herzen und befassen sich gedanklich noch lange damit.

Sozialer Rückzug als Folge von Minderwertigkeitsgefühlen

Menschen mit ausgeprägten Minderwertigkeitskomplexen entwickeln häufig ein Vermeidungsverhalten. Sie vermeiden dann etwa bestimmte soziale Situationen, in denen sie sich minderwertig fühlen würden. Typisch ist in schweren Fällen auch ein sozialer Rückzug, wodurch Beziehungen mit anderen Menschen erschwert werden. Eine soziale Isolation kann die Folge sein.

Betroffene können dann in einen Teufelskreis geraten: Weil sie bestimmte Situationen meiden, müssen sie mit den negativen Konsequenzen ihres Verhaltens leben, etwa, indem sie weniger Freunde haben. Dadurch fühlen sie sich womöglich noch minderwertiger, was ihr Vermeidungsverhalten zusätzlich verstärken kann. Die Betroffenen können Ängste entwickeln, aber auch Essstörungen oder Süchte. Auch Depressionen können durch Minderwertigkeitskomplexe begünstigt werden.

Manche Menschen mit Minderwertigkeitskomplexen ziehen sich nicht zurück, sondern drängen sich gerade wegen ihrer Minderwertigkeitsgefühle in den Vordergrund. Sie sehnen sich nach Aufmerksamkeit und Anerkennung durch andere und verhalten sich deshalb so, wie sie glauben, dass andere es von ihnen erwarten. Ebenso können sie versuchen, sich selbst aufzuwerten, indem sie andere durch kritische Worte verunsichern.

Minderwertigkeitskomplexe: Ursachen für Minderwertigkeitsgefühle

Warum entwickeln manche Menschen einen Minderwertigkeitskomplex? Die Ursachen hierfür sind meist in der Kindheit zu finden. Bestimmte Charakterzüge begünstigen die Entstehung von Minderwertigkeitskomplexen, und auch körperliche Merkmale können dazu beitragen – besonders, wenn man dafür als Kind von anderen gehänselt wurde. Beispiele sind etwa Übergewicht, Deformitäten oder Sprachstörungen wie Stottern oder Lispeln.

Eine große Rolle spielt meist auch die Erziehung und der Umgang der Bezugspersonen mit einem Kind im Allgemeinen. Kinder, die später Minderwertigkeitskomplexe entwickeln, hatten oft Eltern mit sehr hohen Ansprüchen, für die kaum etwas gut genug war. Solche Kinder wurden meist selten gelobt, dafür aber umso häufiger kritisiert – für ein bestimmtes Verhalten oder ganz generell für ihre Persönlichkeit. Es kann sein, dass die Eltern ihr Kind nicht so akzeptiert haben, wie ist war, sondern es verändern wollten, und das womöglich auch kundgetan haben. Mangelnde Zuneigung, Fürsorge und ein wenig empathischer Umgang mit einem Kind können ebenfalls dafür sorgen, dass es Minderwertigkeitsgefühle entwickelt.

Auch das Gegenteil kann problematisch sein: Wenn Kinder zu viel Fürsorge erhalten und ständig gelobt werden, kann das dazu führen, dass sie als Erwachsene unselbstständig sind und es nicht schaffen, auf eigenen Beinen zu stehen. Dadurch können sie sich minderwertig fühlen.

Minderwertigkeitsgefühle nach negativen sozialen Interaktionen

Ein Minderwertigkeitskomplex hat seine Ursachen in vielen Fällen, aber nicht immer in der Kindheit. Auch im Laufe des Heranwachsens oder im Erwachsenenalter können sich Minderwertigkeitsgefühle noch einstellen. Das kann zum Beispiel durch negative Rückmeldungen durch andere Personen der Fall sein, aber auch durch unangenehme soziale Situationen, die den Betroffenen peinlich sind.

Wenig hilfreich ist es, sich mit anderen zu vergleichen, etwa über soziale Netzwerke. Auch Perfektionismus und die damit einhergehenden unrealistischen Erwartungen an sich selbst, an denen man oft nur scheitern kann, können ein Grund für Minderwertigkeitskomplexe sein. Manchmal dauern Minderwertigkeitskomplexe nur für einen gewissen Zeitraum an, weil sie durch aktuelle Umstände entstanden sind. Das kann zum Beispiel bei Arbeitslosigkeit der Fall sein, wenn der berufliche Erfolg ausbleibt oder man als einziger im Freundeskreis keinen Partner hat.

Auswirkungen: So kann dir ein Minderwertigkeitskomplex schaden

Ein Minderwertigkeitskomplex kann mehr oder weniger stark ausgeprägt sein. Er kann sich auf bestimmte Situationen beschränken und deshalb nur vereinzelt auftreten oder aber für die Betroffenen ein vorherrschendes Gefühl sein, das ihren Alltag ständig begleitet. Geringe und seltene Minderwertigkeitsgefühle sind etwas völlig Normales; viele Menschen zweifeln hin und wieder an sich. Das hat meist keine nennenswerten Folgen. Wenn die Minderwertigkeitskomplexe hingegen stark ausgeprägt und an der Tagesordnung sind, kann das gravierende Konsequenzen für die Betroffenen haben.

Die Betroffenen haben dann oft ständig negative Gefühle: Sie fühlen sich als Versager, glauben, sie könnten nichts und wären nicht gut genug. Wenn sie sich aus sozialen Beziehungen zurückziehen, leidet ihr Sozialleben darunter. Sie können nicht oder nicht im eigentlich möglichen Umfang von den positiven Effekten eines sozialen Netzes profitieren. Ihre Selbstzweifel können unter diesen Umständen weiter steigen.

Minderwertigkeitskomplexe können krank machen

Viele Menschen mit Minderwertigkeitskomplexen finden sich mit einer suboptimalen Situation ab, in der sie unzufrieden sind. Diese Unzufriedenheit kann ihre Gesundheit auf vielfältige Art und Weise gefährden. Damit verbundener Stress kann sich etwa auf den Schlaf auswirken, das Gewicht, die Herz-Kreislauf-Gesundheit und nicht zuletzt das psychische Wohlbefinden. Schwere Minderwertigkeitskomplexe sind oft mit weiteren Problemen verbunden, etwa Alkohol- oder Drogenmissbrauch, einer Essstörung, Depressionen oder Angststörungen. Selbst Suizidgedanken können aufkommen.

Wer ständig die eigenen Unzulänglichkeiten vor Augen hat, kann dadurch wie gelähmt sein. Auch auf die Leistung im Job kann sich das auswirken: Wer damit beschäftigt ist, sich nicht gut genug und gegenüber den Kollegen minderwertig zu fühlen, schöpft sein Potenzial wahrscheinlich nicht aus. Betroffene können außerdem den Wunsch haben, unsichtbar zu sein, damit niemand auf ihre Minderwertigkeit aufmerksam wird. Dadurch halten sie sich womöglich zurück, etwa in Meetings, wenn es darum geht, freiwillig bestimmte Verantwortlichkeiten zu übernehmen oder wenn sich intern oder extern eine interessante Job-Möglichkeit ergibt. Nicht ergriffene Chancen stehen nicht nur dem beruflichen Fortkommen im Weg, sondern können auch dafür sorgen, dass der Arbeitgeber mit den Betroffenen weniger zufrieden ist.

Minderwertigkeitskomplexe überwinden: Tipps für Betroffene

Es kann schwer sein, Minderwertigkeitskomplexe zu überwinden – vor allem, wenn sie stark ausgeprägt sind. Leichtere Minderwertigkeitsgefühle sind noch am ehesten auf eigene Faust lösbar, aber in schweren Fällen ist bei Minderwertigkeitskomplexen eine Therapie ratsam. Wende dich hierzu an deinen Hausarzt oder direkt an einen Psychotherapeuten. Es gibt dennoch einige Dinge, die du selbst tun kannst, um deine Minderwertigkeitsgefühle zu verringern. Die folgenden Tipps können dir helfen, wenn du an deinen Minderwertigkeitskomplexen arbeiten möchtest.

Keine Vergleiche mit anderen

Vergleiche mit anderen Menschen sind Gift für das Selbstwertgefühl. Man sieht das Leben der anderen immer nur von außen, was eine verzerrte Wahrnehmung zur Folge haben kann. Außerdem blickt man immer nur auf die positiven Seiten der anderen – und vergleicht sie nicht selten mit den eigenen Schwachstellen. Dabei wird ausgeblendet, dass andere auch Schwächen haben. Sei also vorsichtig, wenn du dich mit anderen vergleichst. Besonders Social Media kann diesbezüglich kontraproduktiv sein.

Selbstwert stärken

Wichtig ist auch, deinen Selbstwert gezielt zu stärken. Dazu kannst du zum Beispiel nahestehende Menschen fragen, was sie an dir schätzen oder was du gut kannst. Du kannst auch eine Liste von all den Dingen machen, die du erreicht hast. Positive Affirmationen können ein weiterer Ansatz sein.

Akzeptiere dich so, wie du bist

Menschen mit Minderwertigkeitskomplexen sind unzufrieden mit sich und wären gerne anders, als sie sind. Das hilft dir aber nicht weiter. Natürlich kannst du dich an bestimmten Stellen verändern, wenn du es wirklich willst. Aber zufriedener wirst du nur sein, wenn du dich so akzeptierst, wie du bist.

Perfektionismus ablegen

Wenn du unrealistische Erwartungen an dich und dein Leben hast, schafft das den Nährboden für Minderwertigkeitsgefühle. Hast du zu hohe Ziele, wirst du es kaum schaffen – und bist dann noch unzufriedener mit dir. Arbeite also daran, deinen Perfektionismus hinter dir zu lassen. Oder, um den Schriftsteller John Steinbeck zu zitieren: „Jetzt, wo du nicht mehr perfekt sein musst, kannst du gut sein“.

Stelle dich Situationen, vor denen du dich fürchtest

Wer Minderwertigkeitskomplexe hat, meidet womöglich bestimmte soziale Situationen. Das solltest du aber nicht tun, weil es dein Problem verstärken kann. Dich den Situationen zu stellen kann dir hingegen helfen, deine Minderwertigkeitsgefühle zu überwinden. Das ist auch das Prinzip der Konfrontationstherapie, die ein Instrument der Verhaltenstherapie ist. Die Betroffenen tun dabei das, wovor sie Angst haben, und sollen ihre Ängste dadurch Schritt für Schritt abbauen.

Herausforderungen annehmen

Menschen mit geringem Selbstwertgefühl fällt es schwer, Herausforderungen anzunehmen – weil sie glauben, dass sie ohnehin scheitern werden. Das ist aber nicht der richtige Ansatz, denn: an Herausforderungen, die du gemeistert hast, wächst du. Es stärkt dein Selbstbewusstsein, wenn du Erfolge verbuchen kannst, was im Umkehrschluss deine Minderwertigkeitsgefühle verringern kann.

Sport machen

Bei körperlicher Anstrengung setzt der Körper Endorphine frei, die dich entspannter werden lassen und sich positiv auf deine körperliche und psychische Gesundheit auswirken. Deshalb ist es eine gute Idee, Sport zu machen, um Minderwertigkeitskomplexe zu verringern. Die Fitness, die du mit regelmäßiger Bewegung erreichen kannst, kann außerdem dein Selbstwertgefühl stärken.

Selbsthilferatgeber lesen

Um Minderwertigkeitskomplexe abzulegen, kannst du auch Fachliteratur nutzen. Im Detail zu wissen, wie solche Komplexe entstehen und wie sie abgebaut werden können, gibt dir die nötigen Instrumente an die Hand, um deinen Minderwertigkeitsgefühlen den Kampf anzusagen.

Selbsthilfegruppen und Foren nutzen

Es kann guttun, zu hören, dass es anderen auch so geht. Dafür sind Selbsthilfegruppen oder Foren im Internet sehr nützlich. Online kannst du auch anonym Erfahrungen mit anderen austauschen. Besonders hilfreich ist das, wenn du nicht viele Kontakte hast, mit denen du über deinen Minderwertigkeitskomplex sprechen kannst.

Veränderung ist möglich

Nicht zuletzt: Um Minderwertigkeitskomplexe zu überwinden, ist es wichtig, zu wissen, dass Veränderung immer möglich ist. Der Mensch, der du einmal warst, ist nicht zwingend der Mensch, der du einmal sein wirst. Jeder Mensch kann sich verändern. Diese Erkenntnis kann befreiend wirken.

Bildnachweis: Ollyy / Shutterstock.com

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